Dieselauto-Krise in Deutschland: Gebrauchte Diesel-Pkw werden zunehmend nach Osteuropa verkauft

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten für Dieselautos löst viel Kritik aus. Der Städte- und Gemeindebund sieht nach dem Urteil eine Prozessflut auf Kommunen und Autobauer zukommen.
Epoch Times28. Februar 2018

+++ Newsticker +++

Angesichts der Diskussion über Fahrverbote für Dieselautos in Deutschland werden mehr ältere Pkw ins Ausland verkauft. Die Zahl stieg von rund 197.000 im Jahr 2016 um gut 18 Prozent auf 233.000 im Jahr 2017, wie die „Wirtschaftswoche“ am Donnerstag unter Berufung auf die Außenhandelsstatistik berichtete. Besonders zugenommen haben demnach die Verkäufe nach Osteuropa.

Die Ausfuhr alter Diesel-Pkw in die Ukraine verdoppelte sich im vergangenen Jahr demnach auf 16.000 Wagen. Auch die Verkäufe nach Albanien, Kosovo, Rumänien, Slowenien, in die Slowakei und nach Tschechien stiegen. Die Zahl der ins Ausland verkauften Benziner verringerte sich leicht von 178.000 auf 176.000.

Dobrindt hält Blaue Plakette für „völlig falschen Weg“

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat sich in der Debatte über Dieselfahrzeuge gegen die Blaue Plakette ausgesprochen: „Eine Blaue Plakette ist keine Lösung, sondern schiebt den schwarzen Peter nur den Autofahrern zu“, sagte Dobrindt der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). Die Blaue Plakette bedeute flächendeckende Fahrverbote. „Das ist politisch der völlig falsche Weg. Wir brauchen als wirksame Maßnahmen die Umrüstung von Bussen, Taxen und städtischen Flotten auf alternative Antriebe vor Ort.“

Hier hätten einige betroffene Kommunen erheblichen Nachholbedarf, sagte Dobrindt und verwies auf die Fördermittel des Bundes. Es sei wirkungsvoller, Fahrzeuge, die sich tagtäglich in der Stadt bewegten, emissionsfrei zu machen, als dem Dieselfahrer vom Land, der einmal im Monat in die Stadt fahre, die Einfahrt zu verweigern.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert Blauen Plakette

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat sich nach dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für die bundesweite Einführung einer Blauen Plakette ausgesprochen.

Ein Flickenteppich an Schildern und Verboten würde die Autofahrer total verwirren. Deshalb brauchen wir auf jeden Fall eine bundeseinheitliche Lösung“, sagte die Leiterin des Bereichs Mobilität beim VZBV, Marion Jungbluth, dem „Handelsblatt“ (Donnerstagsausgabe).

„Wichtig ist, dass Verbraucher leicht erkennen können, ob und wo sie fahren dürfen.“ Eine entsprechende Kennzeichnung könne dabei helfen.

Als überfällig bezeichnete die Verkehrsexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, die Einführung eine Blauen Plakette. „Sie würde für eine bundesweit einheitliche Regelung sorgen, damit die Emissionsgrenzwerte in allen Städten und Kommunen eingehalten werden“, sagte Kemfert dem „Handelsblatt“. Zudem forderte sie, die Dieselsteuer zu erhöhen.

Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen von bis zu sieben Milliarden Euro sollte der ÖPNV verbessert und die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden.“

Eine Quote für neu zugelassene Elektroautos von mindestens 25 Prozent ab 2025 könne zusätzlich einen Anreiz geben, die Fahrzeugflotten umwelt- und klimaschonender zu machen, erklärte Kemfert.

Die DIW-Expertin sieht zudem die Autoindustrie in der Pflicht, für Diesel-Nachrüstungen aufzukommen. „Sie sind Verursacher des Problems und müssen dafür Sorge und auch die Kosten tragen, damit die Fahrzeuge die Umweltauflagen einhalten“, sagte Kemfert. Die Politik müsse in dieser Hinsicht den Druck auf die Autobauer erhöhen.

Das sieht auch der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, so. „Was die Autoindustrie angeht, sollte sie dann, wenn beim Verkauf der Autos falsche Angaben über Emissionen gemacht wurden, selbstverständlich zu Schadensersatz herangezogen werden“, sagte Fuest der Zeitung.

Kemfert ergänzte, Dieselkunden dürften nicht die Leidtragenden sein, denn sie hätten ein Fahrzeug „in treuem Glauben erworben“, dass die Umweltschutzauflagen eingehalten würden.

Von den Autobauern forderte sie in diesem Zusammenhang, nur noch Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, „die jegliche Stickoxid-, Feinstaub- und Klimaschutzgrenzwerte einhalten, damit teure Nachrüstungen künftig entfallen“.

