Franziskus in der klerikalen Tsunami-Hölle des Vatikans
Der 1947 in Rom geborene deutsch-italienische Journalist Marco Politi gehört zu den weltweit besten Vatikan-Insidern. Er beschreibt in seinem aktuellen Buch „Franziskus unter Wölfen“ den seit Monaten tobenden Machtkampf in der Glaubenszentrale der römisch-katholischen Kirche und stellt dem Buch ein Zitat von Papst Franziskus voran:
„Eine Kurie, die keine Selbstkritik übt, ist ein kranker Leib… Es ist die Krankheit derer, die sich in Gebieter verwandeln, … die Krankheit des ‚geistlichen Alzheimer’… der Rivalität und der Eitelkeit… Es ist die Krankheit derer, die ein Doppelleben führen… Die Krankheit des Tratsches.“
Noch vor dem spektakulären Rücktritt des deutschen Papstes Benedikt XVI. im Februar 2013 hatte Marco Politi im November 2012 seine 540-seitige Analyse über das unheilvolle Pontifikat von Joseph Ratzinger publiziert. Der argentinische Jesuit Jorge Bergoglio versucht nun seit März 2013 als Papst Franziskus gegen die größten internen Widerstände die Kirche wieder auf einen christlichen Kurs der Liebe und Barmherzigkeit zu führen.
Den geradezu allmächtigen Kardinalstaatsekretär unter Benedikt XVI., Tarcisio Bertone, der in Rom ein ausschweifendes Luxusleben führt, hatte Papst Franziskus bereits nach sechs Monaten entlassen und durch Kardinal Pietro Paolin ersetzt. Der für die ganze Welt zur Hoffnungs- und Lichtgestalt gewordene Pontifex aus Rom hat in seinen eigenen Reihen mehr Probleme als anderswo. Er betreibt die Demontage einer imperialen Kirche, die sich nun wieder primär um die Armen und Entrechteten zu kümmern hat im Sinne der Botschaft Jesu Christi.
Keine Mentalität von ‚Fürsten’ mehr
Marco Politi schreibt: „Franziskus packt das Problem an der Wurzel. Er verflacht die übertrieben pyramidale Form der Kirche, deren Kurie als Hauptquartier fungiert: eine Kommandostelle, die allein schon durch ihren Pomp und ihre Schönheit die Überzeugung ausstrahlt, das ‚Zentrum und das Ganze’ des katholischen Erdkreises zu sein. Eine überalterte Arroganz, wie der Kirchenhistoriker Alberto Melloni glaubt.
Für Franziskus ist nun der Moment gekommen, die Kollegialität zu verwirklichen, jenes vom Zweiten Vaticanum verlangte Prinzip, wonach Papst und Bischöfe gemeinsam – wie einst Petrus vereint mit den Aposteln – sich die Leitungsverantwortung der Weltkirche teilen. Die Bischöfe sind keine Präfekten mehr, die die Weisungen eines päpstlichen Monarchen umsetzen, sondern Apostel, die gemeinsam für die gesamte Kirche verantwortlich sind. Deshalb braucht es jetzt eine Generation von Bischöfen, denen jeglicher Karrierismus fremd ist. Papst Franziskus fordert von ihnen die äußere Armut als Einfachheit und Schlichtheit des Lebens. Sie sollen keine Mentalität von ‚Fürsten’ haben…“
Jedes der 14 Buchkapitel ist spannend wie ein Krimi, insbesondere die Themen:
· Der Geruch der Schafe
· Das Ende der imperialen Kirche
· Die heimlichen Pfarrerinnen
· Tod vor dem Vatikan
· Das Programm der Revolution
· Petrus hatte keine Bank
· Franziskus und die Wölfe
· Der Krieg der Kardinäle
· Rom, ein gefährlicher Ort
Die Nester der schweigenden Gegenwehr sind zahlreich
„Mit Fortschreiten seines Pontifikats zeichnet sich sein Kampf für ein neues Image der Kirche immer deutlicher ab: einer Kirche, die den Menschen nahe und nicht vor lauter Paragraphen und Lehrsätzen zu Stein geworden ist. Deshalb finden die, die Franziskus nahestehen, wie der Sekretär der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, Professor Guzman Carriquiry aus Montivideo/Uruguay, harte Worte für die Manöver seiner Gegner: ‚Sie ähneln den Pharisäern und Schriftgelehrten, die Jesus in böser Absicht folgten und ihn immer auf die Probe stellen wollten, die seine Worte immer böswillig auslegten, weil sie hofften, ihn bei irgendeiner winzigen Abweichung vom Gesetz zu erwischen, damit sie ihn richten und verurteilen konnten.’
Ebenfalls nicht unterschätzt werden darf der passive Widerstand von Kurienangehörigen, die um ihre Zukunft und ihren Einfluss fürchten und spüren, dass die traditionelle Routine mit ihren Vorschriften ins Wanken geraten ist. Die Nester der stillschweigenden Gegenwehr sind zahlreich…“
Einer der großen Gegner von Papst Franziskus ist der deutsche Kurienkardinal und Präfekt der Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Müller, ehemals Bischof von Regensburg und Intimus von Ex-Papst Benedikt XVI.. Er vertritt zusammen mit einigen Sympathisanten die These, dass bestimmte Reformen von Papst Franziskus den Verrat an der Lehrmeinung der römisch-katholischen Kirche darstellen. Ein ungeheuerlicher Vorwurf eines theologischen Hardliners, der offenbar die Botschaft Christi missverstanden hat.
Marco Politi stellt im September sein Buch in Österreich und Deutschland vor, u.a. in Wien, Stuttgart, Köln, Frankfurt, Münster, München, Mainz, Landshut. Es wäre notwendig gewesen, dass eine Einladung zu Großveranstaltungen in Bildungseinrichtungen der österreichischen und deutschen Bischöfe erfolgt wäre, um die auf dem Prüfstand stehende Solidarität zu Papst Franziskus zu untermauern. Der in München residierende Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen und Europäischen Bischofskonferenz hätte den Mut für eine Werbeaktion des aufklärenden Buchs „Franziskus unter Wölfen“ aufbringen müssen. Schon Petrus versagte, der seinem Meister grenzenlose Treue versprach, als er in Bedrängnis geriet. Ein uraltes menschliches Problem von Glaubwürdigkeit.
Marco Politi resümiert in seinem beeindruckenden Buch: „Die Feinde von Papst Franziskus agieren und reden im Verborgenen. Sie applaudieren mit den anderen, heucheln Papsttreue und mögen es gar nicht, wenn man sie als Gegner des argentinischen Pontifex bezeichnet. Schließlich, so sagen sie, wollen sie doch nur verhindern, dass er Fehler macht. Doch wenn sie unter sich sind, wetzen sie ihre Messer.“
Marco Politi
Franziskus unter Wölfen
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Verlag Herder; Auflage: 1 (31. August 2015)
ISBN-10: 3451342863
Euro 19,99
Marco Politi
Benedikt – Krise eines Pontifikats
Gebundene Ausgabe: 544 Seiten
Verlag: Rotbuch; Auflage: 1. (28. November 2012)
ISBN-10: 3867891710
Euro 19,99
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