„Lassen Sie nicht zu, dass das NetzDG in Kraft tritt!“ – AfD Höcke schreibt an Bundespräsident

In einem Offenen Brief appelliert Björn Höcke (AfD) an den Bundespräsidenten, dass umstrittene „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ nicht zu unterschreiben.
Titelbild
Der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke.Foto: Carsten Koall/Getty Images
Epoch Times21. Juli 2017

AfD-Politiker Björn Höcke hat in einem Offenen Brief an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) appelliert, das umstrittene „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ nicht zu unterschreiben. Das von Justizminister Heiko Maas (SPD) lancierte „NetzDG“ war Ende Juni vom Bundestag verabschiedet worden, obwohl nur wenige Abgeordnete anwesend und das Haus nicht beschlussfähig war. Rechtsexperten und der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatten den Gesetzentwurf zuvor als verfassungswidrig eingestuft.

Hier der Brief des thüringischen AfD-Fraktionschefs im Wortlaut:

Offener Brief an den Bundespräsidenten zur 244. Sitzung des Deutschen Bundestages: Abstimmung über einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz)

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

in seiner 244. Sitzung am 30. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag zum Zusatzpunkt 12 zur Tagesordnung den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) zur Drucksache 18/12356 in geänderter Fassung nach der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (Drucksache 18/13013) angenommen (Stenografischer Bericht 18/244, Seiten 25115 ff.). Am 7. Juli 2017 hat der Bundesrat in TOP 103 zum Beratungsvorgang 536/17 beschlossen, den Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht anzurufen.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, eingebracht in gleichlautenden Entwürfen von Bundesregierung und Regierungsfraktionen, um eine Verabschiedung noch in der zu Ende gehenden Legislaturperiode zu ermöglichen, begegnete von Anfang an scharfer Kritik nicht nur von rechtswissenschaftlicher und rechtspraktischer Seite. So hatten die Professoren Dr. Niko Härting und Dr. Marc Liesching den Entwurf als grundgesetz- sowie europarechtswidrig – auch in der geänderten Fassung – bezeichnet. Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kam in zwei Gutachten zu dem gleichen Ergebnis. Nahezu alle zur Anhörung in den Rechtsauschuss geladenen Sachverständigen vertraten ebenfalls diese Auffassung. Gravierende Bedenken hat sogar die EU-Kommission, wenn auch von dieser Seite kein Einspruch gegen das Gesetz eingelegt wurde. Besonders bemerkenswert ist zudem die Stellungnahme des Sonderbeauftragte der UN für die Meinungsfreiheit, David Kaye, der schwerwiegende Bedenken hinsichtlich der Eingriffe in die Meinungsfreiheit und des Rechts auf Anonymität konstatiert und Verstöße gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) befürchtet, den auch die Bundesrepublik ratifiziert hat.

Im Zuge der Berichterstattung über die Beschlussfassung wurde bekannt, dass entgegen den in der ARD gesendeten Bildern nicht das Plenum des Deutschen Bundestages abstimmte, sondern allenfalls einige wenige Abgeordnete im Plenum zugegen waren. Das Gesetz wäre damit neben seiner materiellen Verfassungswidrigkeit auch formell nicht wirksam zustande gekommen. Artikel 40 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz und § 45 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages verlangen für die Beschlussfähigkeit die Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des Bundestages im Sitzungssaal. Wie die Live-Fernsehübertragung des Senders Phönix belegt, waren nicht einmal 10 Prozent der Abgeordneten im Saal. Diese Unterschreitung der Beschlussfähigkeit muss der sitzungsleitende Präsident Lammert bemerkt haben und hätte von sich aus die Sitzung nach § 45 Absatz 3 Satz 1 der Geschäftsordnung aufheben müssen. Das ist übrigens derselbe Präsident Norbert Lammert, der zum Ende des vorangegangenen Tagesordnungspunktes die nach 27 Jahren der Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag scheidende Abgeordnete Erika Steinbach auf schäbigste Art und Weise abkanzeln und belehren zu müssen glaubte.

Wir fordern Sie, Herr Bundespräsident, auf, Ihr Prüfungsrecht und Ihre Prüfungspflicht nach Artikel 82 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes wahrzunehmen und dieses grundgesetzwidrige Gesetz nicht auszufertigen und im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Wir sind überzeugt, dass sie hierzu im Rahmen Ihrer Prüfungskompetenz verpflichtet sind, wenn das Gesetz nicht im rechtlich vorgeschriebenen Verfahren verabschiedet wurde.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, bereits jetzt ist das Verbreiten von Hass und Hetze auch im Internet von Rechts wegen verboten. Insofern besteht für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz kein Anlass. Mit dem Gesetz werden tatsächlich wohl ganz andere Absichten verfolgt, die die Meinungsfreiheit in unserem Land bedrohen. Lassen Sie es nicht zu, dass dieses inhaltlich fragwürdige und formal nicht rechtmäßig verabschiedete Gesetz in Kraft tritt und die Freiheit weiter in die Defensive gerät.

Mit freundlichen Grüßen

Björn Höcke (Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag)

und

Stefan Möller (Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag)

Quelle: Facebook / Björn Höcke

Siehe auch:

War der Bundestag mit 60 Abgeordneten überhaupt beschlussfähig?

Geheimes Bundestags-Gutachten: „Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist verfassungswidrig“

NetzDG verpflichtet zum strafbaren Speichern von Kinderpornos

Rechtswissenschaftler Peukert über das NetzDG

Deutscher Richterbund begrüßt Zensurgesetz – andere Experten kritisieren

 

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion