Top-Psychiater zerpflückt Bild des „depressiven“ Täters: „Attentate Folge höchster krimineller Energie“
Zu häufig und zu schnell würden bei den zuletzt gehäuft verübten Attentaten in Europa die Gräueltaten mit psychischen Erkrankungen vermengt, findet der Chefarzt des Wiener Psychologischen Dienstes (PSD), Dr. Georg Psota, der jährlich 11.000 Patienten betreut. In der „Kronenzeitung“ distanzierte er sich deutlich von den Erklärungsmodellen, die Ermittler und Medien bei den jüngsten Gewalttaten von Rouen, München, Würzburg und Nizza anwandten. Auch nach der gestrigen Messerstecherei in London ist die „psychische Gesundheit“ des Täters wieder das Thema Nr. 1.
Für Psota sind die letzten Anschläge in Europa jedoch keine Amokläufe von Wahnsinnigen: „Anschläge von Terroristen haben das Ziel, Angst und Schrecken in Europa zu verbreiten. Sie geschehen primär aus fanatisch-krimineller Energie und terroristischer Strategie. Dies gilt es strikt von einer möglichen psychischen Erkrankung der Täter zu trennen“, so der Chefarzt.
Sowohl im TV als auch im Social-Media-Bereich waren „Depressionen“ des Täters eine populäre Erklärung der jüngsten Mordanschläge. Doch Psota klärt auf: „Eine Depression kennzeichnen massiver Interessensverlust, Energielosigkeit, Antriebslosigkeit und niedergedrückte Stimmung. Manche Menschen können nicht einmal mehr aufstehen und sich anziehen. Eine echte Depression zu haben, schließt derartige Taten de facto aus“, zitierte die „Krone“ den Spezialisten.
Psota, der auch Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie ist warnte davor, die vielen Tausend psychisch erkrankten Menschen mit Verbrechern in einen Topf zu werfen. Allerdings schloss der Top-Psychiater eine mögliche zusätzliche psychische Erkrankung der Täter nicht aus.
Auch der Wiener Gemeinderat Christian Deutsch, Vorsitzender des Vereins „ganznormal.at“, einer Plattform zur Förderung der öffentlichen Diskussion über die seelische Gesundheit, machte deutlich: „Terroristische Anschläge und Gewalttaten müssen einfach als das bezeichnet werden, was sie wirklich sind: nämlich Ausdruck aggressiver krimineller Energie.“
„Zusammenhang mit Depression nahezu ausgeschlossen“
Ähnlich hatte sich vor einer Woche schon ein deutscher Experte geäußert:
„Einen Zusammenhang zwischen dem Amoklauf in München und einer Depression halte ich für nahezu ausgeschlossen“, so Professor Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik für Psychiatrie an der Universität Leipzig.
„Menschen mit Depressionen neigen zu Schuldgefühlen, das ist ein Kernsymptom der Depression. Solche Personen kommen nicht auf den Gedanken, andere mit in den Tod zu reißen“, so Hegerl zur „Ärzte Zeitung“. Der Psychiater wollte nicht ausschließen, dass beim Täter von München einmal eine Depression diagnostiziert worden ist – schließlich seien Depressionen in der Bevölkerung sehr häufig.
Doch habe der junge Mann sicher nicht aus einer Depression heraus die Tat begangen. „Wer irgendwo herumschreit und herumschießt, ist nicht depressiv. Ein Depressiver hätte dazu gar nicht die Energie“, so Hegerl.
Warum ist die Erklärung so beliebt?
Hegerl vermutet, dass bei Strafprozessen die Depressionsdiagnose häufiger gestellt wird, etwa vor dem Hintergrund möglicher mildernder Umstände. Auch könnte die Depression bei einer manisch-depressiven Erkrankung aufgetreten sein, schätzt er.
Eine prospektive Studie aus dem Jahr 2009 habe dagegen kein erhöhtes Risiko für Gewalttaten durch Depressive ergeben. Auch Professor Manfred Wolfersdorf, Chefarzt der Psychiatrischen Klinik in Bayreuth, hält einen „depressiven Modus“ bei Gewalttaten dieser Größenordnung für unwahrscheinlich. Depressive sterben meist alleine, sagte der Psychiater nach dem Germanwings-Absturz im vergangenen Jahr, der laut offizieller Darstellung der Suizid des Copiloten war.
Siehe auch:
Luftfahrtveteran: „Bei Germanwings-Absturz sieht alles nach Fernsteuerung aus“
(sm / rf)
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