EU-Gericht erschwert Abschiebung – Richter: „Anzahl der Asylverfahren wird steigen – Endlosschleifen drohen“
Aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) kann ein Flüchtling – der immer wieder nach Deutschland einreist – nicht einfach sofort wieder in das für ihn zuständige EU-Land abgeschoben werden.
Die Richter haben stattdessen entschieden, dass das Verfahren immer wieder von Neuem begonnen werden muss. Durch das Urteil entsteht für die deutschen Behörden mehr Aufwand. Zudem muss mit einer regelrechten Endlosschleife bei Abschiebungen gerechnet werden. „Focus-Online“ berichtete.
Dublin-III ausgehebelt
Wenn zum Beispiel ein Syrer in Deutschland einen Antrag stellt, der bereits in Italien Schutz beantragt hat, ist laut Dublin-III-Verordnung klar, dass Italien für ihn zuständig ist.
Wenn der Syrer dann nach Italien überstellt wurde, aber wieder illegal nach Deutschland einreist und aufgegriffen wird, kann er nun nicht einfach wieder nach Italien überstellt werden. Zunächst muss ein Wiederaufnahmenverfahren eingeleitet werden. Das heißt: Italien muss erneut um Wiederaufnahme des Migranten gebeten werden.
Wird das Wiederaufnahmeverfahren nicht nach einer gewissen Frist gestellt, wird Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Hat das andere Land der Wiederaufnahme zugestimmt, muss innerhalb von meist sechs Monaten der Asylsuchende, in diesem Beispiel nach Italien, abgeschoben sein. Wurde er nicht innerhalb dieser Frist überstellt, so ist Deutschland für ihn zuständig.
„Anzahl der Asylverfahren wird steigen“
Klaus Dienelt, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Darmstadt und seit mehr als 20 Jahren mit Schwerpunkt im Ausländer- und Asylrecht tätig, erklärt gegenüber „Focus“:
Ich sehe dieses Urteil äußerst kritisch. Die Anzahl der Asylverfahren wird steigen, es könnte zu Endlosschleifen kommen.“
Laut Dienelt besteht die Gefahr, dass sich künftig mehrere deutsche Gerichte parallel mit mehreren identischen Klagen ein- und desselben Flüchtlings beschäftigen müssen. Und zwar dann, wenn der Asylbewerber jedes Mal gegen die Entscheidung klagt, dass ein anderes EU-Land für sein Verfahren zuständig ist, vor der Entscheidung aber abgeschoben wird und nach der Wiedereinreise erneut klagt.
Vor Gericht wird es dabei aber nie um die grundsätzliche Frage gehen, ob überhaupt Fluchtursachen bestehen. Es wird nur um Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen gehen,“ so der Richter.
Zahl der Asylverfahren steigt
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat Deutschland 2017 insgesamt rund 64.000 Übernahmeersuche nach der Dublin-III-Verordnung an die Mitgliedstaaten gestellt. In rund 46.000 Fällen gab es eine Zustimmung des jeweiligen Landes.
Unterdessen ist die Zahl der Asylverfahren an den deutschen Gerichten deutlich gestiegen. Allein im ersten Halbjahr 2017 waren weit über 300.000 neue Asylverfahren bei den deutschen Verwaltungsgerichten eingegangen. Durch die gestiegene Anzahl an Verfahren steigt die Wahrscheinlichkeit das Fristen durch die Behörden versäumt werden und Deutschland dann doch für das Asylverfahren zuständig wird.
Laut „Focus“ sieht Richter Dienelt dabei weniger ein Problem beim BAMF oder bei den Gerichten – diese würden in der Mehrzahl der Fälle rechtzeitig entscheiden. „Aber wir haben ohnehin schon ein Vollzugsdefizit. Die Überstellungen in das zuständige Land erfolgen oft nicht, etwa weil bei den Ausländerbehörden die Kapazitäten nicht ausreichen. Dieses Urteil wird das weiter negativ beeinflussen.“
Im Jahr 2016 wurden nach offiziellen Angaben 25.375 Menschen aus Deutschland abgeschoben. (er)
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