Jamaika-Aus: Wie es nach dem Scheitern weitergeht – Minderheitsregierung oder Neuwahlen?

Die FDP ist aus den Jamaika-Verhandlungen ausgestiegen. Nun gelten Neuwahlen als die wahrscheinlichste Variante. Doch auch der Weg dorthin ist schwierig: Das Grundgesetz baut hohe Hürden auf.
Epoch Times19. November 2017

Könnte es nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen doch noch zu einer Neuauflage der großen Koalition kommen?

Das ist unwahrscheinlich. Die SPD hat sich schon am Wahlabend auf die Oppositionsrolle festgelegt und ist davon bislang nicht abgerückt. Vielmehr hat Parteichef Martin Schulz erst am Wochenende noch einmal beteuert, die SPD sei jederzeit zu Neuwahlen bereit.

Wäre eine Minderheitsregierung eine Option?

Wohl kaum. Dieses in anderen Ländern übliche Modell ist in Deutschland im Bund noch unerprobt. Und in den politisch unruhigen Zeiten wäre es misslich für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wenn sie sich bei jedem Gesetz Unterstützung von einer Oppositionsfraktion holen müsste.

Die Kanzlerin hat diese Option am Abend der Bundestagswahl ausgeschlagen: „Ich habe die Absicht, dass wir zu einer stabilen Regierung in Deutschland kommen.“ Die SPD schloss ihrerseits bereits aus, eine Minderheitsregierung von Merkel zu tolerieren.

Unter welchen Umständen könnte es zu Neuwahlen kommen?

Bevor es zu einem weiteren Urnengang kommt, muss der neue Bundestag aufgelöst werden. Ein Weg dorthin ist grundsätzlich die Vertrauensfrage. Die früheren Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) hatten so Neuwahlen herbeigeführt.

Doch Amtsinhaberin Merkel ist dieser Weg versperrt. Denn sie ist seit der Konstituierung des neuen Bundestags nur noch geschäftsführend im Amt. Und für diesen Fall besteht die Möglichkeit der Vertrauensfrage nicht.

Deshalb bleibt nur noch die Möglichkeit der Parlamentsauflösung nach einer Kanzlerwahl. Artikel 63 des Grundgesetzes sieht dafür folgendes Szenario vor: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterbreitet dem Parlament einen Vorschlag, er kann damit auch bei übermäßig langen Koalitionsvorhandlungen eine Kanzlerwahl in Gang setzen.

Verfehlt die Kanzlerin die erforderliche Mehrheit aller Abgeordneten, kann die Wahl innerhalb von 14 Tagen wiederholt werden. Bringt Merkel auch im zweiten Durchgang nicht die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich, reicht es im dritten Durchgang, wenn sie die relative Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt. Das dürfte ihr problemlos gelingen, schließlich ist nicht einmal ein Gegenkandidat zu erwarten.

In diesem Fall hat Steinmeier zwei Möglichkeiten. Er kann Merkel zur Kanzlerin ernennen oder den Bundestag auflösen. Für diese Entscheidung hat er sieben Tage Zeit. Entscheidet er sich für die Parlamentsauflösung, muss innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.

Nach derzeitigem Stand ist aber keineswegs zu erwarten, dass Neuwahlen die politischen Verhältnisse im Lande klären: Nach den aktuellen Meinungsumfragen würde ein neuer Urnengang die Kräfteverhältnisse im Parlament nicht wesentlich verändern. Es würde rechnerisch wohl wieder nur für Jamaika oder die große Koalition reichen. (afp)

Weiterer Artikel:

Analyse von Jürgen Fritz: Wer sind Gewinner und Verlierer, falls es zu Neuwahlen kommt

 



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