Familiennachzug: Zehntausende Migranten holen Familien nach – „Größeres Problem als neue Flüchtlinge“
Der Familiennachzug Zehntausender Flüchtlinge belastet Deutschland nach Einschätzung des Bundestagsvizepräsidenten Johannes Singhammer auf Dauer stärker als die neu ankommenden Migranten.
„Die Belastung durch den Nachzug von Familienmitgliedern könnte in nächster Zeit höher sein als die Belastung durch neu ankommende syrische Flüchtlinge“, sagte Singhammer.
Die Zahl der Syrer hierzulande werde sich verdoppeln, weil Angehörige nachkommen, sagte der CSU-Politiker der Deutschen-Presse-Agentur. „Nach meinen Informationen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist es so, dass pro anerkanntem syrischen Flüchtling mindestens ein Familienmitglied nachkommen wird.“
Einwanderung klarer regeln
Die saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) forderte, die Einwanderung müsse klarer geregelt werden. Wie jeder Staat dürfe Deutschland definieren, „wen wir gerne bei uns hätten“. Nötig sei auch eine neue „Leitkultur“-Debatte, um die „geschriebenen und ungeschriebenen Regeln“ im Land für alle zu klären.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) gab zu bedenken, dass Europa zwar „humanitäre Großmacht“ sein müsse, doch die Möglichkeiten zur Aufnahme beschränkt seien. „Wenn wir überlegen, wo in der Welt die Menschenwürde überall mit Füßen getreten wird, dann wären das sicherlich mehr als eine Milliarde Menschen. Daran wird deutlich, dass wir die Probleme nicht durch die Aufnahme aller Flüchtlinge lösen können“, sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb habe er auch kein Problem mit der Begrenzung der Flüchtlingszahlen.
CSU-Chef Horst Seehofer stellte klar, dass seine Partei nach einem Sieg der Union bei der Bundestagswahl darauf besteht, eine Obergrenze für Asylbewerber einzuführen. „Die Zuwanderungsbegrenzung ist Voraussetzung für Integration und Sicherheit. Auch deswegen sind wir für eine Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen im Jahr“, sagte Bayerns Ministerpräsident der „Welt am Sonntag“.
Die Mehrheit der Flüchtlinge in Bayern stellten inzwischen Afrikaner. Seehofer forderte deshalb Abkommen mit den Staaten Nordafrikas, um abgelehnte Asylbewerber dorthin zurückbringen zu können.
Generell müsse auch an den Grenzen entschieden werden, wer ins Land komme und wer nicht. „Da bin ich wieder bei den Transitzentren. Dort müssten Polizisten, Ärzte, Dolmetscher und Richter sitzen, die innerhalb kurzer Zeit entscheiden, wer bleiben darf und wer nicht.“
2015 kamen ca. 890 000 Migranten
Im Jahr 2015 waren schätzungsweise rund 890 000 Migranten und Flüchtlinge nach Deutschland gekommen – etwa drei Mal so viele wie noch im Jahr zuvor.
Der Nachzug von Angehörigen anerkannter Flüchtlinge stellt viele Kommunen nach Einschätzung Singhammers vor eine „außerordentlich große Herausforderung“. „Irgendwann werden vielleicht nicht mehr genügend Wohnraum, Lehrer und Erzieher vorhanden sein. Wir müssen alles tun, dass die Integrationsfähigkeit gewahrt bleibt“, sagte er der dpa. Die meisten Syrer erhalten allerdings nur eingeschränkten Schutz: Ihre Aufenthaltserlaubnis gilt zunächst nur für ein Jahr, das Recht auf Familiennachzug ist für zwei Jahre ausgesetzt.
Seit dem Putschversuch im Sommer in der Türkei werden auch mehr Asylanträge türkischer Staatsbürger verzeichnet – darunter zu 80 Prozent Kurden. Insgesamt seien von Januar bis November dieses Jahres 5166 Asylanträge von Türken eingegangen, zitiert die Funke Mediengruppe aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentsanfrage.
In der Türkei geht die Regierung seit dem gescheiterten Putsch gegen Oppositionelle vor, insbesondere gegen kurdisch-stämmige Politiker. Die Schutzquote fällt laut „Handelsblatt“ für 2016 mit Werten zwischen 3,1 und 9 Prozent allerdings niedrig aus.
Die Einreise Hunderttausender Migranten und Flüchtlinge im Jahr 2015 stellt auch die Justiz zunehmend vor Probleme.
Bei den Verwaltungsgerichten stapeln sich Zehntausende Klagen von abgelehnten oder nicht voll anerkannten Asylbewerbern. „Wir rechnen bundesweit für das gesamte Jahr 2016 mit einer Verdoppelung der Asylverfahren“, sagte der Vorsitzende des Bunds Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller, der Deutschen Presse-Agentur. (dpa)
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