Schäuble in Griechen-Krise als Lügner dargestellt – „Griechenland als Geisel zu nehmen, bedeutet Selbstmord für Europa“
Kurz vor dem Treffen der Euro-Finanzminister hat der griechische Wirtschaftsminister Dimitri Papadimitriou dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble scharf kritisiert.
„Wir haben so viele Reformen verabschiedet, neulich erst eine 25-prozentige Rentenkürzung“, sagte Papadimitriou der „Welt“. „Auch Wolfgang Schäuble hat gesagt, dass wir die Vorgaben erfüllt hätten. Doch dann änderte er seine Meinung. Ich habe Schäuble noch nicht kennengelernt, und ich möchte auch nicht unhöflich sein, aber sein Verhalten scheint mir unredlich zu sein.“
Am Donnerstag beraten die Finanzminister der Eurozone über Hilfen für Griechenland. Der deutsche Finanzminister blockiert aus Sicht von Athen Schuldenerleichterungen, die Griechenland nach der Umsetzung eines neuen Sparpakets eigentlich in Aussicht gestellt worden waren.
„Griechenland wird zum Opferlamm“
„Wenn es so ist, dass jener, der das meiste Geld hat, auch die Regeln bestimmt, dann stellt das die Struktur und die Idee der Eurozone in Frage“, sagte Papadimitriou. Der Erfolg der „Rechtspopulisten“ in Europa zeige auch die Unzufriedenheit mit diesem Europa. „Griechenland wird zum Opferlamm“, sagte er.
Der Minister warnte Schäuble davor, aus innenpolitischen Gründen zu handeln. „Mein Verständnis dafür, dass in Deutschland Wahlen stattfinden, stößt an seine Grenzen“, sagte der Minister. Schäuble müsse den Wählern sagen, dass Griechenland wachsen müsse. „Er kann ihnen dann auch erklären, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Schulden erlassen worden sind. Uns geht es nicht darum, uns die Schulden zu streichen, sondern darum, die Zinsen zu verringern oder die Laufzeiten der Kredite zu verlängern. Das Geld ist nicht verloren“, so Papadimitriou.
Es liege in der Verantwortung der Eurozone, die EU zu einer „Wachstumsunion zu machen, nicht zu einer Sparunion“. Als Führungsfigur der Eurogruppe trage Schäuble dafür die Verantwortung.
Oppermann: Schäuble muss bei Griechen-Rettung „Karten auf den Tisch legen“
Auch führende Politiker der Regierungskoalition kritisierten Schäuble scharf. Sie werfen ihm Unehrlichkeit in der Griechen-Krise vor: „Schäuble muss vor der Wahl die Karten auf den Tisch legen und sagen, was auf den deutschen Steuerzahler zukommt“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann der „Bild“ (Donnerstag).
SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs kritisiert „Schäubles Unaufrichtigkeit“, die ihn immer wieder einhole. Auch Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick spricht von einem „miesen Trick“.
„Schäuble muss seinen Widerstand gegen baldige Schuldenerleichterungen aufgeben“, sagte der Fraktionschef der Sozialisten, Gianni Pittella, der „Welt“. Griechenland müsse in der Lage sein, seinen Wachstumskurs fortzusetzen und dafür sei eine Schuldenerleichterung unabdinglich, erklärte der italienische Politiker weiter.
„Griechenland aus innenpolitischen Gründen als Geisel zu nehmen, würde für Europa einem Selbstmord gleichkommen“, betonte Pittella mit Blick auf Deutschland. Und er fügte hinzu: „Athen hat einen klaren Willen gezeigt, Reformen anzugehen und umzusetzen. Die Menschen in Griechenland haben schon lange genug und sehr hart unter der Sparpolitik gelitten. Es ist Zeit, nun auf sie zuzugehen.“
Schäuble setzt auf Kompromiss mit dem IWF
Um trotz des fortdauernden Streits mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um Schuldenerleichterungen für Griechenland den Weg für die nächste Milliarden-Auszahlung freizumachen, setzt Schäuble auf einen Kompromiss mit dem IWF: Dieser soll seine Zusage zum laufenden dritten Rettungsprogramm erklären.
Allerdings ohne formalen Beschluss und auch weiterhin ohne finanzielle Beteiligung. Der Bundestag hatte dem Hilfspaket vor zwei Jahren nur unter Bedingung einer IWF-Beteiligung zugestimmt. Deshalb lässt die Grünen-Fraktion die Juristen des Bundestages laut „Bild“ bereits prüfen, ob ein neuer Parlamentsbeschluss erforderlich sei.
Dagegen erklärte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums, der nun gefundene Kompromiss mit dem IWF stelle „keine wesentliche Änderung“ zu dem ursprünglichen Bundestags-Beschluss dar. (dts/dpa)
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