Kein Öxit: Österreichs neue Regierung bekennt sich zu EU
Österreichs neue Regierung legt in ihrem Regierungsprogramm ein klares Bekenntnis zur EU fest. An der Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Union und in anderen internationalen Organisationen dürfe nicht gerüttelt werden.
Volksabstimmungen zu dem Thema werden in den kommenden fünf Jahren nicht erlaubt sein. „Nur in einem starken Europa kann es auch ein starkes Österreich geben, in dem wir in der Lage sind, die Chancen des 21. Jahrhunderts zu nutzen“, heißt es im Vorwort des über 180 Seiten starken Programms von ÖVP und FPÖ.
- Siehe auch: FPÖ-Kandidat Hofer gegen EU-Austritt Österreichs
Regierungsämter: Strache wird Vize-Kanzler
Am Samstag gaben die Parteien die Verteilung der Kabinettsposten bekannt. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ÖVP-Vorsitzenden Sebastian Kurz in Wien, seine Partei stelle die Minister für Inneres, Äußeres und Verteidigung. Er selbst übernehme zudem das Amt des Vize-Kanzlers. Außerdem sei er für Beamte sowie für Sport zuständig. Das Innenministerium leitet künftig der 49-jährige Herbert Kickl, der als „graue Eminenz“ der FPÖ gilt.
An der Spitze des Außenministeriums steht die 52-jährige Nahost-Spezialistin Karin Kneissl.
Den Posten des Verteidigungsministers übernimmt der 41-jährige Mario Kunasek, Chef der FPÖ in der Steiermark. Das Ministerium für Infrastruktur und Verkehr leitet der 46-jährige Norbert Hofer. Er war 2016 als FPÖ-Präsidentschaftskandidat nur knapp dem den Grünen nahestehenden Alexander Van der Bellen unterlegen. Mit Beate Hartinger als Ministerin für Soziales und Gesundheit stellt die FPÖ ein weiteres weibliches Kabinettsmitglied.
Den sechs FPÖ-Ministern stehen sieben der ÖVP entgegen. Diese stellt außerdem mit ihrem Chef, dem 31-jährigen bisherigen Außenminister Kurz, den Bundeskanzler.
Kanzleramtsminister der ÖVP für EU, Medien, Kunst und Kultur ist Gernot Blümel. Das Finanzministerium leitet künftig Hartwig Löger, das Wirtschaftsministerium Margarete Schramböck. Für Bildung, Universitäten und Kindergärten ist Heinz Faßmann zuständig, für Frauen und Familie Juliane Bogner-Strauß.
An der Spitze des Ministeriums für Justiz und Staatsreform steht Josef Moser. Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt wird Elisabeth Köstinger.
Hintergrund: Sebastian Kurz
Sebastian Kurz will nun „eine neue politische Kultur und einen neuen politischen Stil“ etablieren. Er gilt als eines der größten Politik-Talente Österreichs. Sein rasanter Aufstieg brachte ihm den Spitznamen „Wunderwuzzi“ ein – das österreichische Pendant zum Tausendsassa. Geboren am 27. August 1986 als Sohn einer Lehrerin und eines Ingenieurs in Wien, schließt er sich schon als Schüler der Jungen ÖVP an und wird 2009 ihr Bundesvorsitzender.
Seine Ernennung zum Staatssekretär für Integration im Innenministerium im April 2011 sorgt zunächst für Skepsis und Kritik. Für den Karrieresprung bricht der 24-Jährige sein Jura-Studium ab, Kritiker verweisen auf seine mangelnde Erfahrung und sein mal schnöseliges, mal draufgängerisches Auftreten. Doch die ÖVP-Nachwuchshoffnung überrascht Kritiker durch auffallend gutes Benehmen – und einige vorweisbare Erfolge wie den Ausbau der Sprachförderung in Kindergärten.
Im März 2014 übernimmt Kurz ohne jede außenpolitische Erfahrung das Außenministerium. Er geht forsch an seine neue Aufgabe heran: In der Flüchtlingskrise gibt sich der damals 27-Jährige als Hardliner. Er kritisiert die deutsche Willkommenskultur, setzt in Österreich eine Obergrenze für Flüchtlinge und schließlich die Schließung der Balkanroute durch. Auch in der Türkei-Politik bevorzugt er scharfe Töne: Kurz spricht sich gegen das Flüchtlingsabkommen der EU mit Ankara aus und fordert wiederholt einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.
Seine kontroversen Forderungen bringen dem Jungpolitiker viel Aufmerksamkeit ein, bei den österreichischen Wählern ist er populär. Als der bisherige ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner im Mai zurücktritt, wird Sebastian Kurz der neue Parteichef. Er führt als Parteichef den Bruch der großen Koalition mit der SPÖ herbei, ändert die schwarze Farbe der Partei in türkis und schlägt weiter dezidiert rechte Töne an.
Im Wahlkampf behandeln seine Unterstützer den Kanzleranwärter jedoch wie einen Rockstar: Fans in türkisfarbenen Shirts skandieren bei Veranstaltungen seinen Namen, Frauen wollen ihn umarmen. Termine, in denen Bürger Selfies mit Kurz machen können, dauern auch mal mehr als zwei Stunden.
In der Wählergunst beschert er seiner Partei einen Höhenflug auf Kosten der lange führenden FPÖ – und am 15. Oktober schließlich den Wahlsieg. Die Wahl sei eine „Richtungsentscheidung für Veränderungen in diesem Land“ gewesen, sagte Kurz am Freitag nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ.
Die Gespräche zogen sich zwar über mehrere Wochen, doch auch hier war Kurz mal wieder schneller als andere: Während in Deutschland eine neue Regierung noch nicht in Sicht ist, könnte Kurz‘ „türkis-blaue“ Koalition bereits in der kommenden Woche ihre Arbeit aufnehmen. (ks/afp)
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