Warburgs Bürgermeister in offenem Brief: Westpol-Bericht des WDR „einseitig“

Nach dem Skandal um einen Polizei-Einsatz in einem Warburger Flüchtlingsheim hat sich der Bürgermeister der Stadt zu Wort gemeldet: In einem offenen Brief an den WDR-Intendanten Tom Buhrow kritisiert Michael Stickeln die „undifferenzierte“ Berichterstattung des Senders.
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Symbolfoto.Foto: BERND THISSEN/Getty Images
Epoch Times27. März 2016

Es geht um den Westpol-Bericht des WDR, der ein Ereignis behandelte, welches sich am 9. März in einer Warburger Flüchtlingsunterkunft zutrug und bei dem die Polizei angeblich unverhältnismäßig brutal gegen eine Syrerin und ihre Kinder vorging. Schon einen Tag nach dem Bericht gab es Aussagen in regionalen Medien, dass alles ganz anders war und die Aggression von der Frau ausgegangen sei.

Warburgs Bürgermeister Michael Stickeln möchte nun eine Erklärung des WDR: Er hatte ausführliche Interviews zum Vorfall gegeben, wurde aber auf wenige Sätze zusammengekürzt, die ihn in schlechtes Licht rückten.

„Auf die persönlichen Anfeindungen, welchen ich seit der Berichterstattung ausgesetzt bin, möchte ich an dieser Stelle gar nicht ausführlicher eingehen“, schreibt Stickeln am Ende des Briefs, der auf der Homepage der Stadt Warburg erschien. Hier die Darstellung des Bürgermeisters im Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Buhrow,

mit diesem „offenen Brief“, den ich allen regional berichtenden Presseorganen zur Verfügung stelle, verbinde ich große Hoffnungen in Sie persönlich. Denn ich spreche Sie nicht nur als den im Sinne des Presserechts formaljuristisch verantwortlichen Intendanten des Westdeutschen Rundfunks, sondern auch als den langjährigen international renommierten Nachrichtenjournalisten an, der von mir und einer breiten Öffentlichkeit wegen seiner kritisch-informierenden aber gleichsam stets objektiv-ausgewogenen Berichterstattung über lange Jahre hochgeschätzt wurde.

Der Umstand, dass diese journalistischen Basisanforderungen aus meiner Sicht von o.g. Mitarbeiterin des WDR verletzt wurden, umtreibt mich, wegen der grundsätzlichen Art und Weise in der Berichterstattung über Flüchtlinge, die ich seit längerer Zeit zum Teil beobachten muss.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es genau diese zum Teil unvollständige, in diesem Fall einseitig die Interessen von Flüchtlingen unterstützende und wesentliche Fakten weglassende Art der Berichterstattung ist, die zu gesellschaftlichen Spannungen führt und die auch in der Lage ist, öffentliche Meinungen zu manipulieren.
In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere auch an die Geschehnisse in der Silvesternacht 2015 in Köln erinnern.

Doch zunächst kurz zum Sachverhalt hier vor Ort, wie er sich – ohne jede Wertung – am heutigen Tage für mich darstellt. Nachdem meine Verwaltung Beschwerden einer syrischen Flüchtlingsmutter über sexuelle Belästigungen ihr selbst und einem ihrer Kinder gegenüber erreichten, haben wir zum Schutze der Betroffenen entschieden, die Familie vorsorglich in eine andere Unterkunft zu verlegen, da in der neuen Unterkunft fast ausschließlich aus Syrien stammende Flüchtlinge untergebracht sind und wir uns so für die Familie einen friedlichen Aufenthalt erhofften. Im Zuge dieses neuen Unterkunftskonzeptes sind bis dato übrigens über 70 Personen umgezogen. Da die syrische Familie sich jedoch den Mitarbeitern der Hansestadt Warburg gegenüber massiv weigerte umzuziehen, haben wir die Polizei in Warburg um Unterstützung im Rahmen der sogen. „Vollzugshilfe“ gebeten. Bei der anschließenden Umsetzung durch die Polizei kam es zu Auseinandersetzungen.
Die Polizei musste daher unmittelbaren Zwang ausüben, um die Familie in die vorgesehene neue Unterkunft verbringen zu können.
Teile dieser polizeilichen Maßnahmen sind von Dritten mit Hilfe von Handy-Videos festgehalten worden, die an die WDR-Mitarbeiterin, Frau El Moussaoui, weitergegeben worden sind. Frau El Moussaoui hat daraufhin mit mir und 2 weiteren Mitarbeitern der Stadtverwaltung (Herrn I. Beigeordneten Braun und Herrn Fachbereichsleiter Scholle) in rd. drei Stunden Interviews bzw. Gespräche geführt, in denen der Sachverhalt und die Beweggründe der Stadt ausführlich erläutert wurden.
Aufgrund der Berichterstattung vom Sonntag, dem 20.03.2016, im WDR-Fernsehen in der Sendung „Westpol“, die sich im Ergebnis für einen öffentlich-rechtlichen Sender als – aus meiner Sicht – einseitig darstellt, muss ich folgende Fragen an Sie über diesen Brief öffentlich machen:

•    Warum hat die Mitarbeiterin des WDR, Frau Najima El Moussaoui, die umfangreichen Informationen, die wir ihr in rd. drei Stunden Interviews insbesondere über das gemeinsam mit der Flüchtlingsinitiative, der Sozialarbeiterin und der Polizei erstellte Unterbringungskonzept gegeben haben, vollständig weggelassen?

