2015: Über eine Million Migranten über Balkanroute – 2016: Route geschlossen aber „keine Beruhigung der Lage“
Bis dieser Weg im März dieses Jahres durch Stacheldrahtzäune geschlossen wurde, nutzten über eine Million Menschen die Route vor allem in Richtung Österreich und Deutschland. Wie ist die Lage heute?
– Griechenland befürchtet als erstes EU-Land auf dem Weg der Flüchtlinge, dass die Türkei wieder deutlich mehr Migranten übers Mittelmeer schicken könnte. Im Moment befinden sich knapp 60 000 Menschen in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen – in ausrangierten Kasernen und alten Industriegebäuden. Seit dem Putschversuch in der Türkei – dort halten sich drei Millionen Flüchtlinge auf – hat sich die Zahl der Ankommenden auf den ostägäischen Inseln mit 1277 in den ersten zwei Augustwochen wieder verdoppelt.
– Wegen der jahrelangen tiefen politischen Krise hat Mazedonien keine eigene Flüchtlingspolitik, sondern macht das, was vor allem Österreich, Ungarn, die Slowakei und Tschechien von dem Land verlangen. Mit finanzieller, technischer und personeller Hilfe dieser Länder wurde die Grenze zu Griechenland abgeriegelt und die Balkanroute damit endgültig geschlossen.
– „Es gibt keine Beruhigung der Lage, nur sind die Migranten nicht mehr so sichtbar“, sagt Helferin Tijana Sijaric in der Hauptstadt von Serbien. Rund 300 Migranten würden im Schnitt täglich in Belgrad gezählt, darunter bis zu 60 Neuankömmlinge. Alle wollten über die hermetisch abgeschlossene Grenze nach Ungarn weiter. Die Familien aus Syrien, Afghanistan, Irak und die Einzelpersonen aus Pakistan. Die Regierung meldet Erfolge der gemischten Patrouillen von Polizei und Soldaten. Anfang August seien innerhalb von wenigen Tagen 1500 illegale Einreisen über die grüne Grenze aus Bulgarien und Mazedonien verhindert worden.
– In Ungarn, das als erstes Land seine Grenze mit Zäunen zu Serbien und Kroatien abschottete, halten sich 1300 Flüchtlinge auf. Vor dem Grenzzaun zu Serbien warteten teilweise Hunderte, obwohl täglich nur 15 Menschen durchgelassen wurden. Der rechts-nationale Ministerpräsident Viktor Orban konnte seine schwindende Popularität zu Hause durch seine rigide Flüchtlingspolitik deutlich stärken. Am 2. Oktober lässt er die Bürger über die Ablehnung der EU-Quoten zur fairen Verteilung von Asylbewerbern abstimmen. Er stellt diese immer wieder als „Wirtschaftsflüchtlinge“ und potenzielle Terroristen dar.
– Kroatien hat sich wegen der einjährigen innenpolitischen Krise nur wenig um das Thema kümmern können und sah sich stets nur als Transitland. Die Polizei schätzt die Zahl der illegalen Grenzübertritte für das laufende Jahr auf zwischen 3000 und 5000. Für die Aufgegriffenen wurde Mitte August das neue Aufnahmelager in der Stadt Tovarnik an der Grenze zu Serbien fertiggestellt. Kroatien und Serbien zettelten wegen der Flüchtlinge einen kurzen Handelskrieg an, der auf Druck der EU beigelegt wurde.
– Auch wenn nur noch sehr wenige Flüchtlinge nach Slowenien kommen, will die Regierung die Zäune an der Grenze zu Kroatien nicht abbauen. Sie traut der Ruhe nicht. Auch die wichtigsten Zeitungen des Landes wie „Delo“ und „Vecer“ rechnen mit einem neuen Zustrom, wenn die Abmachungen der EU mit der Türkei nicht mehr gelten, weil Brüssel der Türkei keine Reiseerleichterung einräumt. Sie werfen der Regierung vor, keinen „Plan B“ in der Schublade zu haben.
– Der Hotspot in Österreich war im letzten Jahr der Grenzübergang Spielfeld zu Slowenien. Dort herrscht heute Ruhe. Aber die Alpenrepublik bereitet sich dennoch im ersten Jahr ihrer „Nicht-Willkommens-Kultur“ auf alle Eventualitäten vor. Im Moment steht der Grenzübergang Nickelsdorf zu Ungarn im Mittelpunkt. In der Region wurden im ersten Halbjahr 4500 illegal Eingereiste aufgegriffen sowie 117 Schlepper festgenommen.
– Bulgarien gehörte bisher im engeren Sinne nicht zur Balkanroute, obwohl im letzten Jahr auch hier über 20 000 Migranten registriert wurden. Im Moment leben 2700 Flüchtlinge in staatlichen Aufnahmezentren, die aber in der Regel weiter nach Westeuropa wollen. Zwei Drittel der Bulgaren sehen in ihnen eine Bedrohung für die nationale Sicherheit, zeigt die jüngste repräsentative Umfrage im Mai. Deshalb werden auch die selbst ernannten privaten „Flüchtlingsjäger“ unterstützt. Menschenrechtler in Sofia verurteilen die Aktionen.
(dpa)
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