Die Falle von Chinas KP für Falun Gong

Ethan Gutmann, Autor des Buches ‚Verlust des Neuen China’, gedachte in einer Rede zum 10. Jahrestag der ‚Falle von Zhongnanhai’. Er beleuchtet die Situation von Falun Gong in China damals und heute und die Rolle des Westens in diesem Fall.
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(The Epoch Times)
Epoch Times22. April 2009

Ethan Gutmann sprach auf der Internationalen Konferenz über die Religionsfreiheit in China, veranstaltet von Edward McMillan-Scott, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, am 15. April 2009 in den Räumen des Europäischen Parlaments in Brüssel:

Als ich vor zehn Jahren am 25. April eine Hochzeit in Peking besuchte, hörte ich ein Gerücht, dass sich eine große Menschenmenge bei Zhongnanhai, dem Hauptsitz der chinesischen Führerschaft, versammelt hätte. Ich rief meinen Freund Jasper Becker an, den Büroleiter der South China Morning Post.

Wer sind sie? fragte ich ihn.

Ich glaube, sie heißen „Falun Gong“ sagte er. Offensichtlich ist das eine sehr große chinesische religiöse Bewegung. Aber wir wissen eigentlich nichts über sie. Ethan, sagte er, man hat uns glatt mit ‚herunter gelassenen Hosen‘ erwischt.

Wenn wir des zehnten Jahrestages der katastrophalen Unterdrückung von Falun Gong gedenken, müssen wir zugeben, dass die im Westen – mit ein paar Ausnahmen wie diesem Forum hier und einer Handvoll anderer – im wesentlichen der Kommunistischen Partei Chinas freie Hand gelassen haben.

Beginnen wir zuerst mit der Auflistung der Schäden: Über 3.000 Tote durch Folterung. Misshandlungen und Vernachlässigung. Nach meinen jüngsten Nachforschungen sind mindestens 10.000 Falun Gong-Anhänger einem Organraub zum Opfer gefallen. Die Schätzung liegt bei über 100.000.

Nach Aussagen meines Kollegen Leeshai Lemish zeigen quantitative Analysen, dass die Erwähnung von Falun Gong in den Medien proportional zu den Todesfällen sinkt. Darum muss ich zur Kenntnis geben, dass wir immer noch mit herunter gelassenen Hosen dastehen. Und ich muss zur Kenntnis geben, dass das Versagen bei der Interpretation des 25. April durch die westlichen Medien selbst begann.

Man kann sich noch nicht einmal auf das Ereignis beziehen, ohne sich in einen Interpretationsrahmen, in ein vorgefasstes Bild zu begeben. Aus heiterem Himmel „umzingelten“ (nach AP und Reuters) oder „belagerten“ (nach AFP) 10.000 höchst disziplinierte Falun Gong-Praktizierende Zhongnanhai. Dieses sind direkte Übersetzungen der kommunistischen Parteilinie. Und sie werden in Lehrwerken über die Geschichte von Falun Gong wiederholt.

25. April 1999: Falun Gong in den Straßen bei Zhongnanhai. (The Epoch Times)  25. April 1999: Falun Gong in den Straßen bei Zhongnanhai. (The Epoch Times)

Selbst Praktizierende, die für die Epoch Times schreiben, – vielleicht fühlen sie, dass es zu schwer zu erklären ist – beschreiben den 25. April als eine Massen-„Versammlung“ bei Zhongnanhai. Der Unterschied ist nur der, dass sie das Wort „Demonstration“ so gebrauchen, als ob es ein schmutziges Wort sei. Nun, das ist es auch für die Chinesische Kommunistische Partei. Aber doch nicht für den Westen, nicht wahr?

Henry Kissinger rechtfertigte das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens mit der Aussage: „Keine Regierung der Welt hätte geduldet, dass der wichtigste Platz der Hauptstadt acht Wochen lang von zehntausenden Demonstranten besetzt wird …“ Diese Empfindung wurde kürzlich von Charles Freeman, der von der Obama-Regierung für den Posten des Geheimdienstberaters nominiert wurde, wieder zum Ausdruck gebracht. Wenn die Elite für Außenpolitik über die Studentendemonstrationen von 1989 so redet, kann man sich vorstellen, wie sie eine unbedeutende Bewegung eines buddhistischen Wiederauflebens im Jahr 1999 beurteilen. Wie wär’s mit: Nun, das ist China. Die Falun Gong wollten es so.

Wissenschaftler mögen es etwas anders ausdrücken: Die Unterdrückung der Falun Gong-Anhänger begann als eine Reaktion und Gegenreaktion. Es ist eine Tragödie. Ein Missverständnis. Ein Fehler.

