„Ungerechte“ Sprache bleibt vorerst weiter gestattet – Punktabzug bei Verweigerung von Gendersternchen

Der deutsche Rechtschreibrat hat in seiner jüngsten Sitzung noch keine Empfehlung abgegeben, in welcher Weise „geschlechtergerechte“ Schreibweisen künftig offiziell abgesegnet sein sollen. Man wolle die Entwicklung weiter beobachten. Erste Universitäten reagieren auf die Verweigerung von Gendersternchen bereits mit Punkteabzug.
Von 27. November 2018

Abseits der akademischen Echokammer und der politisch-medialen Filterblase ist im deutschen Sprachraum – und der reicht nun mal über Deutschland hinaus – immer noch die Ansicht weit verbreitet, die Natur, religiöse Menschen würden von der Schöpfung sprechen, kenne nicht mehr als zwei Geschlechter. Alles, was darüber hinausgehe, sei lediglich eine Form von Anpassungsstörung.

Eine solche Ansicht auf Facebook zu äußern, würde mittlerweile wohl mit einer 30-tägigen Sperre beantwortet – ohne dass die meisten Betroffenen überhaupt wüssten, warum. In Zeiten, in denen Ideologie den öffentlichen Diskurs beherrscht und in denen es zählbare Vorteile bringen kann, sich als Opfer imaginärer Ränkespiele („Patriarchat“, „Kapitalismus“, „Heteronormativität“ o.ä.) zu inszenieren, sind objektive Fakten nicht mehr die harte Währung, die sie vielleicht einmal waren.

Die politisch wirksamsten Narrative unserer Tage sind ohne Zweifel diejenigen, die im Kern darin bestehen, man gehöre einer „unterdrückten“ Gruppe an und bedürfe daher einer besonderen Aufmerksamkeit und besonderen Förderung, um die gleichen Ergebnisse erzielen zu können wie die angeblich „Privilegierten“.

Die finanziellen und machtpolitischen Möglichkeiten, die das „sozial konstruierte“ Unterdrücktendasein eröffnet, sind umso größer, je höher die Staatsquote und die damit verbundene Verteilungsmasse werden, und das mag dem vermeintlichen Leidensdruck schon mal entscheidend nachzuhelfen.

„Ungerechte“ Sprache bleibt vorerst weiter gestattet

Bei ausreichendem Erfindungsreichtum ist die Zahl der Identitäten, auf Grund derer man zu den qualifiziert Beleidigten und Entrechteten gehören kann, nach oben offen. Einige der vermeintlich Ausgebeuteten und Unterdrückten sind in ihrer identitätspolitischen Arbeit jedoch so erfolgreich – oder verfügen selbst über Privilegien wie politische und mediale Definitionsmacht –, dass sie es am Ende sogar schaffen, ihre Gefühle und subjektiven Befindlichkeiten allen anderen aufzuzwingen.

Um ein Haar hätte es die Lobby der „Queeren“, wie sie sich selbst nennen, auch kürzlich geschafft, sogar den Duden, der seit Jahr und Tag als Grundlage einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung fungiert, zum Instrument ihrer politischen Bewusstseinsbildung zu machen.

Noch ist der Kelch des „Gendersternchens“, der „Gendergaps“ oder ähnlicher Bestrebungen, die Sprache als gewachsenes Kulturgut einer ideologischen Disruption zu unterziehen, an dieser vorübergewandelt.

Der Rechtschreibrat hat in seiner jüngsten Sitzung vorerst davon Abstand genommen, Empfehlungen für den Umgang mit dem Genderstern zu beschließen, die in weiterer Konsequenz die Kulturministerkonferenz unter Zugzwang gesetzt hätten. Er wolle, so beschlossen seine 41 Mitglieder einstimmig, die Sprachentwicklung „zunächst weiter beobachten“. Der Genderstern bleibt der deutschen Sprache zumindest bis auf Weiteres erspart und es bleibt erlaubt, „geschlechterungerecht“ zu schreiben.

Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Eine neue Schreibgewohnheit, so erklärte Ratsvorsitzender Josef Lange gegenüber dem Deutschlandfunk, brauche „bis zu fünf Jahre, um sich durchzusetzen“. Und weil bekanntlich „wer die menschliche Gesellschaft will, die männliche überwinden“ muss, werden die „fortschrittlichen“ Kräfte im Land alles daransetzen, um den „Asterisk“, der seit 2016 in Schriftstücken nachgewiesen ist, weiter zu pushen.