Zwischen Union und SPD gibt es unterdessen Streit darüber, wie man auf das Urteil aus Leipzig reagieren soll. Die Union hält die Einführung einer Blauen Plakette für den falschen Ansatz. „Generelle Fahrverbote und die Einführung einer Blauen Plakette lehnen wir ab“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Daniela Ludwig (CSU), am Mittwoch.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte sich zuvor für die Einführung einer Blauen Plakette ausgesprochen, falls es tatsächlich zu Fahrverboten kommen sollte.

AfD zu Diesel-Urteil: „Ideologiebetriebene Politik gängelt Autofahrer“

Zum Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes erklärt der verkehrspolitische Sprecher der AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft Detlef Ehlebracht:

Das Bundesverwaltungsgerichtsurteil ist die Quittung für die verfehlte Verkehrs- und Umweltpolitik der letzten 25 Jahre. Es zeigt eindrucksvoll, dass die einseitige steuerliche Förderung des Diesels aus Klimaschutzgründen ein Fehler war, denn die erheblichen sonstigen Emissionen wurden einfach ausgeblendet.

„Der Dieselfahrzeugverkehr wird sich in andere Straßen verlagern und dort den Schadstoffausstoß erhöhen. In der Summe werden durch die Umwege eher mehr als weniger Immissionen entstehen. Auf jeden Fall aber werden alle Eigner von Dieselfahrzeugen der Schadstoffklassen Euro1 bis 5 mit verfallenden Gebrauchtwagenpreisen zu kämpfen haben, das kommt einer Enteignung gleich. Gewerbetreibende werden Schwierigkeiten haben, ihre Kunden zu erreichen.“

AfD-Politiker Volker Schnurrbusch erklärt:

„Dass Kommunen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge aussprechen, muss auch nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die absolute Ausnahme bleiben. Denn die Nachteile für die betroffenen Gemeinden, die dort ansässigen Unternehmen, Lieferfirmen und Dienstleister wären enorm – ebenso wie für die dortigen Berufspendler.

Kommunen wie etwa die Landeshauptstadt Kiel, bei denen Stickoxid-Grenzwertüber-schreitungen sich auf wenige hundert Meter lange Straßenzüge beschränken, sollten deshalb weiterhin alles versuchen, um Fahrverbote zu vermeiden und anderen Maßnahmen zur Luftverbesserung den Vorrang zu geben. Hierzu zählen insbesondere geänderte Verkehrsführungen und bauliche Veränderungen wie etwa spezielle Asphaltbeläge, Trennwände und auch Ventilatoren. So ließen sich die Stickoxid-Werte an vielen Stellen, wie etwa dem Theodor-Heuss-Ring in Kiel, in den betreffenden Bereichen auf die zulässigen Grenzwerte absenken.

Fahrverbote hätten hingegen für die betroffenen Städte – gerade für Kiel – massive Nachteile: Zahllose Pendler könnten nicht mehr mit ihrem Auto zur Arbeit kommen, und viele Unternehmen, Lieferfirmen und Dienstleister, die hier zuhause sind, würden in ihrer unternehmerischen Freiheit maximal beschnitten. In Kiel wären außerdem auch Touristen betroffen, die von hier eine Seereise starten möchten. All das gilt es auch in Zukunft zu verhindern.“

Beim Verstoß gegen Fahrverbote kommt es auf die Beschilderung an

Fahrverbote in bestimmten Innenstädten werden kommen. Voran geht Hamburg, das ab Ende April zwei Straßenabschnitte für bestimmte Dieselautos sperren will. Unklar ist noch, mit welchen Schildern die Verbotszonen den Dieselfahrern angezeigt werden sollen. Wer die Beschilderung ignoriert und erwischt wird, muss zahlen – je nach Beschilderung kann das unterschiedlich teuer werden.

Hamburg hat sich eine Kombination aus dem Verkehrszeichen 251 (ein Auto in einem roten Kreis) und dem Zusatz „Diesel bis Euro 6“ ausgesucht. Das bedeutet, dass Dieselfahrzeuge bis einschließlich Euro 5 von dem Fahrverbot betroffen sind. Allerdings weist ein Sprecher des Umweltsenats darauf hin, dass derzeit noch unklar sei, ob das Verbot vorläufig nur für Autos mit Euro 4 und niedriger gelten darf.

In jedem Fall soll das Verbot durch das Zusatzschild „Anlieger frei“ eingeschränkt werden. Das bedeutet, dass auch Halter älterer Diesel einfahren dürfen, wenn sie in der Verbotszone wohnen, arbeiten, geschäftlich zu tun haben oder jemanden besuchen. Wer keinen solchen Grund nachweisen kann und erwischt wird, muss 25 Euro Bußgeld zahlen.

