Lithium im Blick: Scholz will das Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wirbt in Südamerika für die EU – und wirft einen Blick in das Lithiumdreieck Bolivien, Chile und Argentinien. Er wird von rund einem Dutzend Unternehmensvertretern begleitet. Ziel der Reise sind unter anderem neue Partnerschaften im Bereich Rohstoffe und Energie.
Bundeskanzler Olaf Scholz hält sich momentan in Buenos Aires auf. Im Stadtteil La Baco breitet Diego Maradona hinter ihm die Arme aus.
Bundeskanzler Olaf Scholz hält sich momentan in Buenos Aires auf. Im Stadtteil La Baco breitet Diego Maradona hinter ihm die Arme aus.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times29. Januar 2023

Kanzler Olaf Scholz ist mit einer Wirtschaftsdelegation zu seiner ersten Südamerika-Reise aufgebrochen. Es geht um klimaneutrales Wirtschaften, erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff, Rohstoffhandel und den Schutz des Amazonas, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit twittert.

Die größten Reserven von Lithium liegen in Südamerika, ohne den Rohstoff steht die deutsche Elektromobilität auf der Kippe. Argentinien verfügt über eines der größten Schiefergas-Vorkommen der Welt und könnte es mittels Fracking-Technik fördern.

Der Kanzler will das seit Jahren auf Eis liegende Freihandelsabkommen zwischen der EU und der südamerikanischen Wirtschaftszone Mercosur retten. Die Verhandlungen hätten „nun schon lange genug gedauert“, sagte Scholz (SPD) am Samstagabend (Ortszeit) nach seinem Treffen mit dem argentinischen Präsidenten Alberto Fernández in Buenos Aires.

Auf der anderen Seite hofft der Mercosur, von geo- und energiepolitischen Umwälzungen profitieren zu können und damit aus der Krise zu kommen. Deutschland und die EU suchen neue Partner für Rohstoffe, Energie und anderes. Es wird erwartet, dass – falls Brasilien sich mit der EU einigt – Argentinien sehr wahrscheinlich mitziehen werde.

Die EU und die Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay hatten sich 2019 nach 20 Jahren Verhandlungen auf ein Assoziierungsabkommen zur Bildung der größten Freihandelszone der Welt verständigt. Das Abkommen wurde nicht ratifiziert.

Deutsche Bauern fürchten, von südamerikanischen Produkten überrannt zu werden

Dass das Abkommen auf Eis liegt, hängt an europäischen Zusatzforderungen, die über den ursprünglichen Vertragstext hinausgehen. Nicht nur Landwirte in Frankreich, Österreich und Irland befürchten, dass südamerikanische Agrarimporte die eigene Landwirtschaft in den Ruin treiben könnten.

Die Südamerikaner setzten eine stärkere Öffnung des europäischen Marktes für ihre landwirtschaftlichen Produkte durch, insbesondere bei Rindfleisch. In mehreren EU-Staaten kritisierten Bauernverbände dies scharf.

Außerdem warnten Umweltschützer vor einem Aufweichen von Standards, wenn das Abkommen in Kraft tritt – in den Mercosur-Staaten gelten schwächere Vorgaben beim Umwelt-, Klima- und Pflanzenschutz sowie beim Einsatz von Antibiotika.

Scholz an argentinischem Gas interessiert

Bei dem Besuch des Kanzlers in Argentinien wurden auch zwei Abkommen zur Förderung von Start-up-Unternehmen und zur Zusammenarbeit im Energiebereich unterzeichnet. Bei Letzterem geht es vor allem um grünen Wasserstoff, Scholz bekundete auch Interesse an argentinischem Flüssiggas.

Fernández sagte, Argentinien wolle „ein sicherer Gasproduzent in der Welt werden“ und seine Förderkapazitäten ausbauen. Neben der Förderung der Schiefergasvorkommen mangelt es noch an der Infrastruktur zur Verteilung. Argentiniens Interesse liege hierbei darin, „deutsche Investitionen nach Argentinien zu bringen“.

Zum anderen betonte Argentiniens Präsident, dass sein Land keine Waffen an die Ukraine liefern werde. „Argentinien und Lateinamerika denken nicht daran, Waffen an die Ukraine oder irgendein anderes Land in einem Konflikt zu schicken.“ Scholz stellte klar, dass sich Deutschland aus seiner Sicht – trotz Waffenlieferungen – nicht am Ukraine-Krieg beteiligt. Das sei ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Deutschland werde alles dafür tun, damit es nicht zu einer Eskalation komme, die zu einem Krieg zwischen Russland und NATO-Staaten führe.

Fernández sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz auch: Mit Lula „sind wir in einer besseren Position“, um eine Einigung über das Freihandelsabkommen zu erzielen. Gemeint ist der linksgerichtete Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der erneut seit 1. Januar regiert.

Die Mercosur-Staaten mit ihren insgesamt rund 300 Millionen Einwohnern bilden gemeinsam einen der fünf wichtigsten Wirtschaftsräume der Welt. Die Mitgliedschaft des fünften Mitglieds, Venezuela, ist derzeit suspendiert.

Argentinien und Brasilien: Neue gemeinsame Währung

In Lateinamerika wird derzeit auch über eine gemeinsame Währung diskutiert. Der argentinische Peso und der brasilianische Real könnten zukünftig durch eine gemeinsame Währung ersetzt werden.

