Ehemalige politische DDR-Gefangene fühlen sich erneut ausgegrenzt – sie sind ein „Kollateralschaden der Geschichte“

Die politischen Gefangenen aus DDR-Zeiten leiden bis heute unter ihrer Verfolgung und fühlen sich oft erneut ausgegrenzt. "Diese Menschen haben das Gefühl, in der Gesellschaft von heute ebenfalls abgehängt zu sein und dass sich niemand mehr richtig um sie kümmert," so der Leiter der Berliner "Beratungsstelle Gegenwind für politisch Traumatisierte der SED-Diktatur".
Titelbild
Stasi-GefängnisFoto: mathess/iStock
Epoch Times9. November 2017

Die politischen Gefangenen aus DDR-Zeiten leiden nach Angaben des Leiters der Berliner „Beratungsstelle Gegenwind für politisch Traumatisierte der SED-Diktatur“, Stefan Trobisch-Lütge, bis heute unter ihrer Verfolgung und fühlen oft erneut ausgegrenzt.

„Die Mauer zwischen Ost und West ist für diese Menschen schon gefallen“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Donnerstagsausgabe) anlässlich des 28. Mauerfall-Jubiläums am 9. November.

„Aber es haben sich aus ihrer Sicht auch neue Mauern gebildet. Diese Menschen haben das Gefühl, in der Gesellschaft von heute ebenfalls abgehängt zu sein und dass sich niemand mehr richtig um sie kümmert. Sie fühlen sich gewissermaßen als Kollateralschaden der Geschichte. Das sind die neuen Mauern, die ich meine.“

Trobisch-Lütge fügte hinzu: „Viele Menschen, die zu uns kommen, haben Probleme, ihre seelischen Schäden zu verarbeiten. Teilweise verstärken sich Symptome sogar wieder. Dabei geht es oft um eine starke Selbstwertschädigung. Die Betroffenen glauben, dass es sich für sie nicht gelohnt hat, nicht stromlinienförmig gewesen zu sein, weil sie auch heute noch in einer wesentlich schlechteren Position sind als jene, die nicht im entferntesten daran gedacht haben, Widerstand zu leisten. Sie haben den Eindruck, einen Fehler gemacht zu haben.“

Vielfach kämen auch Menschen in die Beratungsstelle, „bei denen der traumatische Grund ihrer Erkrankung erst jetzt zutage tritt. Sie leiden oft seit Jahren an schweren Depressionen, an Alkohol- oder anderen Suchtproblemen, schweren Angstzuständen oder an psychosomatischen Symptomen. Und irgendwann im Laufe der traditionellen Therapie stellt sich dann heraus, dass sie in Hohenschönhausen, Rummelsburg oder Cottbus im Gefängnis saßen“, so Trobisch-Lütge.

„Sie werden dann zu uns geschickt. Diese Menschen sind extrem zeitintensiv in der Betreuung. Meist wurde ihnen von der Stasi überdies gesagt, dass sie über ihre Behandlung nicht sprechen sollten. Das wirkt teilweise nach. Und auch daran sieht man, wie weit der lange Arm der Stasi reicht. Er reicht bis heute.“

Der Beratungsstellen-Leiter forderte die Politik auf, durch die Stasi-Haft eingetretene Schäden unbürokratischer anzuerkennen. „Alles andere können die Betroffenen nicht nachvollziehen. Es verstärkt das Gefühl der Ungerechtigkeit und der neuen Mauern, von denen ich eben sprach.“ „Gegenwind“, die bundesweit einzige Beratungsstelle dieser Art, betreut wöchentlich 50 bis 60 Menschen und zählt seit Beginn der Arbeit rund 220.000 Beratungskontakte. Insgesamt saßen etwa 300.000 Menschen zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen in Haft, ein Drittel gilt als traumatisiert. (dts)



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