Selenskyj entschärft Aussagen zu „Präventivschlägen“ gegen Russland

Der ukrainische Präsident Selenskyj betont, künftige Kriege seien nur mit einem Sieg über Russland zu verhindern. Zudem rudert er nach seiner kritischen Aussage eines Präventivschlages gegen Russland zurück. An der Krim-Brücke ist ein Großbrand ausgebrochen und in Lyman wurde ein Massengrab entdeckt. Die Nachrichten im Überblick.
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Schwarzer Rauch steigt durch ein Feuer auf der Brücke von Kertsch, die die Krim mit Russland verbindet, nachdem ein Lastwagen in der Nähe von Kertsch explodiert ist, 8. Oktober 2022.Foto: -/AFP via Getty Images
Epoch Times8. Oktober 2022

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj entschärfte in einem Fernsehinterview seine umstrittenen Aussagen zu einem „Präventivschlag“ gegen Russland. „Man muss präventive Tritte ausführen, keine Angriffe. Wir sind keine Terroristen, wir greifen kein anderes Territorium an“, sagte Selenskyj am Freitag in Kiew in einem BBC-Interview auf Englisch. Auch nach all dem Kriegsleid sei die Ukraine noch immer nicht bereit, „Menschen umzubringen, so wie die Russen es tun“.

Selenskyj hatte am Donnerstag mit Forderungen nach der entschiedenen Verhinderung eines russischen Atomwaffeneinsatzes für Aufsehen gesorgt. Der Kreml in Moskau verurteilte die Aussagen scharf als „Aufruf zum Beginn des Dritten Weltkriegs“. Nicht nur in Moskau, auch in vielen westlichen Ländern sorgten Selenskyjs Aussagen für Irritation oder Entsetzen.

Selenskyj: Weitere Fortschritte bei Kiews Offensive

Zugleich sieht Selenskyj weitere Fortschritte bei der Verteidigungsoffensive der ukrainischen Streitkräfte. In der vergangenen Woche hätten die ukrainischen Streitkräfte 776 Quadratkilometer Land befreit; 29 Ortschaften insgesamt, davon 6 im Gebiet Luhansk, sagte er. Wieder unter ukrainischer Kontrolle seien Ortschaften, in denen die Besatzer unlängst Referenden über einen Beitritt zu Russland abgehalten hatten. Seit Beginn der Offensive seien insgesamt 2.434 Quadratkilometer und 96 Siedlungen wieder unter ukrainische Kontrolle gekommen. Die Befreiung der Gebiete gehe weiter, sagte er.

Die russischen Besatzer müssten überall vertrieben und als Aggressor besiegt werden, sagte Selenskyj. Nur so könnten Kriege in Zukunft verhindert werden. In einer neuen Reaktion auf die Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland erkannte Selenskyj nun die Pazifik-Inselgruppe der südlichen Kurilen als Hoheitsgebiet Japans an. In einer Videobotschaft forderte er die Weltgemeinschaft auf, das russische Gebiet ebenfalls als japanisch anzuerkennen.

Die im Norden von Japan gelegenen Gebiete hatte die Sowjetunion als Siegermacht im Zweiten Weltkrieg erobert. Japan und Russland als Rechtsnachfolger der Sowjetunion haben wegen des Territorialstreits bis heute keinen Friedensvertrag. „Russland hat kein Recht auf diese Gebiete“, sagte Selenskyj nun.

Lkw-Bombe beschädigt Krim-Brücke schwer

Die für Russland strategisch wichtige Brücke zur annektierten ukrainischen Halbinsel Krim beschädigte eine Bombenexplosion am Samstag nach russischen Angaben schwer. Die Lkw-Bombe explodierte um 6:07 Uhr Ortszeit und löste einen Großbrand auf der Brücke aus, wie das nationale Anti-Terror-Komitee in Moskau mitteilte. Mindestens drei Menschen kamen nach russischen Angaben ums Leben. Wer für die Explosion verantwortlich war, blieb zunächst im Dunkeln. Die 2018 eingeweihte Brücke ist für die Versorgung der in der Ukraine kämpfenden russischen Soldaten von großer Bedeutung.

Durch die „Explosion einer Autobombe“ auf der Straßenlinie der Brücke seien sieben Tanks eines Güterzuges auf dem Weg zur Krim in Brand geraten, teilte das Komitee mit. Zwei Fahrbahnen wurden beschädigt, der Auto- wie der Bahnverkehr über die Brücke kamen zum Erliegen. In Online-Netzwerken waren dramatische Aufnahmen zu sehen, die zeigten, dass Teile der Brücke ins Wasser gestürzt waren.

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Nach Angaben der russischen Ermittler kamen drei Menschen ums Leben, vermutlich „Insassen des Autos, das in der Nähe des explodierten Lastwagens“ fuhr. Demnach konnte der Lkw-Fahrer inzwischen identifiziert werden.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte der Nachrichtenagentur RIA Nowosti, Präsident Wladimir Putin habe eine Regierungskommission eingerichtet, die den Vorfall untersuchen solle. Die russischen Behörden leiteten strafrechtliche Ermittlungen ein.

