Verbot von „linksunten.indymedia“: BKA befürchtet Vergeltungsaktionen von Linksextremisten
Nach dem Verbot der Internetplattform „linksunten.indymedia“ rechnet das Bundeskriminalamt (BKA) mit Vergeltungsaktionen von Linksextremisten. Es warnt davor, dass es zu schweren Brandstiftungen wie beim G20-Gipfel in Hamburg kommen könne.
„Die linke Szene dürfte das Verbot als Folge der öffentlichen und politischen Debatte um die gewalttätigen Ausschreitungen des G 20-Gipfels im Juli in Hamburg sowie über die linke bzw. linksextreme Szene in Deutschland auslegen“, heißt es in einer vertraulichen „Gefährdungsbewertung“ des BKA vom 25. August, über den die „Welt am Sonntag“ berichtet.
BKA befürchtet Solidaritäts- und Vergeltungsaktionen gegen „Repressionsapparat“
Der Schwerpunkt des zu erwartenden Aktionsspektrums werde sich „in Form von einfacher Sachbeschädigung bis hin zu schweren Brandstiftungen erstrecken“. Es sei von „Solidaritäts- und Vergeltungsaktionen“ gegen den sogenannten staatlichen Repressionsapparat auszugehen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte kürzlich den Verein „linksunten.indymedia“ verboten und aufgelöst. Die gleichnamige Plattform galt Sicherheitsbehörden zufolge als das wichtigste Instrument für die Kommunikation von gewaltorientierten Linksextremisten.
Laut BKA stehen im Fokus linksextremistischer Straftäter in erster Linie staatliche Einrichtungen und das Personal in Ämtern, Polizeidienststellen und Ministerien.
De Maizières Wahlkampfauftritt gefährdet?
Die Wiesbadener Behörde sieht aber auch Wahlkampfveranstaltungen gefährdet: „Insbesondere im Hinblick auf anstehende politische Veranstaltungen im Bundesgebiet (z. B. Wahlkampfveranstaltungen anlässlich der Bundestagswahl, Tag der offenen Tür der Bundesministerien) bleibt festzuhalten, dass demonstrative bis hin zu strafrechtlich relevanten Aktionen im Begründungszusammenhang Vereinsverbot bundesweit einzukalkulieren sind“, heißt es in der Analyse.
Das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg hat das BKA auf die „besondere Brisanz“ für einen Wahlkampfauftritt des CDU-Politikers de Maizière hingewiesen, der am 28. August in Weil am Rhein stattfinden soll.
Gleichzeitig wird der Schutz für LKA-Präsident Ralf Michelfelder und für seinen Vize Klaus Ziwey erhöht. Deren Wohnsitze sollen in den kommenden Wochen rund um die Uhr bewacht werden. Das geht aus einem „VS – nur für den Dienstgebrauch“ gestempelten Papier des LKA hervor, das ebenfalls vom 25. August datiert ist.
Polizisten sollten für „Brandanschläge auf Fahrzeuge“ und „gelöste Radmuttern“ sensibilisiert werden
De Maizières Verbotsentscheidung würde als „Angriff auf die linke Szene als Ganzes wahrgenommen“, heißt es in dieser Unterlage. Seitdem sei damit zu rechnen, dass es „zu Solidaritätsaktionen sowie zu entsprechenden Resonanzstraftaten kommt“.
Anschlagsziele könnten etwa Dienst- und Privatfahrzeuge von Polizei und Justiz sein. Die Beamten sollten deshalb für Straftaten wie „Brandanschläge auf Fahrzeuge“ und „gelöste Radmuttern“ sensibilisiert werden.
Das LKA Baden-Württemberg hat die Gruppe „ISA Breisgau“ eingerichtet, um die Lage ständig zu bewerten. Mitglieder von „linksunten.indymedia“ hatten regelmäßig im „Kulturtreff in Selbstverwaltung“ (KTS) in Freiburg im Breisgau getagt, der diese Woche durchsucht worden war.
Die Institution der linksautonomen Szene besteht schon seit 1994. Das LKA weist die regionalen Polizeipräsidien in dem Papier jetzt an, offen und verdeckt geplante linksextremistische Aktionen zu ermitteln. Außerdem hat Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) angeordnet, das LKA, das Landesamt für Verfassungsschutz und das Ministerium in Stuttgart verstärkt zu schützen.
„Wir sind bald zurück“
Währenddessen kündigten unbekannte Autoren eine baldige Rückkehr der Plattform an. „Wir sind bald wieder zurück“, stand am Samstag auf der verbotenen Webseite.
Darunter zitierten die Autoren die „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“, die der Internetaktivist John Perry Barlow Mitte der 90er Jahre beim Weltwirtschaftsforum in Davos verkündet hatte. Staaten hätten in der digitalen Welt „kein moralisches Recht“ zu regieren.
„Der Cyberspace liegt nicht innerhalb Eurer Hoheitsgebiete. Glaubt nicht, Ihr könntet ihn gestalten“, heißt es in dem Zitat weiter.
Grünen kritisieren Vorgehen des Innenministeriums
Kritik am Vorgehen des Bundesinnenministeriums gegen „linksunten.indymedia“ kam von der innenpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Irene Mihalic. Grundsätzlich sei es zwar richtig, Aufrufe zu Straftaten konsequent zu verfolgen, sagte Mihalic der „Welt“.
Allerdings müsse genau geprüft werden, „ob die hohen rechtlichen Voraussetzungen für ein Vereinsverbot im Fall von ‚linksunten.indymedia‘ tatsächlich vorliegen“.
Fraglich sei auch, warum das bereits am 14. August ausgestellte Verbot erst zehn Tage später umgesetzt worden sei. „Nicht hinnehmbar wäre jedenfalls, wenn das Verbot nur dem Wahlkampf dienen sollte“, sagte Mihalic. (afp)
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