Rekord: 519 Künstler aus 50 Ländern beim 63. Internationalen Musikwettbewerb der ARD

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Preisträger Cello im Internationalen ARD Wettbewerb: 1. Preis: István Várdai, Ungarn, 2. Preis: Andrei Ioniţă, Rumänien, 3. Preis: Bruno Philippe, FrankreichFoto: Paul Hiller
Von 15. September 2014

519 junge Künstler aus 5 Kontinenten und 50 Ländern hatten sich für die Teilnahme an dem seit 1952 in München veranstalteten ARD-Musikwettbewerb beworben. Es ist der weltgrößte seiner Art.

Der Ausländeranteil bei den durch eine Vor-Jury ausgewählten und eingeladenen 312 zugelassenen Kandidaten aus 4 Kontinenten und 37 Ländern lag bei fast 82Prozent. In den Kategorien Klavier, Cello, Bläserquintett und Schlagzeug erlebte man in den vier Wettbewerbsrunden zum Teil einzigartige Leistungen.

Die Technik scheint heute kaum noch eine Hürde zu sein; so wie beim jährlichen Circus-Festival in Monte Carlo ein vierfacher Salto bereits Standard ist, und gestaunt wird immer weniger.

Aber wenn die Musik aus dem Herzen kommt und nicht die perfekte Virtuosität im Vordergrund steht, wird ein Konzert wieder zu einem großen Erlebnis. Deutschlands unsterblicher Tonschöpfer Ludwig van Beethoven drückte bei seinem Opus 123, der „Missa Solemnis“ (komponiert zwischen Opus 120 „Diabelli Variationen“ und Opus 125 „9. Sinfonie“ den Wunsch aus: „Von Herzen – möge es wieder zu Herzen gehen!“

Für diverse Preisträger wurde München zum Sprungbrett für eine internationale Karriere

Erinnert sei an die wunderbaren Gesangsstimmen Jessye Norman, Anne Sofie von Otter, Ivan Rebroff, Thomas Quasthoff, Robert Holl, an die Pianisten Ingrid Haebler, Mitsuko Uchida, Christoph Eschenbach, Alexej Gorlatsch, an die Organistinnen Hedwig Bilgram, Ariane Metz, an die Geiger Edith Peinemann, Christian Tetzlaff,  an die Cellisten Natalia Gutman, Tatjana Vassiljeva, Sol Gabetta, Klaus Kanngießer, Gustav Rivinius, Julian Steckel, an den Bratschisten Yuri Bashmet, an die Flötisten Irena Grafenauer, Paul Meisen, an den Trompeter Maurice André, den Oboisten Heinz Holliger, an den Klarinettisten Sebastian Manz u.v.a.m. Es gibt aber auch ganz großartige und erfolgreiche Künstler, die niemals in München angetreten sind. Daniel Barenboim erzählte einmal, dass er es wahrscheinlich niemals in die Finalrunde geschafft hätte.

Von den in diesem Jahr zugelassenen Kandidaten lag Süd-Korea zahlenmäßig an der Spitze (52), gefolgt von Deutschland (51), Frankreich (32), Japan (31), Russland (22), Spanien (17), USA (15), Polen (10), China (7), Italien (3), Taiwan (2), gefolgt von Ländern mit jeweils einem Teilnehmer.

Die Finalrunden der Cellisten am 12. September und der Pianisten am 14. September im Herkulessaal am Münchner Hofgarten waren  extrem spannend – leider waren nur Männer auserwählt worden; im Semifinale waren noch die deutsche Pianistin Annika Treutler  und die deutsche Cellistin Konstanze von Gutzeit dabei.

Cello

Der ungarische Cellist István Várdai, 1985 in Pécs geboren, wählte für das Finale das weltberühmte h-Moll-Konzert op. 104 von Antonín Dvořák, ebenso der 21-jährige in Perpignan/Süd-Frankreich geborene Bruno Philippe. Várdai wurde im Alter von zwölf Jahren an der Franz Liszt Musikakademie Budapest in die Klasse der „außergewöhnlich Begabten" bei Prof. László Mezö aufgenommen, wechselte im Jahr darauf zu Reinhard Latzko an die Wiener Musikakademie. Darüber hinaus besuchte er Meisterkurse von Natalia Gutman, János Starker und Natalia Shakhovskaja.

