Baden-Württemberg: Flüchtlingszahlen werden für Kretschmann zum Problem

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Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)Foto: Carsten Koall / Getty Images
Epoch Times27. Juli 2015

Stuttgart (dpa) – Es war ein dramatischer Appell, den die Kommunen in Baden-Württemberg vor einigen Tagen an die Politik im Land und im Bund richteten. „Es ist eher drei vor zwölf als fünf vor zwölf“, sagte der Präsident des Landkreistags, Joachim Walter (CDU).

Nahe Karlsruhe ging ein geplantes Flüchtlingsheim in Flammen auf – durch Brandstiftung. Und Landesintegrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sah sich in Heidelberg mit teils aufgebrachten Bürgern konfrontiert – es ging um eine völlig überbelegte Flüchtlingsunterkunft. Schließlich fuhr Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) selber nach Heidelberg, um zur Beruhigung der angespannten Lage beizutragen. Dort will er die Situation bei einem Flüchtlingsgipfel entschärfen.

Erstaufnahmen des Landes sind überfüllt

Siebeneinhalb Monate vor der Landtagswahl wächst sich das Flüchtlingsthema für die grün-rote Landesregierung zu einem schwerwiegenden Problem aus. Baden-Württemberg nimmt rund 13 Prozent aller neuen Asylbewerber in Deutschland auf – in diesem Jahr werden es mehr als 50 000, wahrscheinlich sogar 80 000 Menschen sein. Aber die Erstaufnahmen des Landes sind überfüllt. Und Asylbewerber dürfen dort nur höchstens drei Monate bleiben. Manche werden von dort aus in die Kommunen geschickt, obwohl sie noch nicht identifiziert und nicht gesundheitlich untersucht sind. Mittlerweile räumt Grün-Rot auch „zwischenmenschliche Probleme“ ein – etwa, wenn Asylbewerber Frauen anmachen oder ihre Notdurft öffentlich verrichten.

Kretschmann will jetzt Handlungsfähigkeit demonstrieren. Eine Task Force soll her, es soll mehr Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen geben. Und von dem gut gemeinten Vorhaben, Flüchtlingen mindestens sieben Quadratmeter Wohnfläche zu gewähren, wird Grün-Rot erst einmal Abstand nehmen müssen. Wie Hohn müssen in den Ohren der Kommunen Forderungen klingen, Flüchtlinge nicht in Industriegebieten unterzubringen. „Die Not ist ja so groß, dass wir derzeit gar nicht mehr groß heraussuchen können, wo wir die Gemeinschaftsunterkünfte hinstellen“, sagt Städtetagspräsidentin Barbara Bosch (parteilos).

"Was uns ereilt, ist ein Tornado“

Wie konnte es so weit kommen? Die Opposition und die Kommunen werfen der Landesregierung vor, die Flüchtlingszahlen unterschätzt zu haben. Die Landesregierung verweist auf den Bund – schließlich dauere die Bearbeitung von Asylanträgen im Durchschnitt rund sieben Monate. Und der Bund habe auch zu niedrige Flüchtlingszahlen prognostiziert. „Wir waren letztes Jahr gewarnt worden vor einem Gewitter, und was uns ereilt, ist ein Tornado“, sagte die Staatsrätin für Zivilgesellschaft, Gisela Erler (Grüne), dem „Südkurier“ (Montag).

Als größte Opposition im Land nutzt die CDU das Thema zwar bisher nicht aus. Sie zieht damit auch eine Lehre aus 1992, als nach einem Asylwahlkampf die rechtsradikalen Republikaner mit 10,9 Prozent in den Landtag einzogen, während die CDU klare Verluste erlitt. Doch die Christdemokraten sind in Baden-Württemberg vor allem in den Kommunen stark verankert – mit dem Flüchtlingsthema können sie Grün-Rot vor sich hertreiben. Dabei setzt Kretschmann angesichts extrem guter Umfragewerte eigentlich darauf, dass er beim Urnengang im März 2016 auch Konservative für sich gewinnen kann. Das Flüchtlingsthema aber könnte seinen guten Ruf beschädigen.



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