Stark zensiert: Kabinett will umstrittenen Armutsbericht beschließen
Die große Kluft zwischen Arm und Reich beschäftigt erneut die Bundesregierung. Nach monatelanger Debatte soll der neue Armuts- und Reichtumsbericht heute das Kabinett passieren.
Laut Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) gibt es in Deutschland eine „verfestigte Ungleichheit bei den Vermögen“, die das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben drohe. Im Zuge der Ressortabstimmung waren allerdings Passagen gestrichen worden, wonach Menschen mit mehr Geld auch mehr Einfluss auf politische Entscheidungen hätten.
Berichtsentwürfe zeigen laut „Zeit-Online“, dass im Zuge der Abstimmung des Ursprungstextes im Arbeits- und Sozialministerium sowie mit den anderen Ressorts weite Bereiche umformuliert und verkürzt wurden.
So wurde auch eine Passage umformuliert, in der es hieß, hohe Ungleichheit könne nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt beeinträchtigen, sondern auch das Wirtschaftswachstum dämpfen. Deshalb sei die „Korrektur von Verteilungsergebnissen“ eine „wichtige gesellschaftliche Aufgabe“.
In der vorläufigen Endfassung steht nun, die Auswirkungen großer sozialer Ungleichheit auf das Wirtschaftswachstum eines Landes seien empirisch nicht eindeutig belegt. Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge warf der Bundesregierung systematische Schönfärberei vor.
Um eine nationale Debatte über die Kluft zwischen Arm und Reich in Gang zu setzen und politische Gegenmaßnahmen anzustoßen, müsse die Regierung in ihrem Bericht einräumen, „dass die soziale Spaltung aus einer Zangenbewegung resultiert: Denen `da unten` wurde seit der Jahrtausendwende mehr Druck gemacht, die `da oben` wurden langfristig entlastet“, schreibt Butterwegge in einem Kommentar auf „Zeit-Online“ und nennt als Beispiele dafür einerseits gelockerten Kündigungsschutz oder liberalisierte Leiharbeit, andererseits die Entlastung Wohlhabender von Steuern und Abgaben.
„Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht gleicht angesichts dieser Tendenz zur sozialen Spaltung einer Beruhigungspille.“ Jede Bundesregierung muss gemäß eines Parlamentsbeschlusses „in der Mitte der Wahlperiode“ einen Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen. Der Entwurf des Fünften Berichts wurde seit Herbst 2016 im Arbeitsministerium und den anderen Ressorts überarbeitet. Die Befassung des Kabinetts damit verzögerte sich nach Informationen der Zeitung dadurch um etwa ein halbes Jahr. (dts)
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