Grüne für Umgehung der Schuldenbremse – FDP gegen weitere Sondervermögen

Eine klare Absage an die jüngste Forderung von Grünen-Chefin Ricarda Lang gibt es vonseiten der FDP. Öffentliche Investitionsgesellschaften und Sondervermögen würden die Schuldenbremse aushöhlen.
Schuldenbremse
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 21. August 2023

In der Ampelkoalition droht ein seit Längerem schwelender Haushaltskonflikt neu aufzuflammen. Am Sonntag, 20. August, hatte Grünen-Chefin Ricarda Lang gefordert, Aufgaben und finanzielle Ausstattung öffentlicher Investitionsgesellschaften zu forcieren. Sie sollen „notwendige Zukunftsinvestitionen“ ermöglichen, ohne die Schuldenbremse infrage zu stellen. Genau dies wäre jedoch nach Auffassung von Kritikern der Fall – sie weisen auf ohnehin schon zahlreiche Sondervermögen hin.

Bundesanstalt soll Wohnbauziele vorantreiben

Die Schuldenbremse ist in Deutschland seit 2011 im Grundgesetz verankert. Sie gebietet Bund und Ländern, ihre Haushalte ohne Neuverschuldung zu bestreiten. Ricarda Lang will diese grundsätzlich beibehalten, zumal dies auch im Koalitionsvertrag verankert ist. Allerdings, so die Grünen-Politikerin, dürfe dies „nicht zur Ausrede werden, uns nicht mit anderen Finanzierungsmöglichkeiten für notwendige Zukunftsinvestitionen auseinanderzusetzen“.

Dazu zählt Lang unter anderem die Forcierung öffentlicher Investitionsgesellschaften. So möchte sie etwa die „nicht bahnnotwendigen Immobilien des Bundeseisenbahnvermögens“ in die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) eingliedern. Diese soll in weiterer Folge „unsere bau-, wohnungs-, stadtentwicklungspolitischen und ökologischen Ziele“ umzusetzen helfen.

Auf diesem Wege ließen sich Aufgaben des sozialen Wohnbaus bewältigen. Es entstünde eine „Win-win-Situation“ sowohl für Wohnungssuchende als auch für die Baubranche. Zuletzt blieb die Bundesregierung deutlich unter ihrem Ziel zurück, pro Jahr den Bau von 400.000 neuen Wohnungen zu ermöglichen. Auch in den kommenden Jahren wird dies voraussichtlich der Fall sein.

Errichtung an Schuldenbremse gebunden – bei Fehlinvestitionen haftet jedoch der Bund

Öffentliche Investitionsgesellschaften sind in der Regel staatliche oder öffentliche Einrichtungen, die zweckgebunden zur Erfüllung definierter Aufgaben geschaffen werden. Eines der Hauptanliegen sind dabei regelmäßige Investitionen in Bereiche wie Infrastruktur, Start-up-Finanzierung oder Technologieentwicklung.

Bei der Beschaffung von Finanzmitteln haben sie regelmäßig einen breiten Spielraum. Sie sind ermächtigt, sich um Mittel aus verschiedenen Quellen zu bemühen, einschließlich Eigenkapital der öffentlichen Hand oder Fremdkapital von Finanzmärkten. Gleiches gilt bezüglich der Beurteilung der Frage, welche Investitionen konkret im öffentlichen Interesse liegen. Im Regelfall sind sie als Tochtergesellschaften der öffentlichen Hand organisiert.

Öffentliche Investitionsgesellschaften müssen im Einklang mit den Vorgaben der Schuldenbremse stehen, wenn sie staatliche Mittel erhalten oder Schulden aufnehmen. Der Bund stattet sie mit Eigenkapital aus; über Kredite können sie weiteres Kapital aufnehmen und investieren. Im Fall des Misserfolgs einer solchen Investition würde jedoch der Bund die Haftung übernehmen – und damit auch der Steuerzahler.

