SPD-Vize Scholz sieht „eklatante Führungsschwäche“ bei Merkel: „Die Zeit des Durchlavierens ist vorbei“
SPD-Vize Olaf Scholz hat scharfe Kritik an den Jamaika-Sondierungen geübt – auch an der Rolle von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Beim Scheitern habe er eine „eklatante Führungsschwäche“ beobachtet, sagte Scholz dem Magazin „Stern“. Die Union mache es sich zu einfach, wenn sie das alles nur der FDP anlaste.
„Es ist auch ein Scheitern der CDU-Vorsitzenden.“ Ihre Kraft habe sich offensichtlich erschöpft. Es sei fraglich, ob sie bei den Gesprächen über eine Neuauflage der Großen Koalition die Kraft finde, eine Einigung herzustellen. Etwa in den großen Fragen der Europapolitik und mit Blick auf die Initiativen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron fehle es der Kanzlerin an „Leadership“.
Ihr politischer Stil komme offenbar an seine Grenzen, sagte Scholz. „Die Zeit des Durchlavierens ist vorbei.“ Der SPD-Vize dämpfte die Erwartungen, dass es schnell zu einer Großen Koalition kommen könne: „Sie ist eine Option. Aber nur eine. Es gibt keinen Automatismus, dass sie auch zustande kommt.“
Dabei gilt Scholz SPD-intern als einer der größten Befürworter einer Großen Koalition. Nun sagte er, dass wegen der schwierigen politischen Lage der Weg zu einer neuen Regierung lang sei: „Diese Zeit müssen wir uns nehmen.“ Große Koalitionen dürften auch kein Dauerzustand werden: „Wenn der politische Wettbewerb nicht mehr zwischen den beiden Volksparteien stattfindet, hat das negative Folgen für unsere Demokratie.“
Im Unterschied zu vielen anderen SPD-Politikern spricht sich Scholz klar gegen die Duldung einer Minderheitsregierung aus: „Deutschland hat 80 Millionen Einwohner, wir sind eine großes Volkswirtschaft, das wichtigste Land in Europa. Wir brauchen eine stabile Regierung.“
Der SPD-Vize mahnte die eigene Partei, im Vorfeld von Sondierungen keine Vielzahl von Forderungen zu formulieren. Es gehöre nicht alles in die Öffentlichkeit. „Ein bisschen Zurückhaltung schadet nicht“, sagte Scholz dem Magazin. Die Jamaika-Verhandlungen seien auch an fehlender Seriosität gescheitert.
Das Twittern von Zwischenständen, das Posten von Arbeitspapieren bei Facebook oder das öffentliche Ziehen von roten Linien – das werde man mit ihm nicht erleben. Scholz trat auch Spekulationen entgegen, er könne auf dem SPD-Bundesparteitag in der kommende Woche gegen Martin Schulz als Vorsitzender antreten. „Unsere Regelungen sehen vor, dass Kandidaturen rechtzeitig angekündigt werden müssen. Für den Parteivorsitz kandidiert allein Martin Schulz.“ Der werde mit einem „überzeugenden Ergebnis“ gewählt werden. Er selbst werde sich erneut um den stellvertretenden Vorsitz bewerben. (dts)
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