„Retten die Welt nicht durch Verarmen“: Großbritannien wendet sich von radikaler Klimapolitik ab
Der britische Premierminister Rishi Sunak hat am Mittwoch, 20. September, in London angekündigt, Großbritannien werde eine Wende zu mehr Pragmatismus in der Klimapolitik vollziehen. Auf diese Weise wolle man in Zeiten der Inflation arbeitende Bürger vor zu hohen Belastungen schützen. Am Ziel der Klimaneutralität bis 2050 wolle man festhalten – die Etappenziele für 2030 werde man jedoch anpassen.
Bürger in Großbritannien für Nullemissionsziel – aber auch für bezahlbare Energie
Nur zwei Jahre, nachdem das Vereinigte Königreich in Glasgow den Weltklimagipfel ausgerichtet hatte, kommt die Ankündigung für viele überraschend. Vor allem unter der Führung des in Ungnade gefallenen Ex-Premiers Boris Johnson hatte sich die Konservative Partei dem „Klimaschutz“ verschrieben.
Bereits die Entscheidung des seit Oktober 2022 amtierenden Regierungschefs Rishi Sunak, hunderte neue Lizenzen für Öl- und Gasbohrungen in der Nordsee auszustellen, hatte jedoch eine Wende erahnen lassen. Großbritanniens Bürger leiden unter hohen Kosten für Energie und Treibstoff. Explodierende Transportkosten haben zudem die Lebensmittelpreise massiv in die Höhe getrieben.
Umfragen zufolge befürwortet zwar eine deutliche Mehrheit der Wähler ein Festhalten an den Net-Zero-Zielvorgaben für 2050. Allerdings gibt es mittlerweile eine ebenso deutliche Mehrheit dafür, im Konfliktfall bezahlbare Energie notfalls auf Kosten strengerer Klimaschutzvorgaben zu sichern.
Vorgaben zu Verbrennerverbot und Heizungsumbau abgemildert
Wie die „Daily Mail“ berichtet, wird Sunak eine Reihe an Maßnahmen verkünden, die den Umsetzungsdruck bezüglich der Klimaziele von der Bevölkerung nehmen sollen. Das Verbot der Neuzulassung von Benzin- und Dieselfahrzeugen wird Großbritannien um fünf Jahre auf 2035 verschieben. Ursprünglich war man mit dem geplanten Aus ab 2030 sogar noch über die Vorgaben der EU hinausgegangen, die das Vereinigte Königreich 2020 verlassen hatte.
Auch die britische Variante des deutschen „Heizungsgesetzes“ wird zurückgeschraubt. In Großbritannien sollte es ab 2035 ein Verbot des Neueinbaus von Gaskesseln geben. Stattdessen sollen nur 80 Prozent der bestehenden ausgemustert werden. Der Einbau neuer Ölheizungen sollte ursprünglich ab 2026 untersagt sein, künftig gilt auch diese Regelung erst ab 2035.
Wegfallen werden die Bußgelddrohungen für Immobilienbesitzer, deren Gebäude bestimmte Vorgaben zur Energieeffizienz nicht erfüllen. Auch vom Plan, Haushalte zur Trennung von Müll in sieben Kategorien zu verpflichten, rückt man ab. Großbritannien wird zudem keine neuen Steuern einführen, um das Fliegen unattraktiver zu machen. Zudem will man keine Vorgaben oder Förderungen vonseiten der Regierung zur Veränderung der Ernährung oder zum Car Sharing umsetzen.
Sunak: Großbritannien wird seine Klimapolitik „besser und verhältnismäßiger“ ausgestalten
Ein Regierungssprecher erklärte am Mittwochabend, die Regierung bleibe den Nullemissionszielen verbunden. In Großbritannien setze man diese sogar schneller um als in allen anderen G7-Staaten. Allerdings werde „unser Zugang immer pragmatisch sein und sicherstellen, dass die Kosten nicht auf hart arbeitende Familien abgewälzt werden“. Regierungen aller Couleur seien bezüglich der Kosten und Folgewirkungen zu strenger Klimavorgaben nicht ehrlich gewesen.