•    Warum reduziert sie mein unter Zeugen nahezu einstündig geführtes und vollständig gefilmtes Interview, in dem ich ihr mehrfach und sachlich in vollkommener Ruhe unsere Beweggründe für das neue Unterbringungskonzept erläuterte, lediglich auf meine Aussage, dass ich das mir erstmals im Interview während laufender Kamera, vielleicht nur ausschnittweise, vorgestellte Handy-Video nicht kommentieren möchte?
Dieses Verhalten meinerseits halte ich nachdrücklich für richtig, da ich mir ein Urteil in dieser spontanen Situation aufgrund fehlender umfangreicher und objektiver Informationen nicht bilden konnte.

•    Warum suggeriert man im Bericht unterschwellig, dass ich in der vom Landrat des Kreises Höxter am Freitag, dem 18.03.2016, kurzfristig einberufenen Pressekonferenz „lediglich“ meinen allgemeinen Vertreter, Herrn I. Beigeordneten Braun, entsende, dass ich mich vor der Pressekonferenz „drücken“ wollte.
Tatsächlich hätte man in Erfahrung bringen können, dass ich auf einer Beerdigung eines Freundes der Familie in meinem Heimatort anwesend war.

•    Nur einen Tag nach der WDR-Berichterstattung in der Sendung „Westpol“ tauchen Pressartikel in der „Neuen Westfälischen Zeitung“ auf, in der von einer ehrenamtlichen Warburger Flüchtlingshelferin berichtet wird. Die Aussage dieser freiwilligen Helferin lässt das Verhalten der o.g. syrischen Flüchtlingsfamilie in einem völlig neuen Licht erscheinen, der die WDR-Berichterstattung gleichsam auf den Kopf stellt. Die Flüchtlingshelferin erklärt, dass die syrische Flüchtlingsmutter, die zusammen mit ihren Kindern erst seit einigen Wochen in Warburg weilt, in ein „eigenes Haus“ umziehen wollte und hierzu einen sexuellen Missbrauch in der Zentralunterkunft vorgetäuscht hat. Beim Eintreffen der Polizei habe die Mutter ihre Kinder aufgefordert, sich mit Tritten und Bissen gegen die Polizei zur Wehr zu setzen und auch selbst zugebissen. Demnach hätten Augenzeugen berichtet, dass die Frau ihre eigenen Kinder regelmäßig schlägt.
Vor diesem neuen Hintergrund drängen sich Fragen auf: Wusste Frau El Moussaoui vom WDR von der Aussage der Warburger Flüchtlingshelferin und wenn ja, warum hat sie auch diese Information weggelassen. Muss hier gar befürchtet werden, dass dieser syrischen Flüchtlingsmutter mehr geglaubt wird als einer ehrenamtlichen Flüchtlingshelferin?

•    Wenn Frau El Moussaoui von den Aussagen der freiwilligen Helferin keine Kenntnis hatte, wie ist es dann möglich, dass die Presse bereits nur einen Tag nach der WDR-Berichterstattung davon berichtet? Warum dieser Zeitdruck bei der Berichterstattung durch Frau El Moussaoui und diese zwangsläufig entstehende oberflächliche Recherchearbeit hier vor Ort?

•    Wenn Frau El Moussaoui von der Aussage der Flüchtlingshelferin wusste, drängt sich hier nicht auch zwangsläufig die Frage auf, ob Frau El Moussaoui wirklich unabhängig von äußeren Einflüssen agiert?

•    Ist es nicht so, dass alle Flüchtlinge – unabhängig von Herkunft und Asylstatus – in gleichem Maße zunächst als Asylsuchende anzusehen sind und die unterbringende Kommune selbstständig über den Ort und die Art und Weise der Unterbringung im Rahmen ihrer (begrenzten) Möglichkeiten bestimmen kann?

Sollte man nicht den Menschen, die sich ehren- wie hauptamtlich in dieser für unsere Gesellschaft so extrem herausfordernde Zeit für Flüchtlinge und ein friedvolles Zusammenleben vor Ort und in der Gesellschaft engagieren, zunächst einmal auch in den Medien zumindest unvoreingenommen, besser noch objektiv gegenübertreten.

•    Ist Frau El Moussaoui bewusst, welche Demotivierung und auch vorverurteilende Anfeindungen Polizeibeamte aufgrund einer solch undifferenzierten Berichterstattung erleiden müssen?
Auf die persönlichen Anfeindungen, welchen ich seit der Berichterstattung ausgesetzt bin, möchte ich an dieser Stelle gar nicht ausführlicher eingehen.

Warburgs Bürgermeister Michael Stickeln (CDU) will den WDR-Bericht nicht einfach so stehen lassen.Warburgs Bürgermeister Michael Stickeln (CDU) will den WDR-Bericht nicht einfach so stehen lassen.Foto: Facebook / Michael STickeln

Ich denke, der einfache Hinweis auf die natürlich vorhandene Pressefreiheit dürfte dem Anspruch eines öffentlich rechtlichen Senders nicht gerecht werden. Von diesem erwarte ich eine differenziert recherchierte Berichterstattung.

Ich würde mich freuen, sehr geehrter Herr Buhrow, wenn Sie sich meiner hier vorgetragenen Sorgen annehmen würden und sehe schon jetzt hoffnungsvoll Ihrer Antwort entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Stickeln“



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