Kurden in Syrien fühlen sich von Weltmächten verraten

Die Türkei bombardiert seit fünf Tagen die syrischen Kurden in Afrin, doch die Welt schaut zu. Viele Kurden fühlen sich von den Weltmächten verraten - sehen sich auch von Russland im Stich gelassen.
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Ein Kind mit einer Kurden-Flagge im Irak.Foto: SAFIN HAMED/AFP/Getty Images
Epoch Times24. Januar 2018

Die Türkei bombardiert seit fünf Tagen die syrischen Kurden in Afrin, doch die Welt schaut zu.

Mehr als Appelle zur „Zurückhaltung“ an die Adresse Ankaras waren aus Washington und anderen Nationen bisher nicht zu hören, obwohl sich die türkische Offensive gegen einen engen Verbündeten im Kampf gegen die Dschihadisten richtet. Viele Kurden fühlen sich daher von den Weltmächten verraten – sehen sich auch von Russland im Stich gelassen, zu dem sie bislang ein gutes Verhältnis hatten.

„Für uns haben die USA eine moralische Verpflichtung, die Demokratie in dieser Region zu schützen“, sagt Sinam Mohammed, die als Gesandte die selbsterklärte halbautonome Region Rojava vertritt, zu der auch der kurdische Kanton Afrin gehört. Die Kurden sehen ihre Autonomieregion als demokratisches Experiment mit Modellcharakter, auch wenn Kritiker einen Mangel an echtem Pluralismus bemängeln.

Dominiert wird die Region von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihrem militärischen Arm, den Volksverteidigungseinheiten (YPG). Die USA unterstützen die YPG seit Jahren mit Waffen, Ausbildern und Spezialkräften im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Auch nach dem Sieg über die Extremisten wollen sie an dem umstrittenen Bündnis festhalten.

Dies stößt in der Türkei auf scharfe Kritik, da sie die YPG als syrischen Zweig der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betrachtet. Tatsächlich ist die YPG eng mit der PKK verbunden, die seit den 80er Jahren gegen den türkischen Staat kämpft. Für Ankara sieht in der US-Militärhilfe für die YPG die indirekte Unterstützung einer Gruppe, die auch in den USA als Terrororganisation gelistet ist.

Es ist ein Dilemma

Die USA sind damit in einem Dilemma: Einerseits schätzen sie die YPG als schlagkräftigen Verbündeten gegen die Dschihadisten, andererseits können sie die Sicherheitsbedenken ihres Nato-Partners nicht einfach ignorieren. Dass Washington der türkischen Offensive in Afrin nun tatenlos zusieht, hinterlässt bei vielen YPG-Kämpfern Bitterkeit.

„Die Kurden haben gegen Daesch (IS) gekämpft, um die ganze Welt zu verteidigen“, sagt der 35-jährige Zivilist Omar Mahmud. „Nun schweigen die USA. Das ist sehr enttäuschend.“ Tatsächlich hat die YPG eine zentrale Rolle bei der Rückeroberung der IS-Hochburg Raka gespielt und bei der monatelangen Schlacht zahlreiche Kämpfer verloren.

„Niemand spricht für die Kurden“

„Wir haben Daesch von Anfang an bekämpft. Wir waren es, die das Land von Daesch befreit haben, und nun sind wir das Ziel der türkischen Ungerechtigkeit. Niemand spricht für die Kurden“, sagt der 34-jährige Zivilist Massud Barawi bitter. Er fürchtet, dass die Türkei nach Afrin auch andere kurdische Gebiete östlich des Euphrat ins Visier nimmt.

Während die USA östlich des Euphrat 2000 Spezialkräfte stationiert haben, sind sie in Afrin nicht präsent. Die Region gilt als Teil der russischen Einflusssphäre; der Luftraum über Afrin wurde bisher von Moskau kontrolliert, auch Militärbeobachter waren dort stationiert. Doch ganz offenbar hat Russland grünes Licht für die türkische Offensive gegeben.

Merve Tahiroglu von der Foundation for the Defense of Democracies glaubt, dass Moskau die Kurden geopfert habe, um die weitere Unterstützung der Türkei für die Syrien-Friedensgespräche in Astana und Sotschi zu erhalten. Moskau und Ankara stehen im syrischen Bürgerkrieg zwar auf entgegengesetzten Seiten, doch arbeiten sie seit längerem gemeinsam an einer politischen Lösung.

Für die Türkei ist die Priorität in Syrien längst nicht mehr der Sturz von Staatschef Baschar al-Assad, sondern die Eindämmung der Kurden. Für sie bleibt die YPG-Präsenz an ihrer Grenze eine nicht akzeptable Bedrohung – auch wenn die kurdische Gesandte Mohammed betont, dass „nicht ein Schuss“ aus Afrin auf die Türkei abgefeuert worden sei. (afp/so)



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