Sollte sich die künftige Bundesregierung dazu entschließen, bundesweit eine Blaue Plakette für Dieselautos einzuführen, würden dafür die Umweltzonen-Schilder (Verkehrszeichen 270) um ein Zusatzschild mit blauer Plakette ergänzt. Das bedeutet, dass nur noch Fahrzeuge mit dieser Plakette einfahren dürfen. Wer keine Plakette hat, dem drohen 80 Euro Bußgeld. Wenn die Behörde beweisen kann, dass der Fahrer vorsätzlich gegen das Verbot verstoßen hat, muss er sogar 160 Euro zahlen.

Autoindustrie durch Diesel-Urteil unter Druck

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten für Dieselautos erhöht den Druck auf die Automobilindustrie. Um das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, müsste die Industrie kurzfristig „sinnvolle“ Pakete für eine Hardware-Nachrüstung von Euro-5-Fahrzeugen anbieten, forderte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) am Dienstag. Hierbei müssten die Kosten so aufgeteilt werden, dass sie am Ende nicht vornehmlich von Dieselfahrern bezahlt werden müssten.

Die Autoindustrie hält unterdessen an ihrer Linie fest und macht keine Zusagen für Hardware-Nachrüstungen. Stattdessen werde sich das Problem mittelfristig von selber lösen, wenn die Autofahrer moderne schadstoffarme Dieselautos kaufen, erklärte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie, Matthias Wissmann. Zusätzlich würden Software-Updates und besseres Verkehrsmanagement die Stickoxid-Werte senken.

Autoexperte Bratzel lässt das nicht gelten: ‚Als Folgeeffekt des Urteils dürfte die Dieselnachfrage aufgrund der bestehenden Verunsicherung der Konsumenten weiter sinken“, erklärte er.

Das könnte auch die Autohersteller teuer zu stehen kommen. Denn wegen der höheren Kohlendioxid-Emissionen von Benzinern könnten sie die CO2-Grenzwerte der EU für 2021 nun schwerer einhalten. Die Folge könnten Strafzahlungen sein.

Maas fordert Entlastung von Autofahrern bei Nachrüstung von Dieselautos

Nach dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat der für Verbraucherschutz zuständige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Entlastung der Autofahrer bei technischen Nachrüstungen gefordert. Die Autofahrer dürften „nicht die Zeche zahlen für das Versagen der Autobranche“, sagte Maas der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe). „Wir erwarten von der Automobilindustrie, dass sie Euro 5- und Euro 6-Fahrzeuge technisch nachrüstet“, sagte Maas.

Alleinige Software-Updates reichten nicht aus, sagte Maas. Die Kosten für notwendige Nachrüstungen dürften aber nicht an den Käufern hängenbleiben.

Maas betonte, er könne die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht kommentieren. Unabhängig davon sei aber klar, dass die  Automobilindustrie in der Pflicht sei, Schadstoffe zu reduzieren und die Umwelt zu entlasten – „und zwar schnell, gesetzestreu, technisch sauber und transparent nachvollziehbar“, forderte der SPD-Politiker. Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung müssten eingehalten werden. Pauschale Fahrverbote gingen am Ende zu Lasten der Autofahrer und der Wirtschaft, kritisierte er.

Kommunen warnen nach Diesel-Urteil vor Prozessflut

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsbergs, sagte der „Rheinischen Post“, er sehe nach dem Urteil eine Prozessflut auf Kommunen und Autobauer zukommen. Es bestehe nicht nur „die Gefahr einer ‚Mammut-Fahrverbotsbürokratie'“, sagte Landsberg. Es sei auch eine Prozessflut zu befürchten, mit der sich betroffene Dieselfahrzeugbesitzer, „aber auch Anlieger von Straßen, die dann unter dem Umwegeverkehr leiden,“ zur Wehr setzen würden.

Gerade weil das oberste Verwaltungsgericht die Verhältnismäßigkeit und die Fahrverbote als allerletztes Mittel hervorgehoben hat, ist eine solche Entwicklung gut vorstellbar“, sagte Landsberg.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am Dienstag geurteilt, dass Städte zur Senkung der Stickoxid-Belastung grundsätzlich Fahrverbote für Dieselautos verhängen dürfen. Dazu sei keine bundeseinheitliche Regelung nötig. Allerdings verwiesen die Richter ausdrücklich darauf, dass bei Fahrverboten die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss und es auch Ausnahmen etwa für Handwerker geben muss.

Nach Diesel-Urteil: SPD fordert höhere Umtauschprämien

Nach dem Urteil zur Rechtmäßigkeit von Fahrverboten fordert die SPD-Fraktion eine Erhöhung der Umtauschprämien für alte Dieselautos. Die von den Herstellern gezahlten Kaufprämien für Neufahrzeuge müssten von den Unternehmen erhöht werden, da sich viele Besitzer älterer Fahrzeuge ansonsten keinen Neuwagen leisten könnten. Das ist in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief der Fraktion zu lesen.

Bislang bieten VW, Daimler, BMW und Ford bis zu 10.000 Euro Prämie, wenn man sich für einen Neuwagen entscheidet. (dts/dpa/afp)



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