Bundesarbeitsgericht: Dauerhafte Produktivitäts-Überwachung der Arbeitnehmer ist nicht erlaubt

Arbeitgeber dürfen die Produktivität ihrer Beschäftigten nicht dauerhaft technisch überwachen, entschied das Bundesarbeitsgericht. Auch entsprechende Betriebsvereinbarungen sind unzulässig und unwirksam.
Epoch Times24. August 2017

Arbeitgeber dürfen die Produktivität ihrer Beschäftigten nicht dauerhaft technisch überwachen. Auch eine entsprechende Betriebsvereinbarung ist unzulässig und daher unwirksam, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil entschied.

Damit hob das BAG einen Schiedsspruch über eine „Belastungsstatistik“ bei einem Versicherungsunternehmen auf. Das Unternehmen wollte so die Belastung der Sachbearbeiter überprüfen, die in den Außenstellen für die Schadensregulierung zuständig sind. Grund waren die nach Angaben des Unternehmens erheblichen Unterschiede in der Produktivität der Außenstellen.

Bei technischen Überwachungen der Arbeitnehmer besteht ein Mitspracherecht des Betriebsrats. Weil sich hier Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen konnten, legte eine Einigungsstelle den Inhalt einer Betriebsvereinbarung fest.

Danach sollten unter anderem für jeden Sachbearbeiter die Zahl der erledigten Fälle und die „Rückstände“ auf dem jeweiligen Schreibtisch ermittelt werden. Diese und detaillierte weitere Daten sollten dann wöchentlich durch den Firmencomputer ausgewertet werden.

Es wurde die Produktivität der Mitarbeiter erfasst

Der Gesamtbetriebsrat war damit nicht einverstanden und klagte. Der Schiedsspruch sei unwirksam. Das Versicherungsunternehmen betonte dagegen, dass nur wenige Personen Zugriff auf die Daten hätten. Ein „unangemessener Überwachungsdruck“ entstehe daher nicht.

Das BAG gab nun dem Betriebsrat recht. Der Spruch der Einigungsstelle verletze die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer.

Zwar sei es grundsätzlich ein legitimes Anliegen des Arbeitgebers, die Ursachen der unterschiedlichen Produktivität der Außenstellen in Erfahrung zu bringen. Das BAG äußerte allerdings Zweifel, ob die „Belastungsstatistik“ in der vorgesehenen Form hierfür überhaupt geeignet ist.

Denn vorrangig werde nicht die Belastung, sondern die Produktivität der einzelnen Sachbearbeiter erfasst. Dabei bleibe der Schweregrad des jeweiligen Falls völlig unberücksichtigt. Gründe für die bestehenden Unterschiede würden gar nicht ermittelt.

Zudem sei nicht ersichtlich, warum nicht eine Stichprobenerhebung ausreicht. Dadurch könnte der Überwachungsdruck für die Arbeitnehmer erheblich gemindert werden, so das BAG. Weiter rügten die Erfurter Richter, dass die einzelnen Sachbearbeiter gar nicht erkennen könnten, ob ihre Leistung von der ihrer Kollegen abweiche. Die Kriterien, nach denen Sachbearbeiter ihren Gruppenleitern „angezeigt“ werden, zielten teilweise nur auf Ausreißer in einzelnen Bereichen ab.

„Für diesen schwerwiegenden dauerhaften Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer gibt es keine hinreichende Rechtfertigung“, urteilte das BAG. Der Spruch der Einigungsstelle sei daher unwirksam. (afp)



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