Trump-Sieg schockiert deutsche Presse: „Seit ‚9/11‘ gab es kein schlimmeres Ereignis“

Entsetzen und lange Gesichter bei vielen Politikern und Medienleuten: Der Umstand, dass Donald Trump zum neuen US-Präsidenten gewählt wurde, war für sie überraschend und schockierend. Dementsprechend ist die Reaktion in der Medienlandschaft sehr gespalten. Die einen sprechen vom "Untergang des Westens", konservative und alternative Medien sahen dies kommen und sehen sich bestätigt.
Titelbild
"Wir schaffen auch den!", titelte die Bild. Verschiedene deutsche Cover zur Wahl Donald Trumps.Foto: Sean Gallup / Getty Images
Von 10. November 2016

„Seit ‚9/11‘ gab es kein schlimmeres Ereignis“

„Die Welt“ schrieb unter dem Titel „Ein Präsident, so unkalkulierbar wie ein Hurrikan“:

„Donald Trump bringt weder Konzepte noch Charakter ins Weiße Haus. Nicht nur die USA zahlen den Preis für das Abenteuer. Wenn in der Leuchtturm-Demokratie ein Trump passieren kann, dann auch bei uns. […] Seit ‚9/11‘ gab es kein schlimmeres Ereignis als die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA. Der Erfolg des unbeherrschten Narzissten am 8. November 2016 läßt den Glauben der Welt an die Vernunft der amerikanischen Demokratie zerbröseln. Er wirft grundsätzliche Fragen auf, darunter die nach Washingtons globaler Führungsrolle und der Zukunft des transatlantischen Bündnisses.“

„Ein epochales Desaster“

FAZ: Eigentlich hätte dieser Kandidat ja nicht gewinnen dürfen. Er hat im Wahlkampf gelogen, dass sich die Balken bogen. Er hat gedroht, seine Gegnerin ins Gefängnis zu werfen und – einmalig in der amerikanischen Geschichte – das Ergebnis der Wahl nicht anzuerkennen. Er hat Minderheiten beleidigt, sich als rüpelhafter und ungebildeter Flegel präsentiert, als Chauvinist der Extraklasse.

Die Zeit“: „Ein totalitärer Blender und betrügerischer Dilettant hat es geschafft, sich ins Weiße Haus wählen zu lassen. Donald Trump ist ein epochales Desaster, das nicht nur dieses große Land und seine Demokratie auf Jahre hinaus verändern wird. Die ganze Welt wird die Auswirkungen dieses Fehlers spüren.

Viele hielten es für einen Scherz, als Trump im vorigen Jahr seine Kandidatur ankündigte: Soll er doch, solange es ihm Spaß macht – und uns. Fast eineinhalb Jahre ist das her, heute lacht niemand mehr. Jetzt steht ein sexuell übergriffiger Rassist, pathologischer Lügner und nervöser Egomane an der Spitze der Vereinigten Staaten: Indiskutabel für alle, die an Demokratie und Menschenrechte oder wenigstens an den gesunden Verstand der Menschen im Allgemeinen, der Amerikaner im Besonderen glauben. Verdammt, sie hatten nur einen Job: diesen Mann zu verhindern!“

„Sieg des Zerstörers“

Der Spiegel: „Plumper Populismus hat über die Vernunft gesiegt. Trumps Erfolg ist ein Schock für all jene, die auf die politische Weisheit der amerikanischen Wähler gesetzt hatten. (…) Nach Trumps islamophoben, nationalistischen, menschenverachtenden Auftritten im Wahlkampf lässt sich nur eines sicher vorhersagen: Gut wird es wohl nicht werden. Trump hat mit Hasssprüchen gegen das sogenannte politische Establishment in Washington gegen die Medien gepunktet. Er hat die durch die Globalisierung verunsicherte weiße Mittel- und Arbeiterschicht auf seine Seite gelockt. (…) Trump ist ein Zerstörer, ein Spalter. Wer seine Biografie und diesen Wahlkampf studiert, sieht: Er bemüht sich nicht um konstruktive Lösungen, er sucht nicht den Ausgleich, er will nur egoistisch und selbstgerecht seine nationalistischen Interessen und die seiner Unterstützer durchsetzen.“

„Trumps Aggressivpopulismus zerstört die politische Kultur“

Süddeutsche:Sein Wahlerfolg macht Trump zu einer globalen Leitfigur des neuen Aggressivpopulismus. Sein Rassismus, sein Nationalismus, seine Xenophobie und seine Verfassungsverachtung sind aufreizend und ansteckend. Der Erfolg, den Trump damit gehabt hat, stachelt Nationalisten und Rassisten auch in Europa an – dazu, jede Zurückhaltung fallen zu lassen, bisherige Grenzen des Anstands zu durchbrechen und den Tabubruch als politisches Rezept zu verkaufen.“

