„Mantras to go“: Nicht alles Esoterische ist wirklich von Nutzen

Warum spirituelle Anleitungen oft missverstanden, missbraucht und irreführend sein können, erklärt die Psychotherapeutin Nancy Colier. Sie versucht aufzuklären, dass nicht alles, was sich als spirituell ausgibt auch wirklich Sinn macht und warum es meistens besser ist, sich der Realität zu stellen.
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Yogis machen Atemübungen.Foto: EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images
Epoch Times30. Juni 2017

Nancy Colier ist Psychotherapeutin, interreligiöse Vermittlerin, Autorin, Rednerin und Werkstattleiterin. Sie versucht aufzuklären, dass nicht alles, was sich als spirituell ausgibt auch wirklich Sinn macht und nicht für jedes Problem helfen kann.

Gerne werden in der Esoterik mantraartig allgemeine Behauptungen ausgesprochen wie z.B: „Dein Leben ist perfekt genau so, wie es ist.“ Stellen Sie sich vor, das jemandem zu sagen, dessen Kind gerade bei einem Terroranschlag getötet wurde. Oder: „Du hast schon alles, was du brauchst.“ Sagen Sie das jemanden, der unter einer schweren Krankheit leidet oder eine Trennung oder Scheidung durchmacht.

„Nur du kannst dich glücklich oder unglücklich machen.“ Sagen Sie das jemanden, der von einem Schicksalsschlag zum nächsten sein Leben meistern muss. Was soll diese Person denken?

Nancy Colier hat mehrere Bücher über Achtsamkeit und persönliches Wachstum verfasst. Sie ist für individuelle Psychotherapie, Achtsamkeitstraining, spirituelle Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Workshops verfügbar und arbeitet auch mit Kunden über Skype rund um die Welt.

Lisa, eine ihrer Klienten, lebte in einer sehr unglücklichen Beziehung, als sie kam, um sich letztendlich Rat zu holen. Sie berichtete, dass sie natürlich wusste, dass sie schon alles hatte, was sie brauchte, um eigentlich glücklich zu sein. Also glaubte sie, an sich selbst arbeiten zu müssen, denn wenn sie unglücklich und unzufrieden mit ihrem Partner war, suchte sie nur bei sich die Schuld.

Ein anderer Klient, Peter, ist ein erfahrener Meditierender. Er fühlt sich von den politischen Ereignissen in der Welt dermaßen verunsichert und aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht, dass ihm auch keine Meditation mehr half. Im Gespräch drückte er sich wütend und ängstlich aus. Gleichzeitig war er sich sicher, dass sich die Welt genau so entwickelt hatte, wie es sein musste. Und so war es am besten, nicht böse zu sein oder zu kämpfen für das, was er glaubte, sondern vielmehr nur darauf zu vertrauen, dass alles genau so ist, wie es sein sollte – auch wenn er es nicht mag, oder dachte, dass etwas völlig falsch war

Mantras to go!

Seit vielen Jahren war auch Nancy von den platten Attitüden wie „Sie haben alles, was Sie brauchen, um glücklich zu sein“ -Mantras verwirrt. Auch sie gab sich selbst die Schuld dafür, „dass ich irgend etwas, außerhalb von mir selbst, für ein Gefühl des Wohlbefindens benötige. Ich sollte in der Lage sein, mich freudig zu fühlen, ungeachtet meines Lebensinhaltes. Enttäuschung und Begierde, so dachte ich, wäre nichts echtes Spirituelles.“

Spirituelle Wahrheiten, wie die, die Nancy erwähnt hat, werden gerne in Yogakursen, in sozialen Netzwerken, an der Bar, in lässigem Gespräch – einfach überall – so klischeehaft daher gesagt. Damit werden diese Mantras in Plattitüden verwandelt, die missverstanden und missbraucht werden. Was besonders unangenehm ist, ist die Tatsache, dass solche Slogans mittlerweile eine Allgemeingültigkeit besitzen und dann verwendet werden, um uns permanent eine Schuld zuzuweisen. Am Ende verhindern sie uns, wirklich konstruktive Veränderungen in unserem Leben anzugehen.

Sich traurig, wütend, frustriert oder verwirrt zu fühlen, ist vollkommen vernünftig, wenn das Leben nicht so verläuft, wie wir es eigentlich wollen. Sie fühlen Schmerzen, wenn schlechte Dinge passieren? So ist es halt. Wenn Sie verändern wollen, was nicht funktioniert, so ist das ein Teil der Selbstpflege und Vernunft. Die Menschen benutzen oft das „Leben ist perfekt – Mantra“ als eine Form der spirituellen Umgehung; das heißt, sie versuchen damit die Gefühle des Leidens und der Unsicherheit zu vermeiden, die auftreten würden, wenn wir uns denn klar den realen Fakten aussetzen würden.