Nun ja, die Falun Gong-Anhänger haben viele Fehler gemacht. Aber ich kann nicht annehmen, dass sie darum gebeten haben, zu Märtyrern zu werden. Und ich glaube, dass auch Sie das nicht annehmen können. Wenn Sie es aber tun, dann sollten Sie mit Menschen sprechen, die am 25. April und vorher in Tianjin dabei waren.

Anfang 1999 veröffentlichte der Physiker He Zuoxiu einen Artikel im Journal der Universität Tianjin, der die Falun Gong attackierte. Er stellte sie im Wesentlichen als gefährlichen Kult dar. Weil der Physiker und das Journal relativ unbedeutend waren, beschuldigte man Falun Gong als hypersensibel gegenüber Kritik.

Aber dieses ist nicht der Westen und die Dinge geschehen nicht zufällig. Von He Zuoxiu, dem Verfasser des Artikels, ist bekannt, dass er der Schwager von Luo Gan ist, dem damaligen Sicherheitschef. Und das Journal der Universität Tianjin stimmt mit dem Staat überein.

Li Hongzhis Buch Zhuan Falun war schon Mitte der 1990ger Jahre von den offiziellen Publikationen ausgeschlossen worden, teilweise deshalb, weil die Partei sich über außer Kontrolle geratene Verkaufsziffern des Buches Sorgen machte. Bis zum Jahre 1999 hatten die Falun Gong wenigstens 70 Millionen Praktizierende angezogen, fünf Millionen mehr als die Partei.

Und darum war der Artikel absolut nicht unbedeutend. Er war eine Fackel in der Nacht, ein Signal, dass die Partei etwas vorhatte. Etwas mit Konsequenzen.

Wenn man in China ein solches Signal sieht, hat man zwei Möglichkeiten. Entweder man verhält sich ruhig und wird vielleicht vernichtet – oder man erhebt sich dagegen und wird höchstwahrscheinlich vernichtet – doch die Wahrheit zu verbreiten und Lügen zu widerlegen, das genau sind wesentliche Teile der Falun Gong Moral.

Darum erhoben sich die Falun Gong-Anhänger. Ungefähr 5.000 Praktizierende veranstalteten eine stille Demonstration an der Fachhochschule für Erziehung in Tianjin und verlangten eine Rücknahme des Artikels oder einen Dialog. Die Polizei wurde gerufen. Hao Fengjun, ein Polizeioffizier, war einer von ihnen. Seine „gesamte Polizeitruppe wurde plötzlich zu der Hochschule beordert.“ Man „befahl ihnen, das Kriegsrecht anzuwenden und das Gebiet zu räumen.“. Als sie am Schauplatz ankamen, sah er: … „dass nichts so war, wie man uns beschrieben hatte – Falun Gong-Anhänger, die zum Kampf bereit waren, die die öffentliche Ordnung störten u.s.w. Aber wir hatten keine Wahl.“

Videoaufnahmen zeigen ein paar Leute, die irgendwo herum saßen. Was also veranlasste die Polizisten, in die Menge hinein zu marschieren und 40 Praktizierende zu schlagen und zu verhaften? Viele Praktizierende – Jennifer Zeng [Autorin von „Witnessing History“] ist eine von ihnen – versuchten, mit den Beamten von Tianjin und den Polizisten vernünftig zu reden. Und die Antwort? Die Polizei war machtlos. „Dieses ist vom Sicherheitsministerium unter der Zentralregierung veranlasst worden. Also müsst ihr nach Peking gehen, um Beschwerde zu erheben.“

In den beiden Tagen, die auf die Festnahmen in Tianjin folgten, verbreitete sich das Wort „Beschwerde“ (oder „Petition) rasch unter den Praktizierenden – aber nicht als eine Art allgemeinen Befehls, sondern es ging von Mund zu Mund. Aber es hatte ein klares Ziel: Die Nationale Petitionsbehörde, die einzige Stelle, an der sich ein Bürger in China legal über seine örtliche Behörde oder die Zentralregierung beklagen kann.

Tante D (nennen wir sie so) sagt: „Jeder, der zu der Zeit in China war, wusste, dass das [die Verhaftung der Praktizierenden in Tianjin] eine Furcht erregende Angelegenheit war. Aber wir wussten auch, dass man es uns erlauben müsste, uns bei der Nationalen Petitionsbehörde zu beschweren. Wir hatten das gesetzliche Recht, uns zu beschweren, obwohl wir nicht viel darüber wussten.“

Da die Petitionsstelle wie auch die Regierung sich bei den Petitionsprozessen sehr zurückhielt, war der Standort dieser Stelle wenig bekannt. Nicht ein einziger der Praktizierenden, die ich interviewt habe, konnte mir die Stelle auf einer Karte zeigen, obwohl man allgemein glaubte, sie befände sich in den Hutongs, die von der Fuyou Straße abgehen. Und die Fuyou Straße stößt an den westlichen Eingang von Zhongnanhai.

