SPD-Basis stimmte für die GroKo – Merkel erleichtert – Grüne: Ergebnis war der Angst geschuldet

Eine Mehrheit von 66 Prozent der SPD-Mitglieder hat für den Koalitionsvertrag mit CDU und CSU gestimmt, die Wahlbeteiligung lag bei 78 Prozent. Kanzlerin Merkel ist erleichtert.
Epoch Times3. März 2018

Die SPD-Mitglieder haben mit deutlicher Mehrheit für die Neuauflage der großen Koalition gestimmt. Bei dem Mitgliederentscheid votierten rund 66 Prozent für ein Bündnis mit CDU und CSU, wie der Chef der Mandatsprüfungs- und Zählkommission, Schatzmeister Dietmar Nietan, am Sonntag in Berlin mitteilte.

Stimmberechtigt waren 463.722 SPD-Mitglieder. Abgegeben wurden nach SPD-Angaben 378.437 Stimmen, was einer Beteiligung von 78,39 Prozent entspricht.

Von den eingesandten Abstimmungsunterlagen waren allerdings knapp 15.000 fehlerhaft, etwa wegen einer fehlenden eidesstattlichen Erklärung, und konnten daher nicht berücksichtigt werden.

Für eine Neuauflage der „GroKo“ stimmten demnach 239.604 Mitglieder (66,02 Prozent). Dagegen votierten 123.329 Genossen (33,98 Prozent). Von den wirksam abgegeben Stimmen waren zudem 561 ungültig.

„Wir haben jetzt Klarheit“, sagte der kommissarische SPD-Chef Olaf Scholz.

Kanzlerin Merkel ist erleichtert

CDU-Chefin Angela Merkel hat sich erleichtert über die Zustimmung der SPD-Mitglieder zu einer neuen großen Koalition gezeigt. Die CDU twitterte im Namen Merkels:

Ich gratuliere der SPD zu diesem klaren Ergebnis und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes“.

Die CDU hat sich ebenfalls erfreut über das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids gezeigt. Sie freue sich über die breite Zustimmung der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag, schrieb CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer am Sonntagvormittag auf Twitter. Es sei eine „gute Entscheidung für Deutschland“.

Mit dem positiven Mitgliederentscheid hätten sich „nach CDU und CSU auch die Sozialdemokraten bereit erklärt, Verantwortung für unser Land in einer gemeinsamen Regierung zu übernehmen“.

Gabriel: Auf die Mitglieder der SPD ist Verlass

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Billigung einer neuen Großen Koalition durch die SPD-Mitglieder gewürdigt. „Wie vor vier Jahren ist ein solcher Mitgliederentscheid ein Fest der innerparteilichen Demokratie“, sagte Gabriel der „Welt“.

Und wie schon vor vier Jahren: Auf die Mitglieder der SPD ist Verlass.“

Die SPD-Mitglieder ließen sich „nicht erschrecken oder entmutigen“. Das gelte für die Befürworter der Regierungsbeteiligung wie für deren Gegner. „Es war eine wirklich respektvolle Diskussion“, sagte der frühere SPD-Vorsitzende.

„Ich war mir aber wie vor vier Jahren immer sicher, dass die große Mehrheit unserer Mitglieder unser Land gut und stabil regiert wissen will. Und dass sie wissen, dass das mit der SPD weit besser geht für die Menschen in Deutschland als ohne.“

Erste Ministerposten festgelegt

Die SPD-Spitze will in eine neue große Koalition je zur Hälfte weibliche und männliche Minister entsenden. Das kündigte der kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz in Berlin an.

Es werden einige Minister darunter sein, die schon dabei sind und einige, die neu hinzukommen“, sagte er weiter.

Scholz selbst gilt als gesetzt für das Amt des Finanzministers und als Vizekanzler.

Die designierte Parteichefin Andrea Nahles will die sozialdemokratische Ministerriege für das neue Kabinett „bald“ bekanntgeben. In den kommenden Tagen werde es dazu Beratungen geben, kündigte Nahles in Berlin an. Zuvor hatte es Berichte gegeben, wonach die SPD-Personalvorschläge am 12. März vorgestellt werden sollen, zwei Tage vor dem voraussichtlichen Termin für die Regierungsbildung.

Olaf Scholz. Foto: Sean Gallup/Getty Images

CDU: Dobrinth begrüßt das Ergebnis

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat die Zustimmung der SPD-Basis zu einer neuen großen Koalition begrüßt. „Es ist gut, dass bei den SPD-Mitgliedern offensichtlich die Vernunft überwogen hat“, erklärte Dobrindt am Sonntag.

Jetzt lasst uns endlich loslegen, um die Zukunftsprojekte für Deutschland anzugehen.“

Am Montag kommt die CSU-Spitze in München zusammen, um das weitere Vorgehen nach dem „GroKo“-Ja der SPD zu besprechen. Dabei dürfte auch die Besetzung der Ministerposten der Christsozialen verkündet werden.

Erste Reaktionen von Kühnert

Der Juso-Vorsitzende und entschiedene Gegner einer neuen großen Koalition, Kevin Kühnert, hat sich enttäuscht über den Ausgang des SPD-Mitgliederentscheids gezeigt.

„Sind angetreten, um zu gewinnen. Daher erstmal: Enttäuschung“, schrieb er auf Twitter. „Kritik an Groko bleibt.“

Kevin Kühnert. Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images

Linke rechnet mit unsozialer Politik

Nach dem Ja der SPD-Basis zur Neuauflage der großen Koalition rechnet die Führung der Linkspartei mit einer unsozialen Politik der neuen Regierung. „Eine gespaltene SPD und eine lustlose Union“ kehrten auf die Regierungsbank zurück, erklärten die Linken-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger am Sonntag in Berlin.