Stelle dich der Wahrheit!

Wir existieren sowohl auf relativer als auch auf absoluter Ebene. Auf einer relativen Ebene sind wir von unserer Lebenssituation betroffen und beeinflusst. Wir fühlen uns besser, wenn wir soziale Verbindungen, finanzielle Sicherheiten genießen können und gesund sind. Besser, als wenn wir isoliert, arm und krank wären. Wir wollen, dass unser Leben Aspekte enthält, die uns gut tun. Das ist der menschliche Zustand.

Auf einer absoluten Ebene gibt es die Perfektion in dem, was ist, einfach weil es die Wahrheit ist. Es ist die Art und Weise, wie sich das Leben im Augenblick manifestiert. Aus einer absoluten Perspektive haben wir schon das, was wir brauchen, denn unser Friede liegt in uns und nicht in allem, was wir nach außen erreichen können. Unser tiefstes Wohlergehen entsteht aus dem Wissen, dass wir nicht unsere gegenwärtige Situation sind – oder die Gedanken und Gefühle, die es schafft – sondern unsere Präsenz und unser Bewusstsein, die alles erleuchtet, was wir erleben.

Wenn man auf spirituelle Führer wie Gandhi, Jesus, Mutter Theresa und so viele andere schaut, verkörperten sie Freude und ein tiefes Wohlgefühl. Aber zur gleichen Zeit lebten sie ihr Leben als heftige Agenten des Wandels in der Welt und arbeiteten, um die Dinge besser zu machen.

Ob Sie zu nun über Aktivismus und sozialem Wandel Dinge generell verändern wollen, oder einfach nur Ihr persönliches Leben verändern wollen, die Wahrheit, wer Sie in diesem Moment sind, ist Teil ihrer inhärenten Richtigkeit. Wenn die Wahrheit die ist, dass Sie die Veränderung wünschen, dann ist die Handlung von dieser Wahrheit die gleiche Sache, wie die Annahme dieses Momentes, wie es ist. Dieses „perfekte Jetzt“ schließt ein, wer Sie wirklich in dem Jetzt sind.

Ihr Leben zu verbessern, ist immer auch ein Aspekt der psychischen Gesundheit; es ist eine Form der eigenen Verantwortung, die wir gut machen müssen. Und nur weil wir versuchen, die Dinge besser zu machen, bedeutet das nicht, dass wir den Krieg mit der Art und Weise führen müssen, wie es ist. Wir können versuchen, eine bessere Zukunft zu schaffen und gleichzeitig die Wahrheit von heute akzeptieren. Beides ist nicht widersprüchlich.

So können wir alle auch versuchen, unser Leben ohne ein starkes Verfolgungsgefühl zu ändern. Verabschieden Sie sich von der Idee, dass Sie permanent ein besseres Leben verpassen, das in einem parallelen Universum existiert. Es gibt nur das hier und jetzt.

Wir können auch für bessere Umstände arbeiten und kämpfen, sei es aus politischer oder menschlicher Sicht, ohne zu glauben, dass diese neuen Umstände, wenn sie kommen, uns ein dauerhaftes Glück schenken werden. Was auch immer für neue Situationen entstehen, sie werden kommen und auch wieder gehen. Wir können arbeiten, um unser Leben zu verbessern, obwohl wir wissen, dass alle Situationen nie von Dauer sein werden!

Frieden mit sich selbst machen!

Wir sind weit mehr, als nur der Inhalt unseres Lebens; wir sind das Geheimnis, welches das Leben selbst ist. Das Leben ist voll von Paradoxien. Wir sind geistige Wesen auf einer menschlichen Reise und auch Menschen auf einer spirituellen Reise. Wir können uns als geistige Wesen sehen und fühlen, während wir uns aber praktisch um uns selbst kümmern und schauen, dass wir was erleben.

Wenn Sie wissen, dass Ihr Leben in diesem Moment perfekt ist, weil es nicht anders sein kann, so schafft dies einen inneren Frieden. Das Gefühl von Ängsten und traurigen Erlebnissen, welches bei jedem von uns dazugehört, die Freude und das Wunder zu erkennen, dass es aber das Leben lebendig macht, auch diese Erkenntnis kann zum inneren Frieden führen.

(Übersetzt und bearbeitet von Jacqueline Roussety)

Quelle:



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