Premier Sunak betont, man werde die internationalen Klimaschutzverpflichtungen in einer Weise erfüllen, die „besser und verhältnismäßiger“ sei:
Unsere Politik muss die langfristigen Interessen unseres Landes wieder vor kurzfristige politische Wünsche stellen.“
Sunak wird auch an einer Zusammenkunft der UN-Generalversammlung in New York nicht teilnehmen, in der es um die sogenannten Nachhaltigkeitsziele geht. Er sagte zudem einen geplanten gemeinsamen Besuch mit König Charles III. in Frankreich ab. Dieser wird dort ein Forum zur Forcierung von Maßnahmen zur Emissionsverminderung abhalten.
„Richtig, in einer Zeit der Inflation Steuerzahler zu entlasten“
Die Wende in der Klimapolitik sorgt innerhalb der Reihen der Konservativen für heftige Konflikte. Vor allem Anhänger des rechten Parteiflügels begrüßen den Schwenk hin zu mehr Pragmatismus. Der Abgeordnete Karl McCartney (Lincoln) spricht von einer „Entscheidung für den gesunden Menschenverstand“. Die Kosten eines Verbrennerverbots ab 2030 seien für normale Autofahrer zu hoch.
Innenministerin Suella Braverman erklärte in einem Fernsehinterview, man werde „den Planeten nicht retten, indem wir das britische Volk ruinieren“. Auch der frühere Wirtschaftsminister Jacob Reese-Mogg begrüßte den Schwenk zum Pragmatismus. Die Bürger in seinem Stimmkreis drohten zu frieren und zu verarmen, und sie könnten auf zusätzliche Belastungen verzichten:
In einer Zeit der Inflation Lasten von den Steuerzahlern zu nehmen, ist eine richtige Entscheidung und die richtige Strategie, um Wahlen zu gewinnen.“
Mehrere ehemalige Tory-Kabinettsmitglieder kritisieren Sunak
Demgegenüber warnte Ex-Premier Boris Johnson die Regierung davor, jetzt „in irgendeiner Weise nachzulassen oder die Ambitionen für dieses Landes aufzugeben“. Der frühere Tory-Umweltminister Zac Goldsmith sprach von einer „Schande“ und forderte Neuwahlen. Der frühere Energieminister Chris Skidmore erklärte, die Entscheidung Sunaks könnte „der größte Fehler seiner politischen Karriere“ gewesen sein.
Aus der Autoindustrie kommen Klagen, man habe im Vertrauen auf die Einhaltung des Verbrennerverbots hohe Summen in den Ausbau der Elektroproduktion gesteckt. In mehreren Städten habe man auch Produktionsstätten für Batterien für E-Autos aufgebaut. Der Präsident des Automobilverbandes SMMT, Mike Hawes, erklärte, ihm sei noch am Montag eine Beibehaltung des Verbrennerverbots für 2030 zugesagt worden.
Labour könnte sich zu extreme Klimapolitik ebenfalls nicht leisten
Sollte es zu Neuwahlen kommen, würde die oppositionelle Labour Party deutlich vor den Konservativen liegen. Der Vorsprung ist jedoch seit dem Ende der kurzen Regierungsphase von Johnson-Nachfolgerin Liz Truss kleiner geworden.
Zudem wird das Thema der Kosten einer zu radikalen Klimapolitik auch die Sozialdemokraten beschäftigen. Im Juli verlor Labour überraschend die Nachwahl zum Unterhaussitz des zurückgetretenen Boris Johnson im Stimmkreis Uxbridge und South Ruislip.
Parteichef Keir Starmer machte deutlich, dass der Plan des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan, eine Steuer auf Kraftfahrzeuge auszuweiten, der wahrscheinliche Grund für die Niederlage sei. Der siegreiche konservative Kandidat Steve Tuckwell hatte seinen Wahlkampf ausschließlich auf diese Maßnahme ausgerichtet. Labour müsse „die Lektion daraus lernen“, äußerte Starmer gegenüber BBC.
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