Twitterwichteln – eine neue Idee bewegt Neuseeland
Als Andrew Frame das Weihnachtsgeschenk von dem völlig fremden Menschen öffnete, musste er weinen. In dem Paket lag ein Holzrahmen mit einem Paar fein verlöteter, silberner Engelsflügel – drapiert um den Schriftzug „Little Angel“ („kleiner Engel“). Kaum ein Geschenk hätte ihn glücklicher machen können.
Frame nimmt seit vier Jahren an einer Weihnachtstradition in Neuseeland teil, die – in seinen Worten – „wahrhaft das „sozial“ in die Sozialen Medien bringt“. Das Phänomen mit dem Namen #SecretSanta (etwa: „geheimer Weihnachtsmann“) wurde im Jahr 2010 von einigen Enthusiasten des Kurznachrichtendiensts Twitter begründet. Inzwischen nehmen mehr als 3500 Bewohner des Inselstaats daran teil – inklusive Neuseelands neuer Premierministerin Jacinda Ardern.
Twitterwichteln … zwei Wochen Zeit
Der Ablauf erinnert an das von zahlreichen Betriebs-Weihnachtsfeiern bekannte Weihnachtswichteln: Jedem Teilnehmer wird ein anderer Mensch zugewiesen, den sie beschenken sollen.
Anders als auf Weihnachtsfeiern handelt es sich dabei aber um eine Person, die sie höchstwahrscheinlich noch nie im echten Leben getroffen haben – und über die sie nicht mehr wissen, als auf ihrem Twitter-Profil steht.
Wissen die „Wichtel“, wen sie beschenken sollen, haben sie zwei Wochen Zeit, für sie oder ihn ein passendes Geschenk zu besorgen. Einige von ihnen wälzen dafür Tausende Tweets des zu Beschenkenden und suchen nach einer Idee für das perfekte Geschenk.
Andere wollen ihr Wichtelgeschenk lieber nicht dem Zufall überlassen und posten Hinweise oder ganze Wunschzettel unter dem Hashtag #NZSecretSanta.
Verschickt werden die „Wichtel“ per Post
Wichtiger als das, was man bekommt, ist für viele Twitterwichtel-Fans aber das Gefühl dabei, wenn Menschen liebevolle Geschenke von völlig fremden Menschen bekommen. „Ich war immer eher der Mensch, der sich freiwillig gemeldet hat, an Weihnachten zu arbeiten“, erzählt etwa die Bloggerin Greer Berry. „Aber „Secret Santa“ hat sogar mein kaltes Weihnachtsherz zum Schmelzen gebracht.“
Sobald die Post Neuseelands getwittert hat, die „Wichtel“ seien auf dem Weg, sitze sie jedes Jahr vor dem Computer und aktualisiere fortlaufend den Secret-Santa-Hashtag, erzählt sie – in freudiger Erwartung von Bildern mit den Reaktionen Beschenkter auf ihre Pakete. „Meistens endet es so, dass ich auf meine Tastatur oder mein Handy heule, wenn ich den unglaublichen Aufwand sehe, den Menschen auf sich nehmen, um weihnachtlichen Geist zu verbreiten.“
Andrew Frame verbindet eine sehr persönliche Erfahrung mit seiner ersten Teilnahme am Twitterwichteln – auch wenn die Engelsflügel erst im darauffolgenden Jahr kamen. „Ich war tatsächlich gerade unterwegs, mein erstes Secret-Santa-Geschenk zur Post zu bringen, als bei meiner Frau die Wehen einsetzen“, erzählt der 40-Jährige aus der Stadt Napier im Norden Neuseelands. Seine Tochter kam drei Stunden später gesund zur Welt. „Das waren zwei schnelle „Lieferungen“ und bergeweise Glück an einem Tag.“
Es war eine 10-Minuten-Idee eines Bloggers
Das landesweite Twitterwichteln war eine Idee von Sam Elton-Walters, Blogger und Podcast-Produzent aus dem Ort Hamilton, in der Nähe der Großstadt Auckland. „Es begann mit einer Idee und war innerhalb von zehn Minuten gebaut“, berichtete er im Jahr 2010 über die Anfänge.
Als immer mehr Menschen am Wichteln teilnehmen wollte, brauchte Elton-Walters dann aber Unterstützung bei der Verteilung der Geschenke. Er fand sie bei der staatlichen Post Neuseelands: „Die Logistik, die Technologie und das Zustellnetz waren alles Dinge, die wir hatten. Es passte einfach perfekt“, sagt Postsprecherin Amanda Broatch.
Doe Post verteilt die Pakete anonym
Die Post erhält nun jedes Jahr tausende Wichtelpakete und verteilt sie anonym an die Empfänger im ganzen Land. Sie sorgt auch dafür, dass ein Teilnehmer, dessen Wichtel kein Geschenk einsendet, stattdessen ein Geschenk von einem Sponsor bekommt. Rund neun Prozent der Angemeldeten überlegen es sich anders, heißt es. Geschenke, die für einen Nicht-Einsender bestimmt waren, werden an wohltätige Organisationen gespendet.
Das Jahr nach der Geburt seiner Tochter war eins mit viele Höhen und Tiefen für Andrew Frame. Während er sich noch daran gewöhnte, Vater zu sein, verlor er seinen eigenen Vater. Seine Trauer über den Verlust schrieb er in einem Internet-Blog nieder. „Wer immer mein Wichtel in jenem Jahr war, er muss alle meine mehr als 80 Blogeinträge zu dieser Zeit durchgelesen und den Eintrag gefunden haben, in dem ich über den Tod meines Vaters geschrieben habe“, erzählt er.
Im allerletzten Absatz des Artikels fand der geheime Wichtel dann die Stelle, an der Frame schrieb, sein Vater habe nicht einmal mehr die Möglichkeit gehabt, seiner neugeborenen Enkelin ein Paar Engelsflügel zu basteln. Das habe er fest vorgehabt, sie sei doch sein „kleiner Engel“ gewesen. Als er am folgenden Weihnachten dann sein Wichtelpaket öffnete, kamen ihm die Tränen. (dpa)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion