Streit um Flüchtlingspolitik: Unionsparteien erleben bisher schwersten Konflikt
Der Streit zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer um die Flüchtlingspolitik kann nach Einschätzung des Berliner Parteienforschers Oskar Niedermayer auch zu einer Trennung der Unions-Parteien führen: „Der Konflikt ist einer der schwersten, den die beiden Parteien je miteinander hatten“, sagte der Professor an der Freien Universität zu Berlin dem „Handelsblatt“.
Zwischen Merkel und Seehofer habe sich der Konflikt inzwischen so weit hochgeschaukelt, dass es jetzt weniger eine Frage der Inhalte, sondern eher eine Frage der persönlichen Befindlichkeiten sei, warum die beiden nicht mehr zueinanderfinden. „Die beiden haben sich anscheinend zu viele Verletzungen gegenseitig zugefügt.“
Sollte der Streit weiter eskalieren und die CSU es auf die Spitze treiben, habe die CDU „Folterinstrumente“, die sie einsetzen könne, etwa indem sie einen eigenen Landesverband in Bayern gründe. „In Demut wird die CDU nicht verharren, wenn die CSU ihr die Freundschaft aufkündigt“, sagte Niedermayer.
Umgekehrt könne die CSU ihre Drohung wahrmachen und sich bundesweit ausdehnen. „Ich glaube aber nicht, dass es so weit kommen wird, weil es beiden schadet.“ Seehofer wisse, dass die absolute Mehrheit der CSU verloren wäre, „würde die CDU in Bayern einmarschieren und bei der nächsten bayrischen Landtagswahl antreten“. Das wolle er nicht riskieren. „Deswegen ist die Drohkulisse, die Seehofer aufgebaut hat, zwar immer größer, aber nie bis zur letzten Konsequenz getrieben worden.“
Niedermayer erinnerte zudem daran, dass die Union schon immer vor einer wichtigen Wahl „das Kriegsbeil wieder begraben“ habe. „Herr Seehofer müsste das Wort Obergrenze aus seinem Wortschatz streichen. Und Frau Merkel müsste einräumen, dass nicht jede ihrer Entscheidungen seit dem vergangenen Herbst richtig war“, sagte der Politik-Professor. „Wenn das geschieht, dann könnten die beiden in den meisten Fragen einen Konsens erreichen.“
Aus Niedermayers Sicht wäre es dann auch möglich, dass die Union mit einer „Komplementärstrategie“ in den Wahlkampf gehe. „Man einigt sich auf Merkel als gemeinsame Kanzlerkandidatin und ein gemeinsames Wahlprogramm und ergänzt dieses mit einem Bayern-Plan der CSU, wo bestimmte Themen anders akzentuiert werden“, sagte er.
Zusätzlich müsse Seehofer auch für die Wähler außerhalb Bayerns sichtbar sein. „Das kann dadurch geschehen, dass man sich darauf verständigt, dass er nach der Wahl einen Ministerposten bekommt. Oder man legt fest, dass die Union im Wahlkampf Merkel und Seehofer auch optisch auf Wahlplakaten als Tandem präsentieren, um konservative Wählerschichten anzusprechen“, erläuterte der Experte. Damit ließe sich das gesamte Wählerpotential verbreitern. „Die CSU würde die konservative Flanke abdecken und dadurch der AfD ein Stück weit Paroli bieten.“
(dts Nachrichtenagentur)
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