Große Defizite bei Grundschülern in Mathe und Deutsch: Berliner Bildungssenatorin will VERA-3 geheim halten
Die aktuellen Ergebnisse der VERA-Vergleichsarbeit bei Berliner Drittklässlern offenbaren erneut enorme Defizite was das Schreiben und Rechnen betrifft.
Drei Viertel der 24.000 Berliner Grundschüler schaffen im Bereich Rechtschreibung nicht den Regelstandard, den die Kultusministerkonferenz festsetzte.
Die Hälfte bleibt sogar unter den Mindestanforderungen, schreibt der „Tagesspiegel“ , dem die Ergebnisse der VERA-Vergleichsarbeit bereits vorliegen.
Berliner Senat wollte Ergebnisse nicht veröffentlichen
Wäre es nach der Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres gegangen, wären die Ergebnisse der VERA-Vergleichsarbeit unter Verschluss geblieben.
Doch auch diesmal pochte der Neuköllner SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrinck auf die Herausgabe von Daten aus dem Bildungsbereich. Seit Jahren sorgt Langenbrinck dafür, dass Informationen ans Licht kommen, die die Berliner Senatsverwaltung für Bildung lieber verschweigen würde. Dies betraf in der Vergangenheit auch Themen wie Schulgewalt und Schuldistanz. Der SPD-Mann macht sich mit seiner Vehemenz aber nicht nur Freunde.
Diesmal musste Langenbrinck laut „Tagesspiegel“ sogar mit dem erst kürzlich getroffenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Auskunftrechten von Abgeordneten (Az. 2 BvE 2/11) argumentieren, um Scheeres zur Herausgabe zu bewegen.
Die 24.000 Berliner Grundschüler waren 2017 in Deutsch und Mathematik geprüft worden.
Hälfte der Schüler erreicht nicht die Minimalanforderung
Wie auch 2015 erreichte knapp die Hälfte der Kinder nicht einmal die Minimalanforderung im Bereich Rechtschreibung. Ein Viertel schaffte nur den „Mindeststandard“.
Dreiviertel blieben somit unter dem „Regelstandard“, den die Kultusministerkonferenz (KMK) bis zum Ende der – bundesweit vierjährigen – Grundschulzeit festgelegt hat, schreibt der „Tagesspiegel“.
Weiter heißt es, dass wenn man nur die Kinder deutscher Herkunft nimmt, es kaum besser aussieht. Bei ihnen liegen 40 Prozent auf der schlechtesten Stufe und nur fünf Prozent schaffen den „Optimalstandard“. Was die Kinder anderer Herkunftssprachen angeht, so liegen 60 Prozent unter dem „Mindeststandard“.
Fragliche Lernmethoden
Mit ein Grund für diese Entwicklung könnten auch die Lehrmethoden zur Rechtschreibung an den Schulen in der Hauptstadt sein. An den Berliner Schulen wird größtenteils in der Schulanfangsphase die Methode „Schreiben nach Gehör“ angewendet.
Kritiker sehen hierin einen Grund dafür, dass sich das Bewusstsein für das richtige Schreiben verzögert ausprägt. Auch sehen Kritiker gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund, große Schwierigkeiten über diese Lernmethode das Schreiben zu erlernen.
Einige Bundesländer sind daher wieder zur traditionellen Vermittlung der Rechtschreibung übergegangen.
Beim Lesen sieht es etwas besser aus
Die Ergebnisse beim Lesetest sind etwas besser ausgefallen. Hier sind es immerhin noch 30 Prozent, die unter dem Mindeststandard bleiben. 18 Prozent erreichten die beste Stufe.
Im Bereich Mathematik – Größen und Messen– lag die Spitzengruppe sogar unter 10 Prozent. Hier waren es mehr als ein Drittel, die nicht einmal die einfachsten Aufgaben bewältigt bekamen. Bei den nicht deutschsprachigen Kindern sogar die Hälfte.
Ergebnis vom Vergleichstest ist besorgniserregend
Alles in allem hat sich das Gesamtergebnis verschlechtert. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Test vom Vorjahr auch andere Bereiche abfragte. 2016 wurde in Deutsch das Zuhören, in Mathe Zahlen und Operationen verglichen. Außerdem wurden 2017 die Kinder der Willkommensklassen mit ihren Flüchtlingskindern aufgelöst und Regelklassen zugeordnet, was Einfluss auf das Ergebnis hatte.
Doch auch davon abgesehen sind die Testergebnisse alarmierend und besorgniserregend. Da stellt sich die Frage, ob gerade daher die Ergebnisse nicht mehr veröffentlicht werden sollen?
Offiziell wird immer darauf verwiesen, dass die Daten hauptsächlich der Schule dienen sollen, also als ein Hilfswerkzeug zur Schulentwicklung und Verbesserung der Unterrichtsqualität.
Durch den VERA-Vergleichstest sollen Schulen besser sehen, wo die Leistung ihrer Schüler im Vergleich zu den bundesweit festgelegten Kompetenzen als auch im Vergleich zu den Parallelklassen in der eigenen Schule liegen. Außerdem können sich so Schulen mit anderen Schulen in ähnlicher sozialer Lage vergleichen.
Außerdem wird argumentiert, dass die Daten nicht geeignet seien, um die langfristige Entwicklung zu beobachten, weil jedes Jahr ein anderer Bereich abgefragt wird und die Aufgaben unterschiedlich gewichtet werden.
Besteht ein öffentliches Interesse an dem Bericht?
Doch ist der aktuelle Kompetenzstand im Vergleich mit anderen Bundesländern und Schulen im eigenen Bundesland nicht auch für die Öffentlichkeit interessant? Warum soll die Öffentlichkeit davon nichts erfahren?
Jürgen Zöllner (SPD) hat sich in seiner Zeit als Berliner Bildungssenator ganz bewusst aus Transparenzgründen für die Veröffentlichung eines Landesberichtes zu der VERA-Vergleichsarbeit eingesetzt – Brandenburg schloss sich dem an.
Allerdings kann es laut „Tagesspiegel“ sein, dass sich die KMK auf neue VERA-Richtlinien einigt. Dann würden die Daten „gegebenenfalls perspektivisch in der bisherigen Form gar nicht mehr vorliegen“, so ein Sprecher von Bildungssenatorin Sandra Scheeres.
Dann hätten nur noch das Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg (ISQ) und die Senatsverwaltung Einblick in den Bericht. Dann wäre nur für sie erkennbar, wie groß die Risikogruppe der Kinder ist, die nach vier Jahren den „Regelstandard“ wahrscheinlich nicht erreicht werden.
Politiker kritisieren die „Heimlichtuerei“
SPD-Politiker Langenbrinck fand in seiner Haltung zur Transparenz Unterstützung in der CDU-Fraktion. Die „Heimlichtuerei“ der Senatorin sei „peinlich“, kritisieren die Politiker. Es sei ein „bildungspolitischer Irrweg“, wenn Berlins Schulsenatorin die Ergebnisse „zum Staatsgeheimnis“ erkläre, so CDU-Fraktionsschef Florian Graf und die schulpolitische Sprecherin Hildegard Bentele, gegenüber dem „Tagesspiegel“.
Aus den Reihen der FDP sagte Bildungsexperte Paul Fresdorf laut „Tagesspiegel“: Das schlechte Abschneiden bei den Vergleichsarbeiten zeige deutlich, „wie groß der Scherbenhaufen ist, vor dem Frau Scheeres nach 21 Jahren sozialdemokratischer Bildungspolitik in Berlin steht.“ (er)
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