„Wenn es den Leuten schlecht geht, wählen sie die Regierung ab“

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: „Der Sieg Trumps ist keine Überraschung, denn: Das Land ist hoch verschuldet. Die Amerikaner haben keine Ersparnisse. Die Amerikaner haben keine Jobs. Wenn sie Jobs haben, dann im Billig-Segment. Das Gesundheitssystem ist ein Desaster. Die US-Industrie stirbt. Die Tech-Firmen schaffen in den USA keine Massenbeschäftigung“

Trumps Sieg liege im Trend aller großen Wahlen: „Wenn es den Leuten schlecht geht, dann wählen sie die Regierung ab.Von solch einem Ergebnis werden nur jene überrascht, die in ihrer eigenen Blase leben. Hillary Clinton sagte bei einem TV-Duell zu Trump süffisant: ‚Donald, wir wissen ja, dass Sie in Ihrer eigenen Realität leben!‘ Trumps Realität war der Echo-Raum für Millionen Amerikaner – die nicht in Clintons Realität leben: Jene der Banken, Großunternehmen, Regierungen, Lobbyisten, Medien-Größen. Sie alle haben erstaunlicherweise den Spruch vergessen: „It’s the economy, stupid!“

„Die Rache der Vergessenen“

Neue Züricher Zeitung: „Und wieder einmal lagen die Umfragen falsch: Vor allem die weiße Unter- und Mittelschicht im nördlichen Industriegürtel des Mittleren Westens hat dem Außenseiter den Weg zum Erfolg geebnet. Es war eine Art Wiederholung des Brexit-Referendums in Großbritannien. (…) Den Durchbruch schaffte Trump aber genau mit jener Wählerschaft, die er mit seinen provokativen, oft beleidigenden Aussagen direkt angesprochen hatte: die früher gewerkschaftlich linke, weiße Unter- und Mittelschicht, die sich von den Eliten in Washington, von Wall Street und von der Demokratischen Partei verraten und verkauft fühlte und in Trump jene Figur sah, die ihrem Schmerz und ihrer Perspektivlosigkeit ein trotziges ‚Nein, wir verschwinden nicht einfach!‘ entgegenschleuderte.“

„Wahl Donald Trumps ist das Ende des Westens“

Der Freitag“ (Jakob Augstein): „Das Unverständnis, mit dem die etablierten Klassen dem Phänomen Trump begegnet sind, war beängstigend. Es war ein Beweis dafür, wie weit sie sich von der Masse der Menschen entfernt haben. Wir haben in Deutschland das selbe Phänomen mit der AfD erlebt. Die USA sind uns voraus. […] In einer Art und Weise, die sie sich jetzt noch gar nicht vorstellen können, werden die Deutschen bald selbst für sich verantwortlich sein. Man mag das bedauern, wie der Autor dieser Zeilen, oder sich darüber freuen, als Rückgewinnung der Reste von Souveränität, die heute noch möglich sind. Es ist paradox: Das kurze Zeitalter der Globalisierung mündet in eine Rückbesinnung auf das Nahe, die Heimat, die Nation. Was denn sonst?“

„Ohrfeige für das Establishment“

„Die Junge Freiheit“ kommentierte: „Die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten ist eine schallende Ohrfeige für das Establishment in den Vereinigten Staaten (…) ein Plebiszit gegen die saturierte politisch-mediale Klasse in den Metropolen, gegen die arrogante kulturelle Happy Few Hollywoods und New Yorks, gegen die geölt laufenden Netzwerke von Lobyygruppen und Thinktanks.(…) Trumps Sieg ist auch ein Desaster für die deutschen Auslandskorrespondenten. Alle haben die Nase gerümpft über den Underdog und seine Anhänger lächerlich gemacht. Nun kommen sie schmerzhaft in der Realität an. (…) Eine sich weiter in postnationale Utopien verrennende politische Klasse erlebt nach dem Brexit-Schock nun mit dem Trump-Schock ihr zweites Waterloo.“

„Ein guter Tag für die Demokratie!“

Ken Jebsen von KenFM richtete in einem Video einige Worte an seine „Mitbewerber in ARD und ZDF“. „Ihr könnt doch jetzt nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen!“, rief er ihnen zu und erklärte: Warum machen die Amis das? „Weil die soooo verzweifelt sind.“ An Angela Merkel gerichtet sagte er: „Auch ich würde Dieter Bohlen wählen, nur um Dich loszuwerden!“. Auch Merkel fühle sich bei ihrer Kandidatur 2017 so sicher wie Hillary Clinton sich gefühlt habe, gab er zu bedenken. „Heute ist ein guter Tag für die Demokratie“, so Jebsen. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“



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