Wohnung gegen Lösegeld: Hausbesetzer-Mafia macht Spanien unsicher
Im neu renovierten Erdgeschoss eines schmucken Gebäudes in Barcelona ist ein Fenster grob mit Backsteinen zugemauert. Andere Wohnungen in dem Viertel La Barceloneta werden mit schweren Stahltüren gesichert – Symbole für die Angst der Wohnungseigentümer vor Hausbesetzern.
Bei Millionen leer stehenden Immobilien hat sich in Spanien eine regelrechte Mafia etabliert, die in Wohnungen einbricht, um diese illegalen Besetzer zu überlassen. Will der Eigentümer sein Apartment zurück, muss er mehrere tausend Euro Lösegeld bezahlen – oder monatelang auf die Räumung warten.
Nach Platzen der Immobilienblase stehen viele Wohnungen leer – perfektes Ziel für Besetzer
Die Vertreter der Branche schlagen Alarm. Kriminelle Netzwerke „suchen leer stehende Wohnungen im Internet oder in öffentlichen Verzeichnissen, um dort mit Gewalt einzubrechen“, erklärt der Präsident von Barcelonas Wohnungseigentümergemeinschaft, Enrique Vendrell.
„Dann zapfen sie illegal Leitungen der Energieversorger an, Wasser, Gas etc., und übergeben sie dann an Besetzer.“ Für diesen „Service“ kassieren die Banden laut Vendrell knapp 1.000 Euro.
Experten führen das Phänomen teilweise auf den hohen Leerstand zurück, seit nach einem ungezügelten Bauboom 2008 die Immobilienblase platzte und Spanien in die Krise rutschte. Im ganzen Land stehen laut Statistikinstitut INE 3,4 Millionen Wohnungen und Häuser leer und damit fast 14 Prozent des gesamten Bestands.
Ins Visier nehmen die Besetzer vor allem Immobilien aus dem Besitz von Banken, weil ihre Adressen am einfachsten in Erfahrung zu bringen sind und die Verfahren bei Räumungsklagen der Finanzinstitute am längsten dauern. Allein in der Region Katalonien gehören den Banken nach offiziellen Zahlen fast 45.000 leer stehende Wohnungen.
Nachfrage nach Stahltüren explodiert
Juan Carlos Parra arbeitet beim Unternehmen STM Seguridad Integrada, das sich auf den Einbau besonders sicherer Stahltüren spezialisiert hat. Die Nachfrage nach immer stärker gesicherten Türen „explodiert seit drei Jahren“, sagt er.
„Wir installieren jeden Monat rund 1.500 in Spanien.“ Ansonsten würden kriminelle Banden die leeren Wohnungen besetzen, „um dann das Schloss auszuwechseln und die Schlüssel zu verkaufen“, warnt Parra.
Manche Besetzer gehen nach Angaben des Anwalts José Maria Aguilá ziemlich rabiat vor: „Wenn du noch einmal klingelst, wirst du das bereuen“, hätten Besetzer einer alten Dame gedroht, die ihre Wohnung wieder in Besitz nehmen wollte.
Andere Betroffene wollten aus Angst vor Repressalien gar nicht erst über ihre Erfahrungen sprechen, erzählt Aguilá. Um die Mafia nicht auf ihre Wohnungen aufmerksam zu machen, verzichten manche Eigentümer bereits darauf, Schilder mit „Zu verkaufen“ oder „Zu vermieten“ aufzuhängen.
Für die Räumung besetzter Wohnungen fordern die „Okupas“ dann Lösegeld von 3.000 bis 6.000 Euro. In einigen Fällen zahlen die Wohnungsinhaber, um Zeit zu sparen. Denn die gerichtliche Räumung kann dauern: „Die Dauer von Räumungsklagen variiert stark“, erläutert der Anwalt Antoni Garriga. „In Barcelona können von der Einreichung der Klage bis zur gerichtlichen Genehmigung zwischen sechs und acht Monaten vergehen.“
Barcelonas Bürgermeisterin will aus leer stehenden Immobilien Sozialwohnungen machen
Wer weder Lösegeld zahlen noch einen Anwalt beauftragen will, kann die Dienste von Desokupa in Anspruch nehmen. Die 2016 gegründete Firma offeriert Hilfe bei der Räumung, und die Anstellung ehemaliger Boxer und Leibwächter zeigt, dass sie dabei nicht zimperlich vorgeht.
Barcelonas Stadtrat für das Wohnungswesen, Josep Maria Montaner, betont, die Stadtverwaltung sei sich des Problems bewusst und versuche, die schwersten Fälle mithilfe der Polizei zu lösen. Konkrete Zahlen nennt er allerdings nicht.
Die linksgerichtete Bürgermeisterin Ada Colau war früher selbst Aktivistin der Besetzerszene und will nun leer stehende Immobilien in Sozialwohnungen umwandeln. (afp)
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