2010 wurde ihm während der Cello Meisterkurse der Kronberg Academy das Boris Pergamenschikow Stipendium zugesprochen. Zahlreiche Auszeichnungen, 2006 erhielt er einen Spezialpreis beim Grand Prix Emanuel Feuermann in Berlin sowie den ersten Preis des Internationalen Johannes-Brahms-Wettbewerbs in Pörtschach (Österreich). Außerdem ist er Preisträger des Internationalen Tchaikovsky Wettbewerbs 2007 sowie des Internationalen Musikwettbewerbs Genf 2008. Seit Oktober 2013 ist er Lehrbeauftragter an der Kronberg Academy und künstlerischer Leiter des Emanuel Feuermann Konservatoriums. Man erlebte einen großen Künstler mit langjähriger Podiumserfahrung, der 1. Preis im ARD-Wettbewerb war völlig berechtigt, zumal der Ungar zuvor im Semi-Finale zwei Sätze aus Haydns Cello-Konzert C-Dur so herrlich musizierte.

Dennoch war der 21-jährige, so wunderbar lebendige Bruno Philippe dem ungarischen Kontrahenten im Dvorak-Konzert am Finaltag überlegen – das Publikum schwelgte im Dvorak-Rausch, aber auch die Punkte aus den Vorrunden zählen, und es reichte nur zur Vergabe des 3. Platzes der sehr strengen Jury unter Vorsitz von Wolfgang Boettcher, dem ehemaligen Solo-Cellisten der Berliner Philharmoniker. Bruno Philippe erhielt erwartungsgemäß den auch sehr begehrten Publikumspreis.

Der 1994 in Bukarest/Rumänien  geborene Andrei Ionita überzeugte mit der Interpretation des enorm schwierigen Cellokonzerts Es-Dur op. 107 von Dmitrij Schostakowitsch – alle Zuhörer saßen wie elektrisiert auf ihren Stühlen. Welch eine Konzentration und musikalische Gestaltungskraft des 20-Jährigen, der im Alter von fünf Jahren mit dem Klavierspiel begann und drei Jahre später den ersten Cellounterricht erhielt! Zahlreiche Wettbewerbserfolge. Seit dem Jahr 2012 Studium an der Universität der Künste in Berlin; 2013 der 1. Preis beim Internationalen Aram-Khatchaturian-Wettbewerb in Jerewan/ Armenien. Die Deutsche Stiftung Musikleben hat dem jungen, hochbegabten Rumäne ein Giovanni-Battista-Rogeri-Cello aus dem Jahr 1671 als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Ein herrliches Instrument, auf dem Andrei Ionita ein zauberhaftes Feuerwerk an Farben produzierte.

Preisträger Klavier im Internationalen ARD Wettbewerb: 1. Preis: nicht vergeben, 2. Preis: Chi Ho Han, Südkorea, 3. Preis: Kang-Un Kim, Südkorea, 3. Preis: Florian Mitrea, RumänienPreisträger Klavier im Internationalen ARD Wettbewerb: 1. Preis: nicht vergeben, 2. Preis: Chi Ho Han, Südkorea, 3. Preis: Kang-Un Kim, Südkorea, 3. Preis: Florian Mitrea, RumänienFoto: Daniel Delang

Klavier

Für das Finale im Fach Klavier stand zweimal das 1. Klavierkonzert b-Moll op. 23 von Peter Tschaikowsky auf dem Programm und das 4. Klavierkonzert G-Dur op. 58 von Ludwig van Beethoven. Fast jeder Pianist hat das bis heute am meisten gespielte Klavierkonzert von Peter Tschaikowsky einmal gespielt, das im Jahr 1875 in Boston von dem legendären Pianisten, Dirigenten und Liszt-Schwiegersohn Hans von Bülow uraufgeführt wurde. Dieses Werk ist mittlerweile derart abgedroschen, dass man es kaum noch hören mag.

Der 1989 in Bukarest geborene Florian Mitrea, Studium an der Royal Academy of Music in London von 2008 – 2014 und vielfach ausgezeichnet, hatte als erster in der Finalrunde große Schwierigkeiten das Tschaikowsky-Opus in einer erträglichen Spannungsbalance zu halten; technisch brillant, aber die ständigen dynamischen Veränderungen konnten vom Orchester des Bayerischen Rundfunksinfonieorchesters unter der Leitung von Michel Tabachnik kaum aufgefangen werden.  Der seit 1986 tätige 1. Konzertmeister (Violinen) Florian Sonnleitner (ARD-Preisträger von 1981, 3. Platz) war gut und meisterhaft beschäftigt, den Orchesterteppich für den jungen Künstler-kollegen aus Rumänien, auch mit Vornamen Florian, spielfähig zu halten.