Binnen-I: Wo der „gesellschaftliche Fortschritt“ über seine eigenen Füße stolpert

Zudem haben die Betreffenden, die sich bislang nur in ihrer Entschlossenheit einig sind, das gewachsene generische Maskulinum als vermeintlichen Ausdruck des patriarchalischen Überbaus der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu beseitigen, bis dahin auch Zeit, sich über die stattdessen zu verordnende Schreibweise zu verständigen.

Das „Binnen-I“, 1989 vom Berliner Senat unter Walter Momper als Ausdruck des Triumphs über all jene eingeführt, die einst durch die Erfindung des Privateigentums die matriarchalische Gesellschaftsordnung des Urkommunismus zerstört haben sollen, ist nämlich mittlerweile selbst ins Fadenkreuz der selbsternannten Menschheitsbefreier geraten. Immerhin schreibt dieses ja die heteronormative Vorstellung von einer binären Geschlechterordnung fest – und ist damit selbst zum Teil des Problems geworden.

Auch dürfte an diesem Umstand das generische Femininum scheitern, das „feministische Sprachwissenschaftlerinnen“ wie Luise Pusch aus Gütersloh gleichsam als „Einfühlungstraining für Männer“ und „Wiedergutmachung“ für all die Jahrhunderte des „patriarchalischen“ generischen Maskulinums „für die nächsten 200 Jahre“ anregen.

Dass das Bundesverfassungsgericht im Vorjahr ebenfalls die Liebe zum Aktivismus entdeckt und die Option eines dritten Geschlechts im Personenstandsrecht verordnet hat, ist jedoch zusätzliches Wasser auf die Mühlen von Gender-Ideologen an der Sprachfront.

Den Anstoß zu der Debatte gegeben zu haben, nimmt übrigens Lela Lähnemann für sich in Anspruch. Die Mitarbeiterin der Berliner Senatsverwaltung im „Referat für die Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen“ habe im April 2017 eine E-Mail an den Rat für deutsche Rechtschreibung geschickt und gefragt, welche Schritte möglich seien, um das Regelwerk der deutschen Sprache in Richtung von mehr „Geschlechtergerechtigkeit“ weiterzuentwickeln. „Es ist ja bekannt, dass Sprache einerseits Gesellschaft abbildet, aber andererseits auch Bewusstsein prägt.“

Sprachliche Gesslerhüte

Sie selbst benutze ja den Unterstrich, den sogenannten Gendergap, erklärt sie dem DLF. „Das kann man so gut erklären, dass zwischen der weiblichen und der männlichen Endung eine Lücke ist.“ Da sei noch Platz für mehr Geschlechter. „Aber der Stern wird ähnlich verwendet.“ Der rot-rot-grüne Berliner Senat hat diese Schreibweise sogar im Koalitionsvertrag verankert.

Lähnemann – die offen lässt, warum sie sich nicht selbst bereits in Lähneperson umbenannt hat – nimmt jedoch daran Anstoß, dass diese Zeichen nicht Bestandteil des amtlichen deutschen Regelwerkes sei und die von ihr präferierte Schreibweise eigentlich ein Rechtschreibfehler ist. Statt dies wie ein Mann – oder besser: wie eine Feministin – zu tragen und sich dauerhaft in Rebellenpose zu werfen, ließ sie sich jedoch von zutiefst deutschem Formalismus übermannkommen und bat um „Klärung“.

Ihr Anliegen ist es, nun auch im offiziellen Regelwerk eine Anpassung zu verankern, sodass grammatikalisch nicht nur Frauen und Männer ausdrücklich angesprochen werden, sondern auch „all jene, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zugehörig fühlen“. An Universitäten und anderen Institution hat es sich auch längst eingebürgert, zwischen die männliche und die weibliche Endung eines Wortes ein Sternchen oder einen Unterstrich zu setzen. Der neueste Schrei ist ein Doppelpunkt, der an diese Stelle gesetzt wird.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Genderlobby sich damit begnügen würde, dass ihre Sprachmarotten vom Rechtschreibrat abgesegnet und fortan als freiwillige Optionen zur Verfügung stehen würden. Dies sollte vielmehr ein erster Schritt sein, bis am Ende die „geschlechtergerechte“ Schreibweise zur einzig zulässigen erklärt werden soll. An ersten staatlichen Universitäten gibt es jetzt schon Punkteabzug für „Studierende“, die diesen sprachlichen Gesslerhut nicht grüßen.

