Kommunal-Politiker der SPD – die Partei „hat ein Glaubwürdigkeitsproblem“

Großer Veränderungsbedarf in der SPD. Mit dem intellektuellen Potenzial aus der Kommunalpolitik wäre es vielleicht zu schaffen. Doch die Führung ignoriert es. „Das Misstrauen der Führung gegen die Basis ist mindestens so groß wie das Misstrauen der Basis gegen die Führung.“
Epoch Times26. Februar 2018

Es gibt viele kluge Köpfe in der Kommunalpolitik der SPD, doch die Führung will keinen Personalwechsel. In Umfragewerten sinkt die SPD immer mehr und bleibt mit 15,5 Prozent sogar hinter der AfD. Doch das scheint die Spitzenpolitiker nicht zu interessieren. „Das Misstrauen der Führung gegen die Basis ist mindestens so groß wie das Misstrauen der Basis gegen die Führung“, so berichtet die „WELT“.

Landrat Matthias Groote (SPD) der Stadt Leer in Ostfriesland, bemerkt über den Bundestagswahlkampf sehr metaphorisch, dass „der Köder dem Fisch und nicht dem Angler schmecken müsse.“ Der momentane Zustand der Parteiführung in Berlin sei gekennzeichnet durch falsche Themen, eine größtmögliche Distanz zu normalen Mitbürgern und eine verheerend falsche Selbsteinschätzung der Führungsriege.

„Wenn wir den Laden wirklich kaputtmachen wollen, machen wir weiter wie bisher“, so Groote weiter.

Dennoch will der ostfriesische Landrat für den Koalitionsvertrag stimmen, denn er enthalte auch Vernünftiges. Seine Kritik gehe vielmehr an die Parteiführung, die mit Martin Schulz die SPD in diese schlecht Lage gebracht hätte. Er ist der Auffassung: „Andrea Nahles kann nach über 20 Jahren in der Bundespolitik keine Erneuerung verkörpern.“

Auch die „Quasi-Selbsternennung“ von Nahles empfindet Groote als unsäglich und die Auswahl von mehreren Bewerbern als eine demokratische Selbstverständlichkeit. Deshalb begrüße er die Kandidatur der Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange für das Amt der Parteivorsitzenden.

Doch im Establishment löse der Name Simone Lange Entrüstung, ja sogar Hass aus. Denn an der Spitze habe man sich eingeredet, dass Nahles und ihr Vorstand alternativlos seien. „Wehe dem, der die Alternativlosigkeit stört.“

„Es geht um Zusammenhalt, auch um Heimat“

Eine Kluft zwischen den „Politikpolitikern“ der Bundesebene und den „nüchternen Pragmatikern“ vor Ort tue sich auf, so die Welt. Matthias Groote gehöre zur zweiten Kategorie. Bei seiner Wahl zum Landrat in seinem Heimatort kam er auf 56,8 Prozent. Auch habe der 44-jährige Wirtschaftsingenieur bereits elf Jahre Erfahrung als Mitglied des Europäischen Parlaments gesammelt.

Der Heimatkreis des SPD-Politikers hätte sich aus einer agrarisch geprägten Region, mit einer Arbeitslosigkeit von 25 Prozent im Winter, zum zweitgrößten Reedereistandort in Deutschland gemausert. Außergewöhnlich vieler Softwareentwickler und die Windkraft hätten dazu beigetragen, die Stadt Leer aus der Armut in eine Aufschwungregion zu verwandeln. Die Arbeitslosigkeit gehe auf fünf Prozent zu.

Eines der größten Irrtümer der SPD im Wahlkampf sei gewesen, nur die materielle Armut einseitig in Blick zu nehmen. Doch, vor Ort gehe es oft um eine ganz andere Art von Armut, zum Beispiel um die Einsamkeit vieler alter Menschen, deren Kinder über den Globus verstreut seien. Auch gehe es um intelligente Teilzeitmodelle, wenn 70 Prozent der Stellen an den örtlichen Krankenhäusern inzwischen mit Ärztinnen besetzt seien. „Es geht um Zusammenhalt, auch um Heimat“, so der Kommunalpolitiker.