Öffentliche Investitionsgesellschaften und das EU-Beihilfenrecht

Probleme könnten auch im Zusammenhang mit dem Beihilfenrecht der EU entstehen. Die Strukturen müssen den europäischen Wettbewerbsregeln und Schutzbestimmungen zugunsten gleicher Bedingungen für Unternehmen im Binnenmarkt entsprechen.

Entsprechend kann auch EU-Recht die Finanzierung und die Tätigkeiten von öffentlichen Investitionsgesellschaften beeinflussen. Ziel ist es demnach, eine Verzerrung des Binnenmarkts zu verhindern. Demgegenüber sind Sondervermögen im Regelfall nicht als Unternehmen organisiert und fallen dadurch auch nicht unter das EU-Beihilfe[n]recht.

Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, ist das Vorhaben Langs innerhalb der Koalition alles andere als unumstritten. Vor allem aus der FDP kommt Kritik. Bundesfinanzminister Christian Lindner würdigt in einem Gastbeitrag für die Seite „Der Steuerzahler“ die Schuldenbremse. Diese sei „ein Anker im drohenden Strudel einer Lohn-Preis-Spirale“. Vor allem gebe es „keinerlei Evidenz“ dafür, dass die Schuldenbremse Investitionen verhindere.

Habeck: „Keine neuerliche Aussetzung der Schuldenbremse“

Aber auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigt sich reserviert bezüglich der Vorstöße aus seiner Partei, die Schuldenbremse zu relativieren. Eine erneute Aussetzung wie 2020 bis 2022 im Zusammenhang mit der Corona- und Energiekrise sei nicht machbar. In der „Zeit“ äußerte der Minister:

Die Schuldenbremse erneut auszusetzen – das geben die wirtschaftlichen Daten nicht her, und der Koalitionsvertrag tut es auch nicht.“

Er setzt auf den „Klima- und Transformationsfonds“. Dieser schaffe bereits Möglichkeiten, „große Investitionen zu tätigen“. Allerdings könne man „mit mehr Möglichkeit mehr machen“, so Habeck. Kritiker des Lang-Vorstoßes verweisen zudem auf eine Vielzahl an Sondervermögen, die der Bund zur Bewältigung umfangreicher Investitionsvorhaben unterhält.

Allein die Ampel hat den Klima- und Transformationsfonds auf über 200 Milliarden Euro erweitert – unter anderem durch die Umwidmung von 60 Milliarden Euro aus Corona-Töpfen. Dazu kommt unter anderem auch das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr.

Sondervermögen sind zum Teil mit Kreditermächtigung ausgestattet

Über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), einen weiteren Finanztopf außerhalb des Bundeshaushalts, erfolgt auch die Finanzierung der Energiepreisbremsen. Er kann Schulden von bis zu 200 Milliarden Euro aufnehmen. Ursprünglich hatte der Bund den WSF 2020 zur Bewältigung der Corona-Folgen geschaffen.

Ein weiteres Sondervermögen mit Kreditermächtigung ist unter anderem der Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) mit einem Rahmen von bis zu 90 Milliarden Euro. Er entstand 2008 unter dem Eindruck der weltweiten Finanzkrise. Mit Stand von Ende 2020 lagen die Schulden bei 55,48 Milliarden Euro.

Der 2009 geschaffene Investitions- und Tilgungsfonds (ITF) hatte zum gleichen Zeitpunkt seinen Kreditrahmen von 25 Milliarden Euro in Höhe von 16 Milliarden Euro ausgeschöpft. Der Ende 2010 aufgelegte Restrukturierungsfonds (RSF) für mögliche Bankenrettungen spielt demgegenüber keine Rolle mehr. Er wurde bereits Mitte der 2010er-Jahre durch den EU-Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund) abgelöst.

Weitere durch Bundeszuschüsse mitfinanzierte Sondervermögen reichen zeitlich noch weiter zurück. Das älteste ist dabei das seit 1953 bestehende ERP-Sondervermögen, das die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verwaltet.



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