Nach Spitzengesprächen: Union will nur Groko
Nach einem ersten Spitzengespräch hat sich die Union von Kanzlerin Angela Merkel für Regierungssondierungen mit der SPD ausgesprochen, aber de facto nur über eine große Koalition.
„Die Vertreter von CDU und CSU haben deutlich gemacht, dass sie gemeinsam mit der SPD Sondierungen zur Bildung einer stabilen Regierung aufnehmen wollen“, teilten CDU/CSU und SPD am Mittwochabend nach dem zweieinhalbstündigen Gespräch in Berlin mit. Die SPD werde darüber am Freitag in ihren Gremien beraten und entscheiden, hieß es. Das klare Votum setzt SPD-Chef Martin Schulz unter Druck, der Vorstand trifft sich am Freitag, um über Ja oder Nein zu Sondierungen zu entscheiden.
Schulz hatte der Basis beim jüngsten Parteitag versprochen, „ergebnisoffen“ zu verhandeln, das sollte auch Optionen wie eine Minderheitsregierung Merkels, die von der SPD unterstützt wird, beinhalten. Oder eine Kooperationskoalition („Koko“), bei der die SPD zwar auch Minister in der Regierung stellt, aber nur auf bestimmten Feldern kooperiert, auf anderen könnte sie dann auch mit anderen Parteien eigene Projekte durchsetzen. Beide Varianten sind Merkel und der Union zu unsicher und werden daher abgelehnt.
Merkel, Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer sowie die Spitzen beider Fraktionen hatten sich 80 Tage nach der Bundestagswahl und rund dreieinhalb Wochen nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen zu einem ersten Gedankenaustausch getroffen. Um das Treffen wurde ein großes Geheimnis gemacht, Schulz nahm den Hintereingang – das Treffen fand im Bundestag bei der CDU-Fraktion statt. Schulz hatte gefordert, sich öffentlich nach dem Treffen zurückzuhalten; die Basis hatte beim Parteitag kritisiert, dass die SPD-Führung sich innerlich längst auf die „Groko“ vorbereite.
Die SPD-Linke pocht trotz der Unions-Position weiterhin auf Sondierungen auch über die beiden anderen Regierungsalternativen. „Die SPD wird – wenn überhaupt – nur offen sondieren“, sagte der zum linken Flügel gehörende SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe der Deutschen Presse-Agentur.
Das sei so auf dem SPD-Parteitag besprochen und beschlossen worden. SPD-Chef Martin Schulz hatte dort zugesagt, es gebe keinen Automatismus Richtung große Koalition. Mit Spannung wird nun erwartet, wie die SPD sich am Freitag verhalten wird.
In der Erklärung nach dem Spitzentreffen war von einem „offenen und vertrauensvollen Gespräch“ die Rede, konkrete Ergebnisse wurden nicht bekannt. Streitpunkte sind unter anderem das von der SPD geforderte Ende einer „Zwei-Klassen-Medzin“ und die Frage, ob ab dem Frühjahr wieder ein Familiennachzug bei Flüchtlingen zum Beispiel aus Syrien möglich sein soll, was die CSU ablehnt. Hinzu kommt die von der SPD geforderte höhere Steuer für Reiche. Weitgehend einig ist man sich bei mehr Investitionen in Pflege, Wohnungsbau sowie einer Stärkung von Polizei und Justiz angesichts der Terrorismus-Herausforderungen.
Schulz hatte nach der Bundestagswahl und dem Jamaika-Aus zwei Mal den Gang in eine große Koalition ausgeschlossen. Er begründete das mit den herben Verlusten der SPD bei der Bundestagswahl, als die Partei nur noch auf 20,5 Prozent kam. SPD-intern wurde der Profilverlust in der großen Koalition dafür mitverantwortlich gemacht. Es gibt massive Widerstände in der Partei. Über die Aufnahme von konkreten Koalitionsverhandlungen müsste Mitte Januar ein Sonderparteitag entscheiden.
CSU-Chef Horst Seehofer hatte SPD-Überlegungen zu einer Koalition, in der nur einige Dinge fest verabredet werden, aber zur eigenen Profilschärfung auch Projekte mit anderen Parteien durchgesetzt werden können, als Vorschlag „aus der Krabbelgruppe“ bezeichnet. Scheitern alle Bemühungen um eine Regierungsbildung, bliebe nur eine vorgezogene Neuwahl als Ausweg – erstmals in der Bundesrepublik.
Der frühere Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine sagte der „Rheinischen Post“ (Donnerstag): „Die SPD ist ängstlich und unsicher und weiß nicht, welchen Weg sie gehen soll. Dabei ist es doch so einfach: Wenn man immer wieder Wahlen verliert, muss man die Politik ändern, die die Wähler vertreibt.“ Von einer Neuwahl hält Lafontaine nichts: „Wenn dieselben Gesichter mit denselben Programmen antreten, sind Neuwahlen sinnlos.“ (dpa)
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