„Mit Horst Seehofer, Jens Spahn und Olaf Scholz bleiben Rechtsruck, Pflegenotstand und Schwarze Null Regierungsprogramm“, hieß es in der Erklärung weiter.

AfD erwartet LoKo – die Loser Koalition ohne stabile Mehrheit

Zur Groko-Entscheidung der SPD-Mitglieder sagt der Vorsitzende der AfD-Fraktion Dr. Alexander Wolf:

„Die SPD-Basis hat zugestimmt und jetzt kommt die „Groko“ oder besser „LoKo“ – die Loser Koalition. Denn eine stabile Mehrheit hat sie laut Umfragen schon lange nicht mehr.“ Und weiter:

„Der wahrscheinliche Weggang des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz ins Bundesfinanzministerium ist gut für Hamburg, aber schlecht für Deutschland. Für Hamburg kann es eine Chance für einen Neuanfang sein, aber für die Bundesfinanzen sehe ich Rot: Denn mit Geld können die Genossen nicht umgehen.“

Grüne: Das Ergebnis war der Angst geschuldet

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat das SPD-Mitgliedervotum nicht als Rückhalt für die Große Koalition gewertet.

Das Ergebnis sei „weniger Ausdruck der Überzeugung, dass eine neue GroKo gut für Deutschland ist, sondern vielmehr der Angst geschuldet, dass ein Nein die SPD in eine lebensbedrohliche Krise gestürzt hätte“, sagte Göring-Eckardt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Den Koalitionsvertrag bezeichnete sie als „ambitionslos“.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat mit Kritik auf das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids für eine Große Koalition aus Union und SPD reagiert. „Es ist gut, dass die Hängepartie endlich ein Ende hat. Klar ist aber auch: Mit dieser Großen Koalition wird es keinen Aufbruch geben“, sagte Hofreiter der „Rheinischen Post“.

Die „träge schwarz-rote Schlummerpolitik“ gehe in die nächste Runde.

„Die Herausforderungen unserer Zeit werden nicht angegangen: mit der Großen Koalition gibt es keinen konsequenten Klimaschutz, keinen fixen Kohleausstieg, keinen Einstieg in den grünen Verkehr der Zukunft“, sagte Hofreiter. Union und SPD würden die Modernisierung Deutschlands verschlafen, sagte der Grünen-Politiker.

Martin Schulz begrüßt das Ergebnis

Der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz hat die Zustimmung der Parteibasis zur Großen Koalition begrüßt. „Ich bin froh über das Ergebnis“, sagte Schulz der „Süddeutschen Zeitung“. Es könne Deutschland und Europa nach vorne bringen und die SPD stärken.

Schulz hatte den Koalitionsvertrag, über den die SPD-Mitglieder abgestimmt haben, als Parteivorsitzender entscheidend mitverhandelt. Danach hatte er auf den Parteivorsitz verzichtet, um als Außenminister ins Kabinett zu wechseln.

Dies traf in der Partei auf Unmut, weil Schulz am Tag nach der Bundestagswahl gesagt hatte, er werde nicht in ein Kabinett unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehen. Wegen der Kontroverse verzichtete Schulz auf einen Eintritt in die Regierung.

Wirtschaft begrüßt GroKo

Wirtschaftsverbände haben das Votum der SPD-Mitglieder für die Neuauflage der großen Koalition begrüßt. „Endlich haben wir Gewissheit, dass noch vor Ostern eine neue entscheidungs- und handlungsfähige Regierung das Ruder übernimmt“, erklärte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer. Für die Wirtschaft, die Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten sei von entscheidender Bedeutung, „dass die Hängepartie der vergangenen Monate endlich ein Ende hat“.

Für die deutschen Unternehmen sei es „gut, dass die Regierungsbildung jetzt zu einem Abschluss kommt“, erklärte auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer. Dies dürfe aber nicht den Blick darauf verstellen, dass der Koalitionsvertrag trotz einiger guter Ansätze den deutschen Unternehmen zusätzliche Belastungen zumute, fügte Schweitzer hinzu.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) forderte, nun rasch „notwendige Kapitel der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit“ aufzuschlagen. „Nach den quälenden Monaten der Regierungsbildung muss es jetzt heißen: Aufwachen GroKo, die Zeit läuft davon“, forderte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. Der digitale Rückstand müsse aufgeholt, und das Steuersystem wettbewerbsfähig gemacht werden.

Auch der Digitalbranchenverbands Bitkom forderte, die im Koalitionsvertrag aufgeführten digitalpolitischen Vorhaben müssten nun schnell auf den Weg gebracht werden. „Gerade in der Digitalpolitik läuft uns die Zeit davon“, erklärte Bitkom-Präsident Achim Berg. „Die Große Koalition kann jetzt starten und sie muss jetzt auch starten.“

Andrea Nahles (2-R), der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (3-R) und Generalsekretär Lars Klingbeil (2-L) im Willy-Brandt-Haus, 3. März 2018. Foto: Hayoung Jeon-Pool/Getty Images

Anlieferung der gewählten Stimmzette. Foto: Carsten Koall/Getty Images

Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung lag den Angaben zufolge bei gut 78 Prozent. Zu der Abstimmung waren die gut 463.000 Mitglieder der Partei vom 20. Februar bis zum Abend des 2. März aufgerufen.

Rund 120 von den Landesverbänden entsandte ehrenamtliche Helfer hatten die Stimmzettel in der Nacht zum Sonntag unter notarieller Aufsicht ausgezählt. (afp/dpa/dts)



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