Erdgas aus Baku für die EU von Zustimmung durch Türkei abhängig
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Energiekommissar Kadri Simson haben am 18. Juli in Baku eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet. Geplant ist, ihre derzeitigen Erdgasbezüge aus den Vorkommen Aserbaidschans zu verdoppeln. Sie bezeichneten das Vorhaben als einem wichtigen Schritt zur Abhängigkeit von russischen Lieferungen.
Von der Leyen erklärte in diesem Kontext, man bewege sich mittlerweile „auf zuverlässigere Energielieferanten zu“. Nun macht die türkische Nachrichtenagentur Anadolu (AA) darauf aufmerksam, dass der Deal mit dem seit 1991 von der Sowjetunion unabhängig gewordenen Turkstaat noch nicht in trockenen Tüchern sei. Der Grund: Neben Aserbaidschan selbst hat auch die befreundete Türkei noch ein Mitspracherecht in Angelegenheiten der Pipeline, durch die das Erdgas fließen soll.
EU spekuliert auf Entlastung aus Schah-Denis-Gasfeld
Die EU werde aus diesem Grund auch die Zustimmung aus Ankara einholen müssen, wenn es um zusätzliche Erdgaslieferungen über die Transanatolische Erdgaspipeline (TANAP) geht. Ein 2012 zwischen Aserbaidschan und der Türkei unterzeichnetes Lieferabkommen bestimmt, dass im Fall der Erweiterung der Kapazitäten Ankara das Erstzugriffsrecht auf das zusätzliche Erdgas zukommt.
Die bislang nachgewiesenen Erdgasreserven betragen 1,3 Billionen Kubikmeter. Die jährliche Transportkapazität der TANAP-Hauptpipeline liegt derzeit bei 16 Milliarden Kubikmetern. Die TANAP ist der zentrale Teil des Südlichen Gaskorridors, der das riesige Schah-Denis-Gasfeld in Aserbaidschan über die Südkaukasus-Pipeline und die Trans Adriatic Pipeline (TAP) mit Europa verbindet.
Die TAP, der europäische Teil der TANAP, kann derzeit jährlich bis zu 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas befördern. Um die ins Auge gefasste Vereinbarung mit Brüssel umsetzen zu können, soll die Kapazität nun auf 20 Milliarden Kubikmeter verdoppelt werden. Die EU bezog aus der Russischen Föderation zuletzt 155 Milliarden Kubikmeter Erdgas.
Zusätzliches Gas aus Aserbaidschan wird zuerst der Türkei angeboten
Durch entsprechende Erweiterungsinvestitionen wäre es möglich, die Gesamtkapazität der TANAP in zwei Etappen erst auf 24 und dann auf 31 Milliarden Kubikmeter auszubauen. Dies sei, so schreibt Anadolu, in den nächsten fünf Jahren kaum machbar, da trotz der Investitionen für die Kapazitätserhöhung zusätzliche Protokolle und Vereinbarungen erforderlich sind.
Die Klauseln 8 und 9 von Artikel 7 des zwischen der Türkei und Aserbaidschan am 26. Juni 2012 unterzeichneten Regierungsabkommens räumen der Türkei Vorrang bei Kapazitätserweiterungen und Arbeiten zur Erhöhung der Versorgung im Zusammenhang mit dem TANAP ein.
Im erstgenannten Passus wurde vereinbart, dass „alle Gasmengen, die der Republik Aserbaidschan gehören und die über eine anfängliche Menge von 16 Milliarden Kubikmetern pro Jahr hinaus über das TANAP-System transportiert werden sollen, zunächst den Käufern in der Republik Türkiye angeboten werden“.
In Punkt 7.9 heißt es: „Die Erweiterung des TANAP-Systems über die anfängliche Kapazität von zweiunddreißig (32) Milliarden Kubikmetern pro Jahr hinaus unterliegt der gegenseitigen Zustimmung der Staaten.“
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