Brasilien will diese „sur“ (Süden) nennen. Aktuell wird zwischen beiden Ländern über die Modalitäten gesprochen und darüber, wie „sur“ die Wirtschaft stärken und die Abhängigkeit vom Dollar verringern könnte.

Bereits seit 2019 wird die Idee in beiden Ländern diskutiert. Bei einem Gipfeltreffen in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires wurde das Projekt jüngst wieder beraten. Andere Staaten der Region könnten sich später der Währung anschließen – ähnlich der Erweiterung der Eurozone.

Besuche für Lithium: Chile und Brasilien

Am Sonntag setzt Scholz seine erste Lateinamerika-Reise als Bundeskanzler in Chile fort, am Montag und Dienstag steht Brasilien auf dem Programm. Dort wird Scholz als erster westlicher Staats- oder Regierungschef den Anfang Januar vereidigten brasilianischen linksgerichteten Präsidenten Lula treffen.

Der Bundeskanzler wird von rund einem Dutzend Unternehmensvertretern begleitet. Ziel der Reise sind unter anderem neue Partnerschaften im Bereich Rohstoffe und Energie. Damit soll Deutschlands Versorgung etwa bei Seltenen Erden unabhängiger von Ländern wie China gemacht werden.

Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner (Grüne), die die Wirtschaftsdelegation des Kanzlers leitet, hatte im Vorfeld der Reise mehrere konkrete Projekte angekündigt, die vereinbart werden sollen. „Brasilien, Argentinien und Chile sind Partnerländer, mit denen uns viel verbindet“, erklärte sie.

In Chile wird Scholz von Präsident Gabriel Boric empfangen, am Montag steht ein deutsch-chilenisches Wirtschaftsforum auf dem Programm. Brasilien ist dann die letzte Station seiner viertägigen Reise.

Atacama-Wüste: Lithiumabbau verschlingt Grundwasser

Chile ist interessant für Deutschland, da es über die weltweit größten nachgewiesenen Lithiumreserven verfügt. Bei der Produktion liegt es nach Australien an zweiter Stelle. Die Förderkosten in Chile betragen nur ein Drittel im Vergleich zu Australien. In Bolivien, Chile und Argentinien liegen laut einer Erhebung der US-Geologie-Behörde 58 Prozent der weltweiten Lithiumreserven.

Anders als China sei Deutschland früher davor „zurückgeschreckt“, sich am Lithiumabbau zu beteiligen, der mit Blick auf Sozial- und Umweltfragen eine „anspruchsvolle Sache“ sei, zitiert „t-online“ Regierungskreise in Berlin. Und:

Den Luxus können wir uns heute nicht mehr erlauben, wenn wir wirklich auf eigenen Füßen stehen wollen und wenn wir wirklich eigene Bezugsquellen haben wollen.“

Problematisch ist der Abbau durch die Beeinträchtigung des Grundwassers. Der Wasserverbrauch der Lithiumförderung ist hoch und die Region von Dürre geprägt. Jede Lithiumanlage verbraucht Millionen Liter Wasser am Tag.

Verónica Chávez, die Vorsitzende der indigenen Gemeinde Kolla Santuario de Tres Pozos in der Provinz Jujuy, die auf argentinischer Seite Lithium abbaut, erklärt: „Es stimmt nicht, was sie sagen, dass sie den Planeten retten werden. Es ist doch vielmehr so, dass wir unser Leben geben sollen, um [ihn] zu retten. Wir essen weder Lithium noch Batterien. Wir trinken Wasser“, sagte sie einem Reporterteam der Nachrichtenagentur AFP.

Die Länder des Lithiumdreiecks wollen künftig das begehrte Metall nicht nur liefern, sondern auch weiterverwerten. Eine industrielle Verwendung ist in Planung. Südamerika könnte „die konkrete Chance haben, zum nächsten China zu werden“, erklärt der Ökonom Juan Carlos Zuleta aus Argentinien. Der Kontinent habe alle notwendigen Rohstoffe zur Herstellung von Batterien und Elektrofahrzeugen.

Im Jahr 2020 kostete die Tonne Lithium 5.700 Dollar, so die Preismeldeagentur Benchmark Mineral Intelligence. Der Preis steigt rasant: 2022 wurden pro Tonne 65.000 Dollar gezahlt.

Scholz wirbt für „Klimaclub“

In Buenos Aires lud Scholz den argentinischen Präsidenten Fernández zudem zum Beitritt seines Landes zu dem im vergangenen Dezember von den G7-Staaten gegründeten Klimaclub ein.

Er sei „sehr froh darüber, dass Argentinien bereit ist, dabei mitzumachen“, sagte Scholz. Das Land spiele eine „wichtige Rolle“ im Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel. Fernández sagte, Argentinien sei „absolut bereit, diese Initiative zu begleiten“.

Die Staats- und Regierungschefs der G7-Gruppe hatten den Klimaclub im Dezember auf Scholz’ Vorschlag hin gegründet. Damit sollen eine schnelle Umsetzung des Pariser Klimaabkommens unterstützt und insbesondere die Emissionsverringerung im Industriebereich vorangebracht werden. Zudem soll ein Zusammenschluss möglichst vieler Staaten verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Staaten mit niedrigen Umweltstandards verlagern. (afp/ks)



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