Und so glaubte am 25. April, einem schönen, frischen Frühlingsmorgen, jeder einzelne Praktizierende (diejenigen, die ich interviewt habe), dass sie einem rechtmäßigen Protokoll folgten, und nicht, dass sie nach Zhongnanhai gingen, um zu demonstrieren.

Sie waren sich der Risiken bewusst. Einige Praktizierende verfassten am Abend vorher ihr Testament. Wenn Sie glauben, das klinge melodramatisch, dann betrachten Sie Folgendes.

Am frühen Morgen beobachtete ein Ehepaar unter den Praktizierenden etwas sehr Seltsames, als es am Stadtgraben auf der Ostseite der Verbotenen Stadt entlang ging. Eine zahlenmäßig große Einheit der Roten Armee saß mit aufgepflanzten Bajonetten in Jeeps und schaute nach Westen, Richtung Zhongnanhai.

Als sie und weitere Praktizierende gegen 7.00 Uhr in der Fuyou Straße ankamen und versuchten, sich auf den Weg in die Hutongs zu machen, in denen sie die sagenumwobene Petitionsstelle vermuteten, tauchte plötzlich eine riesige Polizeitruppe auf. Und doch war die Fuyou Straße nicht abgeriegelt – was Jennifer Zeng, die für das Staatsratsbüro in Zhongnanhai gearbeitet hatte, seltsam fand. Normalerweise „gab es dort viele Sicherheitskräfte und viele Wachen und es war immer sehr schwierig, in die Nähe der Straße zu gelangen. Aber dieses Mal versuchte niemand, die Menschen am Betreten zu hindern. Normalerweise wird jeder, der auftaucht, sofort befragt … es schien so, als ob sie sehr gut vorbereitet seien, als ob sie uns erwarteten.“

Mit der vagen Versicherung, dass das Petitionsbüro später öffne, wurden die Praktizierenden in die Fuyou Straße gedrängt, direkt vor das Tor von Zhongnanhai. Tante D erinnert sich, dass Dienstbusse und Polizeiwagen in bestimmten Abständen auf der Fuyou Straße postiert waren. „Kameras wurden aufgestellt und direkt auf uns gerichtet. Ich hatte Angst und wagte es nicht, mich in die vordere Reihe zu stellen. Ich dachte, wenn es ihnen gelänge, mich zu filmen, würden sie später nach mir suchen. (Tante D verschwand für mehrere Jahre in einem Arbeitslager.)

Die Praktizierenden, die glaubten, dass das Petitionsbüro in der südlichen Fuyou Straße liege, oder diejenigen, die glaubten, dass sie den Block umrunden und die Hutongs vom Westen her betreten könnten, sahen ihren Weg am Changan Boulevard blockiert und wurden ermutigt, sich wieder nach Norden zu bewegen vor die Westtore von Zhongnanhai. Diejenigen, die vom Norden kamen, durften sich der Menschenmenge anschließen und wurden schnell die Fuyou Straße hinunter gedrängt. Tante C (eine Freundin von Tante D) beschrieb es so: „Zu dem Zeitpunkt gaben sie uns Befehle: Geht hier entlang, geht hier entlang – und wir folgten.“

Die Bühne für die Kabuki Aufführung, die dann folgte, war bereitet. Das beruhigende öffentliche Erscheinen des Premierministers Zhu Rongji und das langsame Umfahren Zhongnanhais von Jiang Zemin in seiner Limousine mit getönten Scheiben. Während der ganzen Zeit, 16 Stunden lang, gab es keinen Bericht, keinen Film oder eine plausible Erklärung dafür, dass die Falun Gong-Praktizierenden irgendetwas taten, das auch nur im geringsten als Provokation gedeutet werden konnte. Kein herumliegender Müll, kein Rauchen, kein Singen, keine Gespräche mit Reportern (oder irgendjemand anderem).

Ein Praktizierender schlug vor, dass sie sich abwechseln sollten, um etwas zu essen oder zu trinken aber die anderen Praktizierenden „… sagten nein, auf keinen Fall. Denn wenn wir trinken wollen, müssen wir in einen Waschraum [Toiletten] gehen und das würde diejenigen stören, die dort wohnen oder arbeiten.“ Selbst nach den erfindungsreichen Standards der Partei gab es einfach keinen Vorwand, der es gerechtfertigt hätte, die Truppen einzusetzen, die am Tor der Verbotenen Stadt warteten.

