TV: Türkische Regierung will Ausnahmezustand verlängern – Was heißt das im täglichen Leben?

Unter dem Ausnahmezustand sind wichtige Grundrechte wie die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt, zudem verfügt der Präsident über das Recht, per Dekret zu regieren. Erdogan hat von diesem Recht ausführlich Gebrauch gemacht.
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Protest gegen Medienzensur in der Türkei.Foto: OZAN KOSE/AFP/Getty Images
Epoch Times17. April 2017

Nach dem Referendum über die Stärkung der Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan will die türkische Regierung laut Medienberichten den Ausnahmezustand erneut verlängern. Die Sender CNN Türk und NTV meldeten am Montag, der nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli 2916 verhängte Notstand solle nach dem Volksentscheid über die Einführung eines Präsidialsystems am Sonntag abermals um drei Monate verlängert werden.

Vize-Ministerpräsident Nurettin Canikli bestätigte im Sender A-Haber, dass die Frage bei einer Sitzung des Sicherheitsrats am Abend diskutiert werde. Erdogan hatte bereits gesagt, dass eine erneute Verlängerung möglich sei. Der Ausnahmezustand war zuletzt im Januar um drei Monate verlängert worden und würde diese Woche auslaufen. Auch der Wahlkampf zum Referendum hatte damit unter dem Notstand stattgefunden.

Unter dem Ausnahmezustand sind wichtige Grundrechte wie die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt, zudem verfügt der Präsident über das Recht, per Dekret zu regieren. Erdogan hat von diesem Recht ausführlich Gebrauch gemacht. Die Opposition wirft ihm vor, seine Befugnisse zu missbrauchen, um das Parlament zu umgehen und Fragen außerhalb seiner Kompetenz zu entscheiden.

VERSAMMLUNGSRECHT EINGESCHRÄNKT

Demonstrationen regierungskritischer Gruppen und Parteien werden seit dem Putschversuch nur noch in Ausnahmen genehmigt. Ungenehmigte Proteste werden regelmäßig mit Gewalt aufgelöst. Die Republikanische Volkspartei (CHP), die die Nein-Kampagne anführt, beklagt, dass unter Verweis auf den Notstand immer wieder Kundgebungen nicht genehmigt worden seien.

KRITISCHE MEDIEN AUSGESCHALTET

Seit dem Putschversuch sind mehr als 150 Zeitungen, Magazine sowie Radio- und Fernsehsender per Notstandsdekret geschlossen worden, tausende Journalisten haben ihren Job verloren. Betroffen sind besonders kurdische Medien und die Organe der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. 141 Journalisten sitzen in Haft, zumeist unter dem Vorwurf der „Terrorpropaganda“.

GLEICHBEHANDLUNG NICHT GARANTIERT

Vor Beginn des Wahlkampfs wurde per Dekret das Gebot aufgehoben, dass Fernsehsender alle Parteien gleich behandeln müssen. Die CHP kritisiert, dass ihre Kundgebungen kaum übertragen würden, während alle Auftritte von Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim live gesendet werden. Auch die OSZE-Beobachtermission beklagt eine einseitige Abdeckung des Wahlkampfs in den Medien.

PROKURDISCHE OPPOSITION MARGINALISIERT

Seit Anfang November sitzen rund ein Dutzend Abgeordnete der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Haft, darunter die Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Fiden Yüksekdag. Dutzende HDP-Bürgermeister wurden wegen angeblicher Kontakte zur PKK-Guerilla abgesetzt, hunderte Funktionäre und Mitglieder festgenommen.

ZEHNTAUSENDE REGIERUNGSKRITIKER ENTLASSEN

Seit dem Putschversuch wurden per Notstandsdekret mehr als 128.000 Staatsbedienstete entlassen oder suspendiert, nur 12.000 wurden wieder eingesetzt. Mehr als 47.000 wurden festgenommen. Neben Militär, Polizei, Justiz und den Ministerien sind auch Schulen und Universitäten betroffen. Kritiker beklagen ein Klima der Angst, in dem Kritik kaum noch möglich sei.

JUSTIZ BLOCKIERT

Allein in der Justiz wurden mehr als 4000 Richter und Staatsanwälte entlassen. Die vakanten Stellen wurden vielfach durch Referendare ohne die nötige Ausbildung oder Erfahrung besetzt. Das Verfassungsgericht hat sich für nicht zuständig erklärt für Notstandsdekrete, sodass der Klageweg gegen Maßnahmen unter dem Ausnahmezustand blockiert ist.  (afp/rls)



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