Die 19 Kilometer lange Straßen- und Eisenbahnbrücke führt über die Straße von Kertsch und verbindet die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim mit dem russischen Staatsgebiet. Sie wurde vier Jahre nach der Annexion der Krim durch Russland fertiggestellt und 2018 von Putin persönlich eingeweiht – und ist somit für Russen wie Ukrainer auch von besonderer symbolischer Bedeutung.

Massengrab gefunden

Nach dem Abzug russischer Truppen aus der Stadt Lyman im Osten der Ukraine haben die Behörden nach eigenen Angaben rund 200 Gräber und ein Massengrab gefunden. Mit den Exhumierungen sei bereits begonnen worden, schrieb der Militärgouverneur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, am Freitagabend in seinem Kanal im Nachrichtendienst Telegram. Dazu veröffentlichte er Fotos, die viele kleine Holzkreuze und Einsatzkräfte in weißen Schutzanzügen zeigten. Die zeitweise von russischen Truppen besetzte, strategisch wichtige Kleinstadt hatten die Ukrainer Anfang Oktober zurückerobert.

Bei den Toten könne es sich ersten Erkenntnissen zufolge sowohl um ukrainische Soldaten als auch um Zivilisten handeln, hieß es. Wie viele Leichen in dem Massengrab lägen, müsse erst noch ermittelt werden. Polizeiangaben zufolge sollen unter den getöteten Menschen auch mehrere Kleinkinder und ganze Familien sein. Bereits am vergangenen Mittwoch hatten ukrainische Medien über den Fund Dutzender Gräber in Lyman berichtet. Einige der Opfer sollen durch heftigen Beschuss des Ortes im Mai ums Leben gekommen sein.

Schon in der Vergangenheit hatten Ukrainer nach dem Abzug russischer Truppen in verschiedenen Teilen des Landes Massengräber gefunden. International für besonderes Entsetzen sorgten Anfang April die Leichenfunde in der Kiewer Vorstadt Butscha. Dort waren Hunderte getöteter Zivilisten – einige mit Folterspuren und gefesselten Händen. Butscha gilt seitdem als Symbol für schwerste Kriegsverbrechen.

Ausbildung ukrainischer Soldaten von Deutschland unterstützt

Deutschland wird nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz einen „wichtigen Beitrag“ zu der geplanten EU-Ausbildungsmission für die ukrainischen Streitkräfte leisten. Das sagte der SPD-Politiker am Freitag nach einem EU-Gipfel in Prag. Scholz betonte, dass die Mission „einen großen Umfang“ haben werde und er davon ausgehe, dass die Regierung bereits in der nächsten Woche Entscheidungen dazu bekannt geben könnte. Der Plan war zuletzt, dass die EU außerhalb der Ukraine für rund 15.000 ukrainische Soldaten Trainingsprogramme anbietet, 2.800 davon könnten Spezialkräfte sein.

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im August ein neues Programm zur Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte ins Gespräch gebracht. Konkret könnte es nach früheren Angaben Fortbildungen in Bereichen wie Logistik und dem Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Waffen umfassen.

Bereits heute bilden mehrere EU-Staaten ukrainische Soldaten auf Basis nationaler Absprachen aus. Deutschland engagierte sich zuletzt vor allem in den Bereichen Luftverteidigung und Artillerie. Zudem habe die Bundesregierung gemeinsam mit den Niederlanden ein Vorschlag erarbeitet, wie die Ausbildung zur Minenabwehr verstärkt werden könnte.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sprach sich für eine Panzerausbildung der ukrainischen Soldaten in der EU aus. „Die Spanier wären bereit, in Lettland die ukrainischen Soldaten am Leopard 2 auszubilden“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Kiew. Dafür müsste Deutschland aber grünes Licht geben.

Lebensmittelkrise: Ukraine bekommt 1,3 Milliarden Dollar

Vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bekommt die Ukraine frische Milliardenhilfe aus einem neuen Programm zum Abfedern von Lebensmittel-Preisschocks. Der IWF-Rat billigte am Freitag die Auszahlung von 1,3 Milliarden Dollar (1,33 Milliarden Euro). Mit dem Geld sollten unter anderem die Einnahmeausfälle durch im Zuge des russischen Angriffskrieges weggefallene Getreideexporte ausgeglichen werden, teilte der Währungsfonds mit.

Für die ukrainische Wirtschaft werde in diesem Jahr ein Schrumpfen um 35 Prozent vorhergesagt und der Finanzierungsbedarf bleibe hoch. Das neue IWF-Unterstützungsprogramm im Zusammenhang mit der Lebensmittelkrise ist erst vor wenigen Tagen gestartet.

Was heute wichtig wird

Die Ukraine setzt ihre Offensive im Osten und Süden des Landes fort, um die russischen Truppen weiter zurückzudrängen und weitere Ortschaften zu befreien. Das russische Verteidigungsministerium verlegt unterdessen immer mehr Reservisten, die Moskau im Zuge einer Teilmobilmachung einberuft, in das überfallene Land. Die Einberufenen solle dort besetzte Gebiete in den Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson halten. (dpa/afp/mf)



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