Jamaika-Bündnis: Zwischen FDP und Grünen liegen Welten
Nach der Absage der SPD an eine neue große Koalition scheinen FDP und Grüne zum gemeinsamen Regieren in einem Jamaika-Bündnis mit der Union verdonnert. Dabei ist die Liste der Streitpunkte sehr lang:
KLIMASCHUTZ
Die Grünen streben einen Ausstieg aus der Kohle, einen Komplettumstieg auf erneuerbare Energien und das Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren für das Jahr 2030 an. „Klare Vorfahrt für den Klimaschutz“ sei Bedingung für eine Zusammenarbeit, lautet die Parole von Grünen-Chef Cem Özdemir am Wahlabend.
Die Liberalen halten die fossile Energieträger „auf absehbare Zeit“ für nicht verzichtbar. Und die erneuerbaren Energien sind für sie lediglich „ein wichtiges Element im Energiemix der Zukunft“. Die Position der CDU/CSU liegt dazwischen: Sie will zwar die erneuerbaren Energien ausbauen, von einem Ende der fossilen Energieträger ist bei der Union aber nicht die Rede.
FLÜCHTLINGE
Die Grünen sind für Flüchtlingskontingente und humanitäre Visa, die eine sichere Flucht ermöglichen sollen. Zudem wollen sie den ausgesetzten Familiennachzug bei Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz wieder ermöglichen. Demgegenüber tritt die FDP dafür ein, Kriegsflüchtlinge lediglich einen „vorübergehenden humanitären Schutz“ zu geben, „der auf die Dauer des Kriegs begrenzt ist“.
Auch die Union fordert eine härtere Gangart: „Eine Situation wie im Jahr 2015 soll und darf sich nicht wiederholen“, heißt es im Wahlprogramm von CDU und CSU mit Blick auf den damaligen starken Zuzug von Flüchtlingen. Als Belastungsprobe für Jamaika dürfte sich erweisen, dass CSU-Chef Horst Seehofer nach den Stimmverlusten der Union seine Partei wieder nach rechts rücken will. Schließlich pocht die Partei auf eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr.
INNERE SICHERHEIT
Hier gibt es Parallelen zwischen FDP und Grünen: Die Liberalen treten für eine „Reform der Sicherheitsarchitektur“ ein, weil zu viele Behörden für Sicherheit zuständig seien. Die Grünen fordern einen „Neustart“ beim Verfassungsschutz. Er soll durch ein personell völlig neues Bundesamt zur Gefahren- und Spionageabwehr ersetzt werden.
Die Union setzt hingegen andere Akzente: Sie beklagt unterschiedliche Sicherheitsstandards in den Bundesländern. Um dies zu beheben, schlägt sie ein sogenanntes Musterpolizeigesetz vor, das die 16 Ländergesetze ablösen soll.
STEUERN
Hier zeigen sich wiederum tiefe Gräben zwischen Liberalen und Grünen: Während die FDP auf erwartete Steuereinnahmen von 30 Milliarden Euro verzichten will, treten die Grünen für Erleichterungen lediglich bei Geringverdienern ein. Dafür soll der Grundfreibetrag angehoben werden, aber auch der Spitzensteuersatz für das Einkommen von Alleinstehenden ab 100.000 Euro. Die Union strebt eine Entlastung für alle mit einem Volumen bei der Einkommensteuer von 15 Milliarden Euro an.
SOZIALES
Die Grünen treten für eine Bürgerversicherung bei Renten und Gesundheit ein, in die etwa auch Selbstständige einzahlen. Dies würde in letzter Konsequenz auf das Ende des Nebeneinanders von gesetzlicher und privater Krankenversicherung hinauslaufen. Die FDP marschiert genau in die entgegengesetzte Richtung – und kritisiert die Bürgerversicherung als „staatliche Zwangskasse“. Auch die Union stellt das bisherige System nicht infrage – bei der Gesundheit ebenso wie bei der Rente.
AUẞENPOLITIK
Unterschiede gibt es vor allem zwischen Grünen und Union beim Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Verteidigung auszugeben: So klar sich CDU und CSU dazu bekennen, so klar lehnen es die Grünen ab. Hier vertritt die FDP eine mittlere Position: Sie verlangt eine Vernetzung der Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik – und will, dass Deutschland langfristig drei Prozent seines BIP in internationale Sicherheit investiert. (afp)
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