Kostenexplosion bei Krankenkassen: Versicherte müssen Finanzierungslücke schließen
Die Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen sollen sich innerhalb von vier Jahren mehr als verdoppeln. Das ergaben Berechnungen des Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen, berichtet „Web.de“.
Bei einem Brutto-Einkommen von 2.000 Euro sei bis 2020 eine Steigerung von monatlich 22 auf 48 Euro zu erwarten. Ein Verdienst von 3.000 Euro ergibt 76,60 statt aktuell 33,30 Euro. Bei 4.000 Euro brutto würde der Zusatzbeitrag von knapp 45 auf 96,80 Euro steigen.
Im Gegensatz zu Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der mit geringeren Mehrkosten rechnet, warnt auch Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, dass der große Kostenanstieg erst anrolle. Auch in der Pflege- und Rentenversicherung sei auf kurz oder lang mit steigenden Belastungen zu rechnen, so der SPD-Mann gegenüber “Spiegel-Online”.
Erhöhung auf Kosten von Geringverdienern
Besonders Geringverdiener seien von den Kostensteigerungen betroffen, so Ines Verspohl gegenüber “Web.de”. Wie die Gesundheitsreferentin beim Sozialverband VdK erläutert, belasten Sozialversicherungsbeiträge Bezieher niedriger Einkommen stärker als Steuern, bei denen die Prozentsätze gestaffelt – die progressiv sind.
Verspohl fordert eine Rückkehr zur gleichmäßigen Kostenverteilung auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der sogenannten paritätischen Finanzierung. Man warne seit Jahren eindringlich vor den einseitigen Erhöhungen für die gesetzlich Krankenversicherten, betont die Expertin.
Gleiches fordert der Sozialverband Deutschland (SoVD). „Um die Gesundheitskosten nicht allein den Versicherten aufzubürden, ist eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung unverzichtbar“, teilt uns Benedikt Dederichs vom SoVD auf Anfrage mit.
Geld aus Fonds des Bundes reicht nicht mehr
Hintergrund der Kostensteigerung sei die Finanzierungsstruktur der Krankenkassen. Pro Versichertem bekämen die Kassen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds des Bundes. Wegen der Kostenexplosion im Gesundheitswesen reiche das Geld aus dem Fond nicht mehr aus.
Laut Wasems Analyse fehlten aktuell 14,4 Milliarden Euro. Im Jahr 2020 könnte die Lücke deswegen 36,7 Milliarden Euro betragen. Die Kassen müssten diese Differenz ausgleichen und dürfen neben dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent seit Januar 2015 Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern erheben. Mit 10 Milliarden Euro ist der Fonds eigentlich gut gefüllt. Ihm sollen nun 1,5 Milliarden Euro zur medizinischen Versorgung der Flüchtlinge entnommen werden. Dadurch sollen die Krankenkassen entlastet werden.
Spitzenverband sieht Zusatzbeitrag bei 1,8 Prozent
Laut „Bild“-Zeitung prognostiziert der Spitzenverband Bund der Kassen bis 2019 einen Anstieg von derzeit 1,1 auf 1,8 Prozent. Das wären mehr als 60 Prozent! Für einen Durchschnittsverdiener mit 3022 Euro brutto im Monat machte das eine jährliche Mehrbelastung von 212 Euro aus. (dk)
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