Die Ankündigung am Abend über die Freilassung der in Tianjin Festgenommenen wurde mit ruhiger Erleichterung aufgenommen und hinterließ bei den Praktizierenden ein optimistisches Gefühl. Nach Aussagen von Tante C lauteten die offiziellen Medienberichte am nächsten Tag: „Falun Gong Anhänger versammelten sich bei Zhongnanhai, ’sie sagten nicht, wir umstellten Zhongnanhai.‘ Die Berichte brachten auch zum Ausdruck, dass jeder die Freiheit habe, zu praktizieren oder nicht, ganz nach Wunsch.“

Den Rest, denke ich, kennen Sie wahrscheinlich bereits: Die unaufhörlichen Versicherungen von Seiten der Partei, dass alles in Ordnung sei, dass die „drei Nein“ (keine Werbung, keine Kritik, keine Debatten über Qigong) noch amtlich seien – wohingegen die Telefone der Praktizierenden bereits angezapft wurden, Spione auf den Übungsplätzen der Praktizierenden auftauchten, Warnungen auf ausgesuchten Arbeitsplätzen erschienen und die Partei das Büro 610 einrichtete, eine der entsetzlichsten Einrichtungen der Geheimpolizei mit uneingeschränkten Machtbefugnissen. Am 20. Juli setzte sich die gut geölte Maschinerie für die Razzia in Gang, um  in ganz China unbehelligt ihr Handwerk zu betreiben. Und alles fand seine Rechtfertigung in der Vorstellung eines infamen Datums, des 25. April, eine Vorstellung, die dazu benutzt wurde, um eine noch nie da gewesene Verfolgung einzuleiten, die bis heute andauert.

Ein Punkt zum Schluss noch. Der Offizier Hao Fengjun wurde im Jahre 2000 zu seiner Arbeit im Büro 610 eingeteilt. Das erste, was er bemerkte: „Unser Abhörraum hatte bereits eine umfassende Sammlung von Berichten und Daten über Falun Gong-Praktizierende. So etwas kann man nicht in ein oder zwei Jahren zusammen tragen.“

Haos Verdacht ist richtig. Nach Aussagen eines früheren Distriktbeamten, ich werde ihn Minister X nennen, wurde die Entscheidung der Partei, Falun Gong zu eliminieren und Vorbereitungen auf dieses Ziel hin zu treffen, lange Zeit vorher getroffen, bevor irgendein Verbot öffentlich bekannt gemacht wurde. Diese Entscheidung wurde ausnahmslos nur auf internen Parteitreffen verbreitet: Jiang Zemin konnte das Problem des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens nicht lösen, es sei denn, er schuf eine neue Zielgruppe. Das war Falun Gong. Andererseits erhielt Minister X den Befehl, unauffällig die Ausstellung für Geschäftslizenzen  an Falun Gong-Anhänger zu stoppen. Der 25. April war ganz einfach der Beginn einer ausgeklügelten Lockvogeltaktik mit Falun Gong als Sündenbock.

Vielleicht könnte Letzteres auch für den Westen gelten.

Zehn Jahre ist es jetzt schon her. Wollte die Partei wirklich so viele töten? Natürlich nicht. Die Partei ist geneigt, an ihre eigene Rhetorik zu glauben. Generäle stellen sich immer nur kurze Kriege vor. Und das, so scheint es, machen auch westliche Berichterstatter.

Aber heute lasst uns wenigstens einen Mythos aus der Welt schaffen, eine hässliche Vorstellung, die die deplazierte Idee nährt, dass wir im Westen nicht die Aufgabe haben, uns in einen undurchsichtigen Familienstreit einzumischen.

Falun Gong hat diesen Krieg nicht angefangen. Die Chinesische Kommunistische Partei war es. Ich beantrage, dass die Partei für die Folgen voll verantwortlich gemacht wird.

Es wird immer deutlicher, dass Europa als erstes solche Anstrengungen unternehmen muss. Und darum bin ich dankbar, dafür dass ich diese Punkte heute in Brüssel darlegen kann und freue mich auf Ihre Fragen und Kommentare.

 

Wie das Falun Dafa Informationszentrum Deutschland heute mitteilte, finden am kommenden Samstag, 25. April 2009, dem 10. Jahrestag der „Falle Zhongnanhai“ in Berlin, Hamburg, Köln, Mannheim, München und Würzburg Gedenkveranstaltungen statt.

(The Epoch Times)  
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