Das Umweltproblem ist ein Systemproblem
„Beijing ist in der Lage, während der Olympischen Spiele eine hohe Luftqualität zu garantieren“, versicherte der Leiter des städtischen Umweltschutzamtes in Peking, Shi Hanmin, im März diesen Jahres. In Peking werden weiterhin etliche Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die Spiele 2008 zu umweltfreundlichen Spiele werden. Wie diese Maßnahmen umgesetzt werden und wie sie auf die Bevölkerung wirken, erfuhr Epoch Times Deutschland vom Umweltexperten und Präsidenten des unabhängigen chinesischen PEN Clubs, Yi Zheng. (2.Teil)
ETD: China kündigt neuerdings an, während der Spiele ein Fahrverbot zu erlassen oder Fabriken zeitweilig zu schließen. Was halten Sie davon?
Zheng: Ich weiß, dass das Regime für die Olympischen Spiele alles tun wird. Es könnte anordnen, dass die Unternehmen, welche die Luft schlimm verschmutzen, umgesiedelt oder zugemacht werden. Alle großen Fabriken in Peking müssten im Ernstfall ihre Produktion drei Wochen vor Beginn der Spiele einstellen. In Peking wird gerade eine Maßnahme getestet, an ungeraden Tagen nur Privatautos, mit ungerader Fahrzeugnummer fahren zu lassen und umgekehrt. Während der Spiele sollen 80 Prozent der Autos von Behörden und 50 Prozent der Autos der Zentralregierung nicht fahren. Ich denke, dass all diese Maßnahmen zusammen bestimmt eine positive Wirkung auf die Luftqualität in Peking erzielen können. Aber diese etwas sauberere Luft kann natürlich nur während der Spiele gewährleistet werden, weil sich kein Land in der Welt langfristig solche Maßnahmen leisten kann – keine Produktion und kein öffentliches Leben.
ETD: Wie könnte Umweltschutz in China sinnvoll umgesetzt werden?
Zhong: Eine sinnvolle Umweltschutzpolitik kann leider in China nicht durchgesetzt werden. Das ist bedingt durch das diktatorische System. Jedoch hat eine Diktatur die Möglichkeit, mittels einer politischen Anordnung alle staatlichen Ressourcen zusammen zu tragen, um sie für die eigene Machtführung einzusetzen. Die Maßnahmenreihe zur Luftverbesserung spiegelt ganz deutlich diese diktatorische Eigenschaft wider. In einem Rechtsstaat hat die Regierung gar keine Möglichkeit, für eine sportliche Veranstaltung solche Anordnungen zu erlassen. Dort gelten zunächst die Gesetze.
Hier funktionieren die Umweltgesetze gar nicht, denn die Industrie, die Behörden, die Justizorgane und die Regierung haben ein gemeinsames Interesse. Sie kollaborieren miteinander. Chinas Umweltproblem ist ein Systemproblem. Das Regime kann zwar für seine Zwecke in kurzer Zeit tausende Maßnahmen ergreifen und eine sofortige Wirkung erreichen, so wie jetzt für die Olympischen Spiele, aber das grundlegende Umweltproblem ist damit nicht gelöst.
ETD: Meinen Sie, dass die „Umweltmaßnahmen“ für die Spiele auch im Interesse der Bürger sind?
Zheng: Ich glaube nicht. Im heutigen China sind die Olympischen Spiele keine sportliche Veranstaltung mehr. Sie sind zu einer Plattform geworden, auf der Chinesen ihre Loyalität zur Kommunistischen Partei zeigen können. Wenn man gut über die Spiele redet, zählt man zu einem guten Bürger. Wenn man aber eine andere Meinung hat, weil man wegen der Spiele sein Haus verloren hat, weil man zwangsweise für die Spiele eine Menge Geld bezahlen musste, oder wenn man für die Menschenrechte eintritt und gegen die Olympische Spiele unter einer Diktatur ist, zählt man zu den Feinden des Machtapparats.
Am Telefon kann man mit Freunden und Familienangehörigen im Festland China über fast alles diskutieren, aber sobald man über die Olympischen Spiele spricht, sagen sie: „Über dieses Thema reden wir nicht.“ Zur Zeit ist das Wort „Olympische Spiele“ noch schlimmer als „Konterrevolution“ oder „Demokratie“. Daher sage ich, dass in China die Spiele schon völlig „dämonisiert“ worden sind. Das Regime heizt im Moment einen radikalen Patriotismus und eine anti-westliche Ideologie auf. Unter einem solchen politischen Druck und Stimmung wagt niemand mehr zu protestieren. Wer protestiert, wird sofort von patriotischen Jugendlichen bekämpft, wenn er nicht von der Polizei niedergeschlagen wird.
Das Interview führte Maria Zheng
Zheng Yi (1947), ist Autor und Präsident des Independent Chinese PEN Center. 1979 schrieb er sein Erstlingswerk Feng (Roter Ahorn). In den 80er Jahren verfasste er weitere Kurzgeschichten. Ende der 80er führte er Recherchen über Kannibalismus in Shanxi während der Kulturrevolution durch, die er 1993 in Taiwan veröffentlichte. Als aktives Mitglied der Proteste von 1989 wurde er auf eine schwarze Liste gesetzt, woraufhin er während dreier Jahre an ständig wechselnden Orten untertauchen musste. Schließlich gelang ihm die Flucht nach Hongkong, von wo aus er in die USA ausreiste. Mehre Romanen von ihm wurden in China Filme gemacht, einer davon war einer der bekanntesten Film in China „Laojing (Alter Brunnen)“.
Seit 1997 beschäftigt Zheng Yi sich seit 1997 mit dem Umweltproblem und der Menschenrechtsfrage in China. Nach dreijähriger Forschung gab er 2005 das 600seitige Buch „China’s Ecological Winter“ heraus. Es ist die erste chinesischsprachige Publikation, die die katastrophale Umweltsituation Chinas von den Aspekten des wirtschaftlichen und politischen Systems und der Menschenrechte her systematisch und tiefgreifend beleuchtet
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