Die Kommunalpolitiker haben viel zu bieten

Der Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup, meint, dass die Sozialdemokraten unbedingt das Potenzial aus den Kommunen einbringen sollten, um aus ihrer „intellektuellen Krise“ herauszukommen. Denn auch die Stadt Karlsruhe boome und den Leuten gehe es gut, so die Welt.

„Warum nicht vier, fünf neue, bundespolitisch unverbrauchte Persönlichkeiten berufen – eine Art Zukunftskommission aus Wissenschaft, Publizistik, und ja: auch aus der Kommunalpolitik – die versuchen frei von Funktionen etwas wirklich Visionäres zu entwickeln“, so der Vorschlag von Frank Mentrup.

Der Mediziner und Vater von vier Kindern, unterstütze zwar die Regierungsbeteiligung, doch seien ihm die „Geschlossenheitsfantasien“ des Vorstandes fremd.

Auch Bernd Saxe, der seit 18 Jahren Bürgermeister der Hansestadt Lübeck ist, sagt, dass die SPD in einer wirklich schlechten Verfassung sei. „ … wir schauen in den Abgrund, in den andere sozialdemokratische Parteien in Europa schon gestürzt sind.“

Den Koalitionsvertrag betrachtet der Lübecker Bürgermeister jedoch als gelungen und rechnet sich bereits die Vorteile für seine Stadt aus. Die Fragen, wie die SPD die positiven Ziele der Öffentlichkeit vermitteln will, und ob die langjährigen Parteikader, wie Andrea Nahles und der Kieler Oppositionsführer Ralf Stegner, die Erneuerung der SPD bewerkstelligen wollen, überhört er geschickt. Er antwortet statt dessen: „Bei uns treten neue Talente immer nur zufällig in Erscheinung. Wir müssen aber systematisch nach solchen Leuten suchen, sie gezielt fördern und aufbauen.“

Auch bei der Oberbürgermeisterin von Chemnitz, Barbara Ludwig, gehe es nicht um Parteipolitik, sondern um „die sichtbare Verbesserung des Alltages in ihrer Stadt.“ Bei der ehemaligen sächsischen Ministerin für Wissenschaft und Kultur, kommen die Sorgen der Menschen über die Entwicklung in Deutschland und Europa an.

Sie ist der Auffassung, dies passe zu einem neuen Bedürfnis nach Sicherheit. Denn Chemnitz hätte 5000 Flüchtlinge gern und engagiert aufgenommen.

„Aber einige junge Männer machen uns echte Schwierigkeiten. Sie begehen Straftaten und flößen Frauen Furcht ein.“

Da sei es wichtig, dass klare Ansagen gemacht würden, denn „wer zu uns flüchtet, hält sich bitte an unsere Regeln.“ Nicht hilfreich hingegen sei da die Diskussion zwischen SPD und Union über den „Familiennachzug“ gewesen, so Ludwig zur Welt.

Auch hält die Politikerin die Kandidatur von Simone Lange für richtig – „unabhängig davon, ob ich sie wähle oder nicht, braucht man mehrere Kandidaten“. Die übereilte Ausrufung von Nahes halte sie für eine Fehlentscheidung und das hinterließe auch den Eindruck, dass Parteispitze nur auf ihre Ämter aus ist.

Oberbürgermeister aus München, Dieter Reiter, meint nur knapp, dass kein Sozialdemokrat ein Problem mit dem Koalitionsvertrag hätte, vielmehr wäre da ein „Glaubwürdigkeitsproblem“. Man brauche Menschen an der Spitze der SPD, mit denen sich die Menschen innerhalb und außerhalb der Partei identifizieren können“, so die Welt. (vm)

Mehr zum Thema: Kühnert – Müssen schnell in programmatische Erneuerung der SPD einsteigen

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