25. April: Erinnerungen an die stillen Proteste vor Zhongnanhai
An diesem Tag vor 24 Jahren – am 25. April 1999 – versammelten sich rund 10.000 Falun-Gong-Praktizierende in der chinesischen Hauptstadt nahe dem Regierungsviertel Zhongnanhai zu einem friedlichen und stillen Appell. Sie wollten bei der Zentralregierung Fürbitte leisten und Petitionen abgeben. Sie ahnten noch nicht, dass sie Zeuge eines Ereignisses waren, das am Anfang einer brutalen und bis heute andauernden Verfolgung in China stehen sollte.
23. April 2023 – Eine Parade in New York
Eine chinesische Parade ist auch für das bunte New York ein Ereignis. Chinesische Kostüme, Trommelgruppen und eine große traditionelle Drachenfigur mit langem Schwanz, die von einer Gruppe Akteure getragen, im Rhythmus der Trommeln hoch und runter und hin und her durch die Straße „fliegt“.
4.000 Menschen nahmen am 23. April an dieser Parade im Stadtteil Flushing im Bezirk Queens von New York City teil, die an ein historisches Ereignis vor 24 Jahren in China erinnern wollten und vom Regime ein Ende der Verfolgung der spirituellen Praxis forderten.
„Lasst meine Mutter frei“
Unter den Teilnehmern in New York waren auch Wang Shanshan und ihre noch junge Tochter. Vor gut einem Jahrzehnt flüchtete die Chinesin aus ihrem Heimatland vor der Verfolgung ihres Glaubens – und auch, um ihr Baby zu behalten, das sonst unter der Ein-Kind-Politik des Regimes nicht zugelassen worden wäre, berichtet die Epoch Times USA.
Auf der New Yorker Parade trug sie ein Plakat, auf dem sie um Hilfe bat, für ihre Mutter Liu Aihua. Elf Verhaftungen hatte Frau Liu in China bereits überlebt, acht Jahre in verschiedenen Haftanstalten. Im März 2022 war die alte Dame zu weiteren vier Jahren Gefängnis verurteilt worden – wegen ihres Glaubens an Falun Gong. Ihr Ehemann, Wang Guanghui, war bereits im Jahr 2009 gestorben, an den gesundheitlichen Folgen der Folterung während seiner Haftzeit – eingekerkert, ebenfalls wegen seines Glaubens.
Tränen in einem Schrank
Dieser Tage sprach die US-Epoch Times mit einem weiteren Familienmitglied von Wang Shanshan. „In meiner Familie bin ich immer der Letzte, der es erfährt“, erklärte Steven Wang zur Verhaftung seiner Mutter. Der heute 36-jährige professionelle Tänzer und US-Bürger aus dem Bundesstaat New York verließ China vor 15 Jahren im Jahr 2008. Damals hatte er bereits zwölf Jahre klassischen chinesischen Tanz trainiert und wollte sich in New York der Tanzkompanie Shen Yun Performing Arts anschließen, die versucht, Chinas 5.000 Jahre alte und vom Regime fast vollständig zerstörte traditionelle Kultur wiederzubeleben.
Steven Wang erinnerte sich auch noch sehr genau an jenen Telefonanruf vom November 2009, als er vom Tod seines Vaters erfuhr. Er habe sich in einem Schrank versteckt und mehr als eine Stunde lang geweint. Er habe sich gefühlt, als sei „der Himmel eingestürzt“. Nie wieder würde er die vertraute Stimme seines Vaters hören, seine sanfte Kritik und seine Ermutigungen, das Leben in eine bessere Richtung zu lenken – ohne Verfolgung durch die Kommunisten.
„Etwas, das ich nur im Fernsehen gesehen hatte, passierte plötzlich mit mir, und plötzlich war eine Säule in meinem Leben weg.“ Durch seinen Glauben und hartes sportliches und tänzerisches Training verarbeitete Steven Wang damals den Verlust seines Vaters. Und er hatte nur einen Monat Zeit, denn mit Beginn des Jahres 2010 sollte er auf der Welttournee von Shen Yun dabei sein.
Eine der Rollen, die Steven Wang auf der Tournee 2010 spielte, war die eines Vaters, dessen Tochter von der chinesischen Polizei zu Tode geprügelt wurde, weil sie sich geweigert hatte, ihren Glauben an Falun Gong aufzugeben. Wang blieb eine Szene der Geschichte besonders in Erinnerung. Kurz bevor der Terror über die Familie kommt, hält der Vater das Mädchen noch in den Armen und streichelt ihr über das Haar. Die Szene erinnerte Wang an seine eigene Kindheit, als sein Vater ihn auf den Schultern getragen hatte. „Es fühlte sich so glückselig an, so sicher“, sagte Wang.
Wie Wangs Familie erging es vielen Familien in China seit Beginn der Verfolgung von Falun Gong am 20. Juli 1999. Mittlerweile fordern schon seit fast 24 Jahren Falun-Gong-Praktizierende auf der ganzen Welt mit Kerzenlichtmahnwachen, Protestumzügen oder Paraden wie in New York, diese grausame Verfolgung in China zu beenden – stets friedlich, wie schon am 25. April 1999 in Zhongnanhai in Peking. Dabei hat der Lauf der Ereignisse schon einige Tage zuvor begonnen – in Tianjin.