Der 3. Platz der hochkarätig besetzten Jury unter der Leitung eines der bedeutendsten deutschen Konzertpianisten, Gerhard Oppitz, war eindeutig angemessen. Allerdings hatte Florian Mitrea in der Semi-Finalrunde die für den ARD-Wettbewerb in Auftrag gegebene Komposition des kanadischen Pianisten Marc-André Hamelin, „Pavane variée“, sensationell „uraufgeführt“, womit andere Wettbewerber zum Teil größere Probleme hatten. Hamelin wird sein neues Werk selbst am 6. Dezember 2014 im Münchner Herkulessaal aufführen neben Mozarts Sonate D-Dur KV 576 und Schuberts Sonate B-Dur D 960.

Als ich Florian Mitrea zuhörte, war ich entsetzt über die sehr scharfen Klänge, die ich auf eine wenig professionelle Intonation des Flügels zurückzuführen glaubte. Als dann am Schluss des Finales der 26-jährige Koreaner Kang-Un Kim, der seit 2007 an der Münchner Hochschule für Musik studiert, das Tschaikowsky-Konzert präsentierte, fühlte man sich sehr schnell wieder versöhnt. Technisch und musikalisch makellos – ein glänzender Vortrag. Auch er bekam den 3. Platz.

Der 22-jährige Chi Ho Han, am 19. Januar 1992 in Seoul/Korea geboren, spielte das 4. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven in Vollendung – der Steinwayflügel verwandelte sich von der ersten bis zur letzten Note zu einem Gesangsinstrument.  Die Jury entscheidet: 2. Platz, ein erster wurde diesmal nicht vergeben. Beethoven hatte als Solist und Dirigent im Alter von 38 Jahren an nur einem Tag am 22. Dezember 1808 in Wien sein 4. und 5. Klavierkonzert, seine 5. und 6. Sinfonie „Pastorale“ und seine Chorfantasie op. 80 uraufgeführt.  Wie mag dies aus heutiger Sicht geklungen haben.

Die Auftrittsleistung ist erstaunlich. Chi Ho Han studiert zur Zeit bei Professor Arie Vardi (1937 in Tel Aviv geboren), der sehr gute Schüler herausgebracht hat. Ein hervorragender Pianist und begabter Lehrer. Chi Ho Han hat die Voraussetzung, ein Beethoven-Spieler herkömmlicher höchster Interpretationskultur zu werden. Im 2. Durchgang des ARD-Wettbewerbs hatte er die Beethoven-Sonate A-Dur op. 101 fast konkurrenzlos gespielt – ein junger Pianist, der das Schlaginstrument Klavier wie ein Streicher behandelt.

ARD-Musikwettbewerb

[–Rückblick in die Geschichte von zwei Jahrhundert-Künstlern–]

Für den in der Ukraine im Jahr 1903 geborenen Pianisten Wladimir Horowitz wurde das Tschaikowsky-Klavierkonzert schicksalsbestimmend, als er 22 Jahre jung war. Er spielte im Ballsaal des Hamburger Hotels Atlantic an der Außenalster einige Soloabende. Er bekam plötzlich das Angebot, für einen Solisten mit dem 1. Klavierkonzert von Peter Tschaikowsky in der Hamburger Musikhalle einzuspringen. Dieser Abend muss derart sensationell gewesen sein, dass Steinway & Sons ihn nach Amerika holte, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. Bei seiner Hochzeit mit Arturo Toscaninis Tochter Wanda 1993 in New York schenkte ihm Henry Steinway einen traumhaften Konzertflügel. An einem Klavierwettbewerb hatte Horowitz sein ganzes Leben lang nie teilgenommen.

