BAMF entscheidet wieder uneingeschränkt über Abschiebungen nach Afghanistan – Pro Asyl fordert Abschiebestopp
Nach der Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan durch das Auswärtige Amt entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit dieser Woche wieder uneingeschränkt über Abschiebungen an den Hindukusch.
Die Nürnberger Behörde bestätigte am Freitag, dass die Leitlinien auf Grundlage des aktualisierten Lageberichts angepasst worden seien und die Entscheidungstätigkeit des Bundesamtes seit Montag „vollständig fortgeführt“ werde.
„Der Zwischenbericht enthält keine Inhalte, die zu einer grundsätzlich veränderten Lageeinschätzung in Afghanistan führen“, sagte ein BAMF-Sprecher. Die Kernaussage des Ende Juli vorgelegten Zwischenberichts bestehe darin, dass die Sicherheitslage für die Menschen in Afghanistan „stark von individuellen Faktoren wie Wohnort, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Beruf und Geschlecht“ abhänge.
„Diese Faktoren werden bei der individuellen Einzelfallprüfung umfassend gewürdigt“, sagte der BAMF-Sprecher. Die Organisation Pro Asyl bewertete den Lagebericht des Auswärtigen Amtes dagegen als „unbrauchbar“ und forderte einen umfassenden Abschiebestopp nach Afghanistan.
Nach dem Sprengstoffanschlag nahe der deutschen Botschaft in Kabul Ende Mai hatte die Bundesregierung die Abschiebung afghanischer Flüchtlinge weitgehend ausgesetzt. Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium verständigten sich darauf, zunächst ein neues Lagebild zu erstellen. Lediglich Straftäter, Gefährder und Asylbewerber, die in ihrem Verfahren nicht kooperieren, durften weiter zwangsweise zurückgeführt werden.
Das BAMF bearbeitete nach eigenen Angaben in der Zwischenzeit die Asylverfahren afghanischer Antragsteller weiter, traf aber nur Entscheidungen, die nicht vom Vorliegen der neuen Lagebeurteilung abhingen. In dem auf den 28. Juli datierten Lagebericht, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, ist von einer „regional unterschiedlichen Bedrohungslage“ für Zivilisten die Rede. Dies habe sich seit Ende der Nato-Mission Isaf in Afghanistan im Dezember 2014 „nicht wesentlich verändert“.
Die afghanische Bevölkerung sei insbesondere dann gefährdet, wenn sie bei Kämpfen der Konfliktparteien zwischen die Fronten gerate. Kampfhandlungen fänden vor allem in südlichen Provinzen wie Helmand und Kandahar sowie in östlichen Provinzen wie Kunar statt. Deutlich sicherer seien Gebiete im Norden und Westen des Landes. Selbstmordanschläge stellten eine Bedrohung insbesondere für die städtische Bevölkerung dar.
Weniger ausschlaggebend ist dem Lagebericht zufolge, ob afghanische Sicherheitskräfte oder radikalislamische Taliban die Kontrolle über einen Raum ausüben. „Auch in den von Taliban beherrschten Gebieten gehen diese selten unmittelbar gegen die lokale Bevölkerung vor“, so der Bericht.
„Im Vergleich zu den Sicherheitskräften, Vertretern der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft wird daher die unmittelbare militante Bedrohung für die afghanische Bevölkerung – selbst in den Gebieten unter Taliban-Kontrolle – als niedrig bewertet.“ Eine erhöhten Gefährdung gebe es aber für jene, die öffentlich gegen die Taliban Position bezögen oder „erkennbar von ihrer islamistischen Ideologie“ abwichen wie etwa Konvertiten oder Angehörige sexueller Minderheiten.
Pro Asyl kritisierte, der Bericht liefere kaum Informationen, ob und unter welchen Umständen Verfolgte in anderen Landesteilen Schutz finden könnten. „In Schulnoten wäre dies eine glatte sechs – das Thema wird verfehlt“, sagte Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Das Außenamt müsse im nächsten turnusmäßigen Afghanistan-Lagebericht, der im Oktober erwartet wird, „umfassend nachbessern“. (afp)
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