Es ist immer jemand noch „unterdrückter“

Auch Partizipformen wie „Studierende“ oder „Lehrende“ als Ausweg für Helden, um Sonderzeichen zu entkommen, werden von den Gesinnungswächtern unterdessen bereits als Ausdruck einer Verweigerungshaltung wahrgenommen. Auf diese Weise könne zwar im Plural das durch die patriarchalische Verschwörung in die Sprache eingebaute Geschlecht eliminiert werden. Im Singular funktioniere dies jedoch nicht, mahnt Sprachwissenschaftler Horst Simon. Deshalb erklärt er gegenüber dem DLF:

„Gelegentlich Sterne einzufügen oder was anderes ist schon ein großer Schritt vorwärts, um zu zeigen, es gibt Vielfalt, es gibt Diversität und es ist nicht alles so simpel männlich, wie es das traditionell vielleicht verstanden wird.“

Anders sieht das Anatol Stefanowitsch, Sprachwissenschaftler, Professor am Institut für Englische Philologie an der Freien Universität Berlin und Autor des bezeichnenden Werks „Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“.

Er meint, dass es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis die „Geschlechtergerechtigkeit“ auch an allen Schulen Einzug halten werde. Schließlich gehörten Gendersternchen, Binnen-I und ähnliche Sprachschöpfungen zur „Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler“, und zwar „mit steigender Tendenz“.

Auch wenn er meint, dass das generische Maskulinum nicht mehr zur „gesellschaftlichen Wirklichkeit“ passt, sehe er die Debatte im Rechtschreibrat kritisch. Dem Deutschlandfunk sagt er:

„Irgendwo haben diese Formen ja auch etwas Anarchisches, und wenn ich die jetzt zu einem Teil der amtlichen Rechtschreibung mache, nehme ich ihnen teilweise auch dieses Anarchische, dieses subversive Potenzial.“

Würden diese Formen nun ins amtliche Regelwerk aufgenommen, wären sie ja selbst „privilegiert“.

„Wie es eigentlich nur in Diktaturen geschieht“

Und hier scheint sich die Katze in den Schwanz zu beißen. Immerhin kennen herkömmliche Tastaturen neben Stern, Unterstrich und Doppelpunkt noch ein paar Dutzend weitere Sonderzeichen, die es ermöglichen würden, auch noch weitere imaginäre Geschlechter in der Sprachdarstellung zu verewigen. Und sollten diese nicht mehr ausreichen, gäbe es noch mehrere Sätze des Wingdings-Zeichensystems.

Allerdings könnte selbst das umfassendste System kultureller Hegemonie an seine Kapazitätsgrenzen stoßen, sollte eines Tages verpflichtend die Rede von „Antragstell_er*x°#*´/%§“)€{@höWQ+82Nw`2snwsjdi+~innen“ oder mehr sein müssen.

„Niemand hat das Recht, in die deutsche Sprache reinzugreifen, ihre Grammatik zu manipulieren, den Leuten den freien Sprachgebrauch zu verbieten und dafür zu sorgen, dass sie Ideologeme von sich geben“, meint deshalb auch Peter Eisenberg, ehemaliger Professor für Deutsche Sprache der Gegenwart an der Universität Potsdam und bis 2013 selbst Mitglied des Rechtschreibrats.

Auch Gunnar Schupelius hat in einem Kommentar für die BZ Berlin vor einer ideologischen Operation am offenen Herzen der deutschen Sprache gewarnt:

„Die Schreibweise mit dem Sternchen ist politisch motiviert, frei erfunden und hat mit unserer Sprache nichts zu tun. Sie ist als Erziehungsmaßnahme gedacht und wird autoritär von oben durchgesetzt. So, wie es eigentlich nur in Diktaturen geschieht. Parteien, Behörden und Universitäten haben sich das Sternchen verordnet. Viele Politiker wollen diese Gehirnwäsche auch auf die Schulen übertragen. Dagegen sollte sich der Rechtschreibrat ganz entschieden wehren.“

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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