Volodymyr Samiylovich Horovyts, wurde am 1. Oktober 1903 geboren. Als Geburtsort gab er selbst immer die ukrainische Hauptstadt Kiew an, sein Biograph Glenn Plaskin, gestützt auf Aussagen von Horowitz‘ Frau Wanda und rabbinische Dokumente, favorisiert das etwa 150 Kilometer entfernte Berdychiv. Die ersten Klavierlektionen erhielt der kleine Volodja wie auch seine drei Geschwister von seiner Mutter Sophie, selbst eine begabte Pianistin. Bereits mit neun Jahren wurde er am Konservatorium in Kiew aufgenommen, wo ihn Vladimir Puchalsky, Sergei Tarnowsky und Felix Blumenfeld unterrichteten. 1920 spielte er dort als öffentliche Abschlussprüfung unter anderem erstmals Sergei Rachmaninovs 3. Klavierkonzert, das zu einem seiner Paradestücke werden sollte. Im selben Jahr fand auch sein erstes Solo-Recital statt. Zu dieser Zeit sah sich Horowitz vor allem als Komponist.

Die politischen Umstände in den frühen Jahren der Sowjetunion und daraus resultierende wirtschaftliche Not seiner Familie zwangen ihn aber schnell, davon abzusehen und sich ausschließlich auf seine Pianistenlaufbahn zu konzentrieren. In den Jahren 1921 – 1925 gab Horowitz solistisch oder als Duo-Partner seines Freundes, des Geigers Nathan Milstein, eine schier unermessliche Anzahl von Konzerten in der Sowjetunion, nicht nur in den Metropolen wie Moskau, Leningrad (allein 23 Auftritte mit elf verschiedenen Programmen in der Saison 1922/23) und Kiew, sondern auch in kleinen Orten unter teilweise abenteuerlichen Umständen.

1925 verließ Vladimir Horowitz die Sowjetunion. Sein Vater war der einzige seiner Familie, den er Jahre später, 1934, noch einmal wiedersehen sollte. Am 12. Januar 1928 debütierte er in den USA: Mit dem New York Philharmonic Orchestra unter Sir Thomas Beecham spielte er das 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky und dies mit derart sensationellem Erfolg, dass ihm von nun an alle Türen der musikalischen Welt offenstanden. 1932 musizierte er erstmals mit Arturo Toscanini (Beethovens 5. Klavierkonzert), dessen Tochter Wanda er im darauffolgenden Jahr heiratete. Und es begann eine erfolgreiche Künstlerlaufbahn mit vielen Hochs und Tiefs. In Hamburg hatte alles begonnen und am 21. Juni 1987 verabschiedete sich Horowitz vom Konzertpodium. Am Sonntag,  5. November 1989, starb er in New York an einer Herzattacke.

Der Cellist Gregor Piatigorsky

Auch der Cellist Gregor Piatigorsky ist wie Horowitz in der Ukraine im Jahr 1903 als Sohn von Musikern in Jekaterinoslaw (heute Dnipropetrowsk) in eine jüdische Familie hineingeboren. Erster Cello-Unterricht bei seinem Vater, einem Geiger. Bereits mit 8 Jahren Stipendium für ein Studium am Moskauer Konservatorium. Als Kind bereits Auftritte in Cafés. Nach einem großen Streit mit dem Vater verlässt er im Alter von 15 Jahren das Elternhaus und muss ums Überleben kämpfen. Er wird als erster Cellist am Bolschoi-Theater, dem damals größten Orchester Russlands, angestellt.

Wenig später dramatische Flucht über Polen nach Deutschland. Studium bei Julius Klengel in Leipzig und Hugo Becker in Berlin. Er ist 21 Jahre jung, als Wilhelm Furtwängler ihn 1924 ins Berliner Philharmonische Orchester aufgenommen hat, nachdem er mehrere Nächte als Obdachloser auf Straßen- und Parkbänken verbracht hatte. Bis zum Jahr 1929 bleibt er 1. Solocellist der Berliner Philharmoniker. Mit den herausragendsten Künstlern jener Zeit hatte er musiziert: Jascha Heifetz, Nathan Milstein, Arthur Rubinstein, Sergei Rachmaninow, Artur Schnabel, Wladimir Horowitz u.a.. Gregor Piatigorsky heiratete 1937 in Ann Arbor/Michigan/USA Jacqueline Rebecca Louise de Rothschild aus der berühmten Bankiers-Familie. Sie war eine leidenschaftliche Schachspielerin (1911 in Paris geboren und 100-jährig im Jahr 2012 in Los Angeles gestorben).

Gregor Piatigorsky hat nie an einem Musikwettbewerb teilgenommen. Er starb im August 1976 im Alter von 73 Jahren in Los Angeles. Sein in hohen Auflagen erschienenes Buch „Mein Cello und ich“ ist bis heute eine Pflichtlektüre für Liebhaber der klassischen Musik.



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