Andreas Gabalier sagt vor 70 000 Fans „dass dieses Land den Bach runtergeht“
Andreas Gabalier hat es geschafft. Im Münchner Olympiastadion sah der 31-Jährige einst AC/DC und U2 – jetzt steht er selbst auf der Bühne. Mehr als 71 000 Fans, die meisten stilecht in Dirndl und Lederhosen, tobten, als der Erfinder des Volks-Rock’n’Roll am Samstag loslegte. Er sei doch nur ein „Steirischer Bauernbua“, ruft er in die johlende Menge. Aber jetzt auf dem „Olymp der Gefühle angekommen“.
Im vergangenen Herbst entstand der Plan, das Olympiastadion füllen zu wollen. Eine „größenwahnsinnige Idee“, wie der Musiker am Tag vor dem Konzert sagte. Doch in kürzester Zeit waren die Tickets ausverkauft. Der Hype um den Star ist enorm, aus ganz Deutschland pilgern Fans nach München. Eine Absage des Spektakels angesichts des Amoklaufes in München und des Terroranschlages in Ansbach sei für ihn nicht in Frage gekommen. „Weil wir an das Gute glauben.“
Strenge Sicherheitsmaßnahmen begleiten das Konzert am Samstagabend. Warteschlangen beim Einlass und ein kurzfristiges Rucksackverbot stören die Fans nicht. „Es ist ja zu unserer eigenen Sicherheit“, sagt Antonia Schütt, die natürlich ein Dirndl trägt.
Gabalier, der Alpen-Elvis, bietet eine dreistündige Show, der auch ein kurzzeitiger Tonausfall keinen Abbruch tut. „I sing a Liad für Di“, „Mountain Man“, „Zuckerpuppen“ – Fans aller Altersklassen sind textsicher und singen sich zunehmend in Ekstase. Bei Balladen wie „So liab hob I Di“ schunkeln sie verträumt im Lichtermeer, beim „Volks-Rock’n’Roller“-Song johlen sie hysterisch. Oktoberfeststimmung im Olympiastadion.
Mit pomadiger Haar-Tolle, Lederhose und seiner ganz eigenen Mischung aus Rock und Volksmusik hat Gabalier eine atemberaubend steile Karriere hingelegt. Er findet es selbst unglaublich, dass er im siebten Jahr als Musiker vor so einer Kulisse auftreten darf. Noch nicht allzulang sei es her, dass er vor 124 zahlenden Gästen spielte. Selbstgeschriebene Lieder, Mundart, Lausbuben-Grinsen, bodenständiges Auftreten trotz Elvis-Inszenierung – so lieben die Fans Gabalier.
„Die Musik ist cool, die Texte sind cool, der Typ ist cool“, sagt Sophia Strzych aus Markt Schwaben. Andrea Grauer ist aus Reutlingen angereist. Gabalier sei immer menschlich geblieben und den Fans nahe, sagt sie. Ihr gefallen seine persönlichen Texte, in denen er aus seinem Leben erzählt. Das Schicksal der Familie Gabalier berührt die Menschen. In dem Lied „Amoi seg‘ ma uns wieder“ hat der Grazer einst den Selbstmord seines Vaters und den seiner Schwester verarbeitet.
Politisch unkorrekt
Kritiker werfen Gabalier vor, nationalistisch, sexistisch und ein Macho zu sein. Mit umstrittenen Äußerungen macht er immer wieder Schlagzeilen. „Ich bin nunmal ein Steirer-Bua, der gelegentlich aneckt“. Gabalier polarisiert. Etwa wenn er sagt, dass seine Freundin als Mutter natürlich zu Hause bleiben wird. Oder wenn seine Sprache nicht gendergerecht ist. Im Olympiastadion begrüßt er explizit die „lieben Münchner und -rinnen“.
Dass Kritiker sein Bekenntnis zur Heimat anrüchig finden, kann der Musiker aus der Steiermark nicht nachvollziehen. Der „Welt“ sagte er vergangenen Sommer: „Dass der Begriff Heimat, für den ich auch stehe, immer gleich in die rechte Ecke gedrückt wird. Das sehe ich nicht ein, das lasse ich nicht zu.“ Er selbst war schon in der Kritik, weil er sich pro FPÖ ausgesprochen hat.
Andreas Gabalier sang deshalb auch sein Lied „A Meinung haben“ in dem es heißt: „Wie kann des sein / dass a poar Leut / glauben zu wissen, / wos a Land so wü. // Is des der Sinn einer Demokratie? / Dass ana wos sogt und die andern san stü.“ Dabei rief er laut Augsburger Allgemeine ins Publikum: „Schöner mit Ecken und Kanten durchs Leben als ohne eigene Meinung.“ Und fügte hin: „Alles, was ich jetzt sagen will, sag ich lieber nicht – weil ich auf euch aufpassen muss.“
Und laut dem österreichischen Portal Heute.at sagte er auch: „Es ist bitter, dass man sich Gedanken machen muss, ob man das Haus noch verlassen kann. Es ist eine große Herausforderung, vor der wir jetzt stehen. Ich muss auf euch aufpassen“, zu seinen Fans.
Als es auf 23 Uhr zuging rief er dann laut dem Medium: „Wir haben ein tierisches Problem. Dass das Land den Bach runtergeht, ist kein Geheimnis“ – aber dass man hier nicht mehr einfach bis 23 Uhr feiern dürfe, weil er ständig über Ohrstöpsel des baldigen Endes gemahnt werde, das sei doch ein Skandal.
Gegen Ende des lauen Sommerabend, an dem die Fans völlig außer Rand und Band waren nach drei Stunden Volks-Rock’n’Roll – wurden sie zum Schluss doch noch ganz andächtig. „Anlässlich einer großen Traurigkeit in dieser Stadt“ bittet der Sänger die Menge, ein Lichtermeer ins Stadion zu zaubern und stimmt „Amoi seg‘ ma uns wieder“ an. Einige hatten ihm mangelnde Pietät vorgeworfen, weil er das Konzert aus Respekt vor den Amokopfern nicht absagte. Gabalier weiß, was Trauer bedeutet.
(dpa / rf)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion