IG Metall droht Arbeitgebern mit schneller Streik-Eskalation
In der laufenden Tarifrunde für die deutsche Metall- und Elektroindustrie droht die IG Metall den Arbeitgebern mit einer schnellen Eskalation.
„Mehr als zwei oder drei Wochen Warnstreiks machen ja keinen Sinn“, sagte der Erste Vorsitzende der Gewerkschaft, Jörg Hofmann, der Deutschen Presse-Agentur. „Sollte sich bis Ende Januar nichts an der Position der Arbeitgeber ändern, werden wir dann darüber nachdenken, ob wir zu 24-Stunden-Warnstreiks greifen oder gleich zur Urabstimmung für Flächenstreiks aufrufen.“
Nach zwei Verhandlungsrunden in allen Regionen noch in der am 31. Dezember auslaufenden Friedenspflicht stehen die Zeichen zum neuen Jahr bereits auf Warnstreiks. „Die Arbeitgeber haben ein mickriges Angebot vorgelegt, von dem sie selbst wissen, dass es so nicht kommt“, meinte Hofmann. „Ab dem 8. Januar geht die IG Metall in allen Regionen in Warnstreiks, in der Woche vorher kann es bereits zu einzelnen Maßnahmen in einigen Betrieben kommen.“
Wegen der starken Konjunktur und der rekordverdächtigen Auftragslage rechne er aber mit einem starken Interesse des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall an einer schnellen Lösung. „Eine kurze und heftige Auseinandersetzung wäre möglicherweise für beide Seiten besser“, sagte Hofmann. „Wir wollen unsere Forderungen durchsetzen und die Arbeitgeber ihre Produktionsausfälle überschaubar halten.“
Der IG-Metall-Chef verteidigte die Forderungen seiner Gewerkschaft zur Arbeitszeit. Es handele sich um eine zeitgemäße tarifliche Sozialleistung, wenn Schichtarbeitern, Eltern junger Kinder oder pflegenden Angehörigen ein Entgeltzuschuss gezahlt werde, wenn sie bei kürzerer Arbeitszeit weniger verdienen. Hofmann erinnerte in diesem Zusammenhang an wichtige gesetzliche Sozialleistungen wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder den bezahlten Urlaub, die zunächst in richtungsweisenden Tarifverträgen vereinbart worden seien. „Gesundheitsprävention und Sorgearbeit löst die soziale Mitverantwortung der Arbeitgeber aus, denn Eigentum verpflichtet.“
Ein genereller Einstieg in die 4-Tage-Woche sei nicht geplant, betonte der Gewerkschafter. „Wir wollen keinen Weg hin zu kollektiven Arbeitszeitverkürzungen.“ Die Arbeitgeber operierten mit „Horror-Zahlen“, wenn es um mögliche Teilnehmer an den zeitlich befristeten verkürzten Arbeitszeiten gehe. Laut Mitgliederbefragung der IG Metall habe jeweils knapp ein Viertel der Beschäftigten kleine Kinder im Haushalt und pflegebedürftige Angehörige. Längst nicht jeder werde die reduzierte Arbeitszeit nutzen, die zumindest in höheren Verdienstgruppen mit deutlichen Einkommensverlusten verbunden sei. Zusätzlich soll allen Metallbeschäftigten offenstehen, ohne Lohnausgleich ihre Wochenarbeitszeit für zwei Jahre auf 28 Stunden zu reduzieren.
Die Sorgen der Industrie vor einem Fachkräftemangel könne er nicht nachvollziehen, sagte Hofmann. Noch ließen die Firmen zahlreiches Arbeitskräftepotenzial ungenutzt, beispielsweise von Frauen. Für diese stellten die ausufernden Arbeitszeiten in der Metall- und Elektroindustrie oft ein echtes Hindernis dar. Zudem habe die Branche es bis dato verpasst, über mehr Ausbildungsplätze und gezielte berufliche Entwicklung der Beschäftigten das Fachkräftepotenzial auszuschöpfen.
Die schleppende Regierungsbildung in Berlin sieht die IG Metall skeptisch. Eine erneute große Koalition zwischen Union und SPD mache letztlich nur Sinn, wenn die Chance genutzt werde, große Themen wie zum Beispiel eine Reform des Bildungssystems anzufassen. Die Beschäftigten müssten bei der Digitalisierung der Arbeitswelt und der Gesellschaft mitgenommen werden. „Man darf sich nicht erneut nur auf den kleinsten Kompromiss einigen“, forderte Hofmann. „Eine große Koalition mit kleinen Themen, das passt nicht.“
Es gehe auch darum, die von Globalisierung und Finanzmarkt getriebenen Entwicklungen in der Wirtschaft politisch zu gestalten, sagte der Gewerkschafts-Boss. Die Entwicklungen beispielsweise bei Siemens und General Electric ließen die Frage aufkommen, ob der soziale Kompromiss, der Deutschland lange gut getragen hat, noch hält. Dieser sei angesichts der Transformation der Arbeitswelt und Gesellschaft durch die Digitalisierung wichtiger denn je. Zudem müsse die Frage beantwortet werden, wie künftig der Sozialstaat finanziert werde. „Es ergeben sich neue Umverteilungsnotwendigkeiten, wenn durch die demografische Entwicklung und Produktivitätsfortschritte weniger Arbeitnehmer in die Sozialsysteme einzahlen.“ (dpa)
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