Das Tianjin-Ereignis 1999
Denn wenige Tage vor dem 25. April ereignete sich in der rund 120 Kilometer von Peking entfernten Stadt Tianjin Folgendes: Der Physiker He Zuoxiu veröffentlichte in einer Zeitschrift der Universität Tianjin einen Bericht über Qigong und Falun Gong mit falschen Behauptungen. He ist aber nicht nur Wissenschaftler, sondern auch der Schwager von Luo Gan, dem damaligen Generalsekretär des Komitees für Politik und Recht der Kommunistischen Partei und späteren Chef des Büros 610 – einer der Gestapo ähnlichen Geheimbehörde zur Verfolgung von Falun Gong.
Nach der Veröffentlichung des Artikels demonstrierten rund 5.000 Falun-Gong-Praktizierende am 22. April friedlich vor dem Zeitungsbüro und forderten die Richtigstellung der Tatsachen. 300 Bereitschaftspolizisten rückten an und prügelten auf die herumsitzenden Menschen ein. 45 Personen wurden verhaftet. Als andere um die Freilassung der Verhafteten ersuchten, wurden sie von der Tianjin-Polizei an die Zentralregierung in Peking verwiesen.
Denn in Peking wurden sie bereits von der Polizei und Armee erwartet und vom Petitionsbüro direkt zum Regierungssitz Zhongnanhai umgeleitet. So kam es zu dem inszenierten Auflauf auf der Fuyou-Straße vor dem Regierungsviertel Zhongnanhai. Die Falle hätte durchaus tödlich zuschnappen können. Doch die Falun-Gong-Praktizierenden saßen oder standen nur still auf dem Gehweg herum.
Der US-Autor und China-Analytiker Ethan Gutmann erklärte in seinem Bericht „Ein Vorfall in der Fuyou Street“ von 2009, dass am Tor der Verbotenen Stadt schon die Truppen mit aufgesetzten Bajonetten gewartet hätten, um loszuschlagen. Doch die ganzen 16 Stunden des stillen Protests habe es keinerlei Provokationen durch die wartenden Menschen gegeben.
25. April 1999 – Premierminister verspricht Hilfe
Der damalige Premierminister Zhu Rongji erklärte sich bereit, fünf Vertreter von Falun Gong zu empfangen. Während des Gesprächs erklärten die Praktizierenden, dass sie nur ihre Meditationsübungen in Frieden machen und sich im Leben nach den Prinzipien Wahrhaftigkeit, Gutherzigkeit und Nachsicht richten wollen. Sie schilderten, wie die Polizei in Tianjin sie behandelt hatte.
Der Regierungschef sicherte ihnen zu, die Misshandlungen und Verhaftungen in Tianjin untersuchen zu lassen. Gleichwohl sicherte er den Falun-Gong-Praktizierenden das Recht zu, ungestört ihre Praxis ausüben zu können. Die Menschen gingen daraufhin wieder ruhig nach Hause. Doch Zhu Rongji konnte seine Sicht der Dinge und seine Versprechen nicht gegen den zu dieser Zeit herrschenden Staats- und Parteichef Jiang Zemin durchsetzen.
Das Zhongnanhai-Ereignis wurde später von der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) als „Belagerung des Regierungsviertels“ dargestellt. Damit begründete Jiang Zemin auch die am 20. Juli 1999 gestartete Verfolgung von Falun Gong. Hunderttausende Menschen wurden seither verhaftet, gefoltert, zu Zwangsarbeit verurteilt oder ermordet. Schon seit vielen Jahren besteht der dringende Verdacht, dass vor allem Falun-Gong-Praktizierende, aber auch andere verfolgte Menschen in China, Opfer einer lukrativen Organraub-Industrie des KPC-Systems geworden seien.
Ein Zeitzeuge aus Deutschland
Chen Gang, ein in München lebender Chinese, erinnerte sich gegenüber der chinesischsprachigen Epoch Times an ein Ereignis aus seiner Studentenzeit. Am 4. Juni 1989 wurde in Peking die Hoffnung der Studenten auf Demokratie und Freiheit im Kugelhagel der Volksbefreiungsarmee und unter den Ketten ihrer Panzer blutig begraben. Das Ereignis ging als Tian’anmen-Massaker in die Geschichte ein. An jenem Sonntag vor mehr als 33 Jahren hat Herr Chen bei der Rettung verletzter Studenten geholfen und sie ins Krankenhaus gebracht. Viele blutige Szenen hat er mit eigenen Augen gesehen, doch später leugnete das kommunistische Regime das Verbrechen an der eigenen Bevölkerung.
Als Chen Gang rund zehn Jahre später – am 25. April 1999 – erfuhr, dass viele Menschen nach Peking gekommen waren, um eine Petition einzureichen für ihr Recht, Falun Gong zu üben, hatte er das Gefühl, dass es sich um ein historisches Ereignis handeln müsse. Er war einerseits besorgt, weil er früher erlebt hatte, wie gnadenlos die Kommunistische Partei handeln konnte, andererseits bewunderte er die vielen Menschen, die gekommen waren, für ihren Mut. Zu diesem Zeitpunkt praktizierte Chen Gang bereits Falun Gong. Er praktiziert diese Meditationspraxis immer noch und geht manchmal zum Falun-Gong-Infotag auf dem Marienplatz und zeigte dort die sanften Übungen. Inzwischen praktizieren Menschen in mehr als hundert Ländern auf der Welt Falun Gong. In China